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Eltern sein ist manchmal schwer

Projekt „Wellcome“ hilft Müttern und Vätern durch das erste Babyjahr

Schauen immer neugieriger aus der Wäsche: Die eineiigen Zwillinge Leonard und Niklas mit Mutter Melanie Reim und der Ehrenamtlic
Schauen immer neugieriger aus der Wäsche: Die eineiigen Zwillinge Leonard und Niklas mit Mutter Melanie Reim und der Ehrenamtlichen Claudia Schleheck (von links).Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Als auf dem Ultraschallgerät des Frauenarztes zwei Herzen auftauchen, weiß Melanie Reim, dass sie Hilfe braucht. Die Kirchheimerin ist bereits Mutter eines

Antje Dörr

kleinen Jungen, ihr Mann ist selbstständig. Lange vor der Geburt ihrer Zwillinge ruft Melanie Reim beim „Wellcome“-Projekt an und bittet um Unterstützung. Die kommt in Person von Claudia Schleheck. Ein bis zwei Mal die Woche besucht die Ehrenamtliche Familie Reim, um mit Leonard und Niklas spazieren zu gehen, beim Füttern zu helfen oder mit Bruder Maximilian zu spielen.

„Wellcome“ läuft seit 2013 in Kirchheim und richtet sich an Eltern im ersten Babyjahr. Ehrenamtliche gehen in die Familien, um Mütter und Väter zu entlasten. Hausarbeit ist allerdings tabu. Die Unterstützung läuft in der Regel drei Monate lang, bei Mehrlingen auch länger. Gabriele Schäfer koordiniert das Projekt für die Familien-Bildungsstätte (FBS). „Jungen Familien fehlt häufig das Netzwerk. Die Großeltern sind heute häufig sehr aktiv, oft selbst noch berufstätig“, sagt Schäfer. Diese Lücke möchte „Wellcome“ füllen. Mütter und Väter sollen nicht allein gelassen werden mit den Belastungen, die ein Baby mit sich bringen kann. Allerdings gibt es Grenzen. „Wenn Probleme wie Krankheiten oder Süchte mit im Spiel sind, vermitteln wir an andere Projekte, die darauf spezialisiert sind“, sagt Schäfer.

Beim ersten Kind hätte sie eigentlich noch dringender Unterstützung gebraucht als nun mit dreien, sagt Melanie Reim, die Familien ermuntern will, sich bei „Wellcome“ zu melden. „Ich hatte eine Wochenbettdepression, Max hat viel geschrien“, erinnert sich Reim an die Babyzeit vor drei Jahren. Sie hatte große Schwierigkeiten, loszulassen, wollte am liebsten alles allein machen. Das sollte bei den Zwillingen anders werden. Ihre Schwiegereltern springen häufig ein, holen Maximilian vom Kindergarten ab. Melanie Reim ist dankbar, dass die „Wellcome“-Freiwillige Claudia Schleheck ihr zusätzlich einmal die Woche unter die Arme greift. „Sie war mir von Anfang an sympathisch“, sagt Reim. Schleheck, selbst Mutter einer Fünfjährigen, freut sich, dass sie helfen kann. „Mein Kind war als Baby ein richtiges Bilderbuchkind. Ich wollte etwas von meinen Erfahrungen weitergeben“, sagt sie.

Aktuell betreuen 13 Ehrenamtliche 18 Familien, wobei bei einigen die Hilfe demnächst ausläuft. „Wellcome“ sucht daher neue Familien, die Entlastung brauchen. Gabriele Schäfer, die in der FBS Kleinkindkurse wie „Pekip“ leitet, weiß, dass das weitaus häufiger der Fall ist, als zugegeben wird. „Bei vielen Frauen gibt es eine große Hemmschwelle, bei uns anzurufen, obwohl sie sehr müde sind und dringend etwas Hilfe bräuchten“, sagt Schäfer. Häufig setzten Väter oder Schwiegermütter die Frauen unter Druck, nach dem Motto: „Du musst das allein schaffen“. Dabei sei es keine Schande, um Unterstützung zu bitten. „Für viele Frauen ist die Mutterschaft eine riesige Umstellung. Man ist raus aus dem Job, allein mit dem Baby, und jeder rät einem etwas anderes“, sagt Gabriele Schäfer. Sie legt Wert da­rauf, dass wirklich alle Eltern im ersten Babyjahr sich melden können – egal ob kurz nach der Geburt oder nach einem halben Jahr, wenn die Kinder langsam aktiver werden.

Auch Ehrenamtliche werden immer gebraucht. Wer mitmachen möchte, sollte Erfahrungen mit Babys haben. Viele „Wellcome“-Freiwillige seien selbst junge Mütter, die ihre Erfahrungen weitergeben wollten, sagt Gabriele Schäfer. „Viele haben den Anfang mit ihren Kindern als sehr schwierig in Erinnerung und wollen vermitteln: Es wird besser.“

Kontakt

Familien und potenzielle Ehrenamtliche können sich an „Wellcome“-Koordinatorin Gabriele Schäfer wenden. Ihre Telefonnummer lautet 0 70 21/9 20 01 17, ihre E-Mail-Adresse kirchheim-teck@wellcome-online.de. Mehr Informationen gibt es auf www.wellcome-online.de.