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Eltern müssen Vorbild sein

Vortrag Medienexperte Thomas Feibel spricht im Dettinger Buchcafé über Lösungen für Familien-Konflikte wegen übermäßiger Handynutzung. Von Andrea Barner

Das Smartphone dient der Information und Unterhaltung - und bietet jede Menge Konfliktstoff.Foto: Andrea Barner
Das Smartphone dient der Information und Unterhaltung - und bietet jede Menge Konfliktstoff.Foto: Andrea Barner

Erziehung ist anstrengend, sagt Thomas Feibel. Verständnisvolles Nicken allseits, die Mütter wissen, wovon der preisgekrönte Schriftsteller, Moderator und Medienexperte redet. Auch eine kleine Handvoll Väter hat den Weg ins One-Buchcafé in Dettingen gefunden. Das Thema brennt unter den Nägeln. Die Handynutzung der Sprösslinge ist in vielen Familien Streitthema Nummer eins. Weil’s halt häufig ausartet.

Der 55-jährige Autor des Ratgebers „Jetzt pack doch mal das Handy weg!“ warnt vor Panik und generellen Verboten. Smartphones, Tablets und Computer bieten ja auch viele sinnvolle Anwendungen. Und fragt in die Runde: „Wer hat ein Smartphone? Wer hat’s dabei, wer hat es eingeschaltet?“ Die meisten natürlich, und schon steht ein gewisses „Siehste!“ im Raum. Viele Eltern sind selbst schon mit Handys und Computerspielen, kurz: mit elektronischen Medien, aufgewachsen. Beruflich und privat ist die ständige Erreichbarkeit für die meisten Erwachsenen selbstverständlich. „Fassen Sie sich doch mal an die eigene Nase!“, lenkt Thomas Feibel den Blick aufs eigene Verhalten. Das Smartphone in der Hosentasche, auf dem Esstisch, rasch noch E-Mails abrufen, googeln, chatten, Filmchen schauen. Normal, gell? Für Kinder auch.

Maßvoller Umgang mit dem Internet, mit unendlichen Spielmöglichkeiten und teils anonymer Beziehungspflege will gelernt sein. „Wir brauchen eine neue Form der Lesefähigkeit“ ,verdeutlicht Feibel die Problematik von ungefilterter Informationsflut, zahllosen Shops mit einfachen Bezahlmöglichkeiten, auch für Kinder und Jugendliche ohne Visa-Karte. Für alles und jedes gibt es eine App, in den sozialen Netzwerken finden Mädchen und Jungen Bestätigung und Gelegenheit zur hemmungslosen Selbstinszenierung. Aber auch „Fake-News“ und „Hate-Speech“, also falsche Informationen, Streit, Verunglimpfungen bis hin zu Cyber-Mobbing. Auch mit der Preisgabe von persönlichen Daten und Fotos („Big Data“), die nicht mehr entfernt werden können, ist bei Großen und Kleinen Vorsicht geboten.

Großes Rätselraten im Raum, als Thomas Feibel fragt: „Wer soll diese spezielle Lesefähigkeit vermitteln? Sie als Eltern? Die Schulen?“ Die Eltern natürlich, lautet eine mögliche Antwort. Dafür müssen sie sich aber selber auskennen und sich die Zeit nehmen, auch Sicherheitsvorkehrungen zu treffen. Sie müssen behutsam kontrollieren, was ihre Kinder mit elektronischen Geräten so alles anstellen. Am besten von vornherein Regeln aufstellen, Strafen vorher festlegen, Interesse zeigen. Und dafür sorgen, dass beide Seiten die Regeln einhalten. Erziehung ist anstrengend.

Lesefähigkeit - da müssen genauso die Schulen ran, schließlich sollen sie die Kinder auch in Sachen Medienkompetenz aufs Leben vorbereiten. Aber: in den Schulen ist das Handy oftmals tabu. Manche Schulen haben kreative Lösungen gefunden, um Schulalltag, Smartphones und die allgegenwärtige Whats App unter einen Hut zu kriegen. Thomas Feibel sieht an vielen Schulen aber noch reichlich Nachholbedarf. Bis das überall soweit ist, rät er Eltern und Kindern derweil zum Besuch größerer Stadtbüchereien. „Die haben alle WLAN, Tablets, E-Books und sie haben in der Regel Leute, die sich damit auskennen, weil sie laufend Fortbildungen machen.“

Ein spannender Vortrag und ein spannendes Buch, das Thomas Feibel im Buchcafé in Dettingen vorgestellt hat: „Jetzt pack doch mal das Handy weg“. Feibel hält Eltern darin einen manchmal wenig schmeichelhaften Spiegel vor und meint: „Sie müssen Vorbild sein.“ Es gibt allerlei Analysen, warum Kinder und Jugendliche dem Whats App-Dauerchat verfallen oder in Spielerausch geraten, hierzu hat Feibel für sein Buch Experten, Eltern und Jugendliche befragt. Andererseits gibt er praktikable, schnell umsetzbare Ratschläge, wie die Handynutzung auf ein Normalmaß zurückgeschraubt und sicherer gemacht werden kann. Wer gerade keine Kinder im entsprechenden Alter hat, sollte es vielleicht trotzdem lesen. Denn die vielen Tipps darin gelten natürlich genauso für Erwachsene.

Info “Jetzt pack doch mal das Handy weg! Wie wir unsere Kinder von der digitalen Sucht befreien“ von Thomas Feibel, Medienexperte, Kinder- und Jugendbuchautor, ist im Oktober 2017 im Ullstein Verlag erschienen, Die ISBN-Nummer lautet 978-3-548-37719-3.

Thomas FeibelFoto: pr
Thomas FeibelFoto: pr

Tipps für Eltern

Patentrezepte kann und will Thomas Feibel nicht anbieten. Denn jedes Kind ist anders als das andere, jede familiäre Situation ganz individuell. Hier folgen auszugsweise ein paar generelle Ratschläge für Eltern.

Nutzungsvertrag mit dem Kind abschließen: Klare Regeln aufstellen, allerdings nur notfalls „diktatorisch“. Bedürfnisse altersgerecht abchecken.

Gleiches Recht für alle: Auch Eltern müssen „Sperrzeiten“ wie zum Beispiel beim Essen, einhalten. Vorbildfunktion ausüben und nicht selber dauernd auf das Smartphone starren.

Sicherheitseinstellungen zusammen mit dem Kind regelmäßig kontrollieren: Gemeint sind die Geräteeinstellungen, aber auch die sich öfter ändernden Einstellungen in sozialen Netzwerken und Apps.

Drittanbietersperre einrichten geht kostenlos beim Netzanbieter und verhindert Einkäufe in Shops, deren Kosten via Telefonrechnung abgebucht werden.

Aufklären über „Beleidigungen“ und Höflichkeit, ebenso über die „Ewigkeit“ von peinlichen Fotos im Netz und Urheberrechte. Interesse zeigen und bei Problemen als Gesprächspartner bereitstehen.ab