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Eingewandert, um Deutsch zu lehren

Sprache Die 28-jährige Weißrussin Alena Sakalouskaya unterrichtet In Kirchheim junge Flüchtlinge in einer Berufs-Vorbereitungsklasse der Stiftung Tragwerk. Von Bianca Lütz-Holoch

International geht es in der VABO-Klasse von Alena Sakalouskaya zu: Nicht nur die Schüler kommen aus ganz unterschiedlichen Länd
International geht es in der VABO-Klasse von Alena Sakalouskaya zu: Nicht nur die Schüler kommen aus ganz unterschiedlichen Ländern. Auch die Deutschlehrerin selbst stammt aus dem Ausland.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim ist genau das, was ich mir gewünscht habe“, sagt Alena Sakalouskaya und strahlt. „Es ist schön, gemütlich und ruhig hier.“ Vor einem dreiviertel Jahr ist die 28-Jährige von der weißrussischen Hauptstadt Minsk nach Deutschland gezogen – und zwar, um Flüchtlingen in Kirchheim Deutsch beizubringen.

„Es war schon immer mein Traum, in Deutschland zu leben“, erzählt die 28-Jährige, die an der linguistischen Universität in Minsk studiert und sich auf das Unterrichten von Deutsch und Englisch als Fremdsprachen spezialisiert hat. „Ich habe ganz gezielt nach Stellen in Baden-Württemberg gesucht und hier die Anerkennung meines Diploms beantragt“, erzählt Alena Sakalouskaya und verrät: „Vor acht Jahren bin ich einmal als Dolmetscherin mit dem weißrussischen Chor in Rottenburg gewesen – und hatte seither die romantische Vorstellung, selbst einmal hier zu leben.“

Als sie schließlich auf eine Stellenanzeige der Stiftung Tragwerk im Internet stieß, war ihr Entschluss schnell gefasst: „Ich habe mich beworben und wurde zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen.“ Gemeinsam mit ihrem Mann reiste Alena Sakalouskaya Ende Januar nach Kirchheim – und erhielt eine Zusage. Zwei Monate später trat sie ihre neue Stelle als Lehrerin in einer der drei neu geschaffenen beruflichen Vorbereitungsklassen (VABO-Klassen) der Stiftung Tragwerk an. Dass die Stelle mit einer Weißrussin besetzt wurde, hat gute Gründe: „Weil der Bedarf so hoch ist, ist es derzeit sehr schwer, Lehrer zu finden, die Deutsch als Fremdsprache unterrichten können“, sagt Professor Dr. Werner Baur, Leiter der zur Stiftung Tragwerk gehörenden Janusz-Korczak-Schule.

„Anfangs war es ganz schön anstrengend“, gibt Alena Sakalouskaya zu. Nicht nur, dass sie selbst noch fremd im Land war. Ihre Aufgabe, junge Flüchtlinge aus den unterschiedlichsten Ländern und Kulturkreisen gemeinsam zu unterrichten, erwies sich als nicht immer ganz einfach. „Einige meiner Schüler konnten weder lesen noch schreiben“, erzählt die 28-Jährige und fügt hinzu: „Bei der Alphabetisierung hat mich aber eine Kollegin unterstützt.“

Vor allem zu Beginn kochten zudem immer wieder Konflikte und Aggressionen hoch, manchmal gingen die jungen Männer einfach aufeinander los. „Aber mittlerweile ist das schon viel besser geworden“, freut sich die Deutschlehrerin und zeigt auf die Merkblätter, die sie im Klassenzimmer aufgehängt hat. „Wir sprechen ständig über Regeln, und ich sage den Jungen immer und immer wieder, dass sie unbedingt die deutsche Kultur kennenlernen und sich an sie anpassen müssen.“

Alena Sakalouskaya selbst hat keine Probleme mit den deutschen Gepflogenheiten: „Sie sind nicht so viel anders als in Weißrussland“, sagt sie: „Und Werte wie Ordentlichkeit und Pünktlichkeit gefallen mir ohnehin sehr gut.“ Aufgefallen ist der jungen Frau auch, dass die Menschen in Deutschland sehr offen sind. „Und sehr höflich“, betont sie.

Sechs Jahre hat Alena Sakalouskaya Schülern in Minsk und Brest Deutsch beigebracht. Flüchtlinge im Berufsschulalter zu unterrichten, war für sie dagegen neu. Anhand eines Deutschbuchs und Arbeitsblättern paukt sie mit 15  jungen Männern und zwei jungen Frauen aus Syrien, Afghanistan und dem Iran, aus Kamerun, Gambia und Benin den Wortschatz und Szenen rund um Beruf, Alltag, Gesundheit, Ämter und Behörden. Und manchmal wird es auch ganz praxisnah. „Wir haben gemeinsam den Weihnachtsmarkt in Kirchheim besucht“, erzählt Sakalouskaya. „So etwas gibt es in Weißrussland nicht. Das war für mich also genauso neu wie für meine Schüler“, so die 28-Jährige.

Ihren Entschluss, nach Deutschland zu ziehen, hat Alena Sakalouskaya keine Sekunde bereut: „Mit gefällt alles hier“, schwärmt sie: „Die Umgebung, die Kollegen, die Nachbarn und die Infrastruktur.“ Zusammen mit ihrem Mann, einem weißrussischen Bauingenieur, möchte sie sich in Deutschland eine Zukunft aufbauen. Das Paar, das in Ötlingen wohnt, hat schon viel von der Umgebung gesehen: „Wir waren in Straßburg, Stuttgart, Ulm und Tübingen“. Regelmäßig gehen die beiden joggen oder schwimmen – und sie sprechen so viel Deutsch wie möglich, auch miteinander. Denn: „Das Wichtigste ist es, die Sprache zu beherrschen“, weiß Alena Sakalousakya. Ein Satz übrigens, den auch ihre Schüler regelmäßig zu hören bekommen.