Esslingen. Nicht immer ist es so ruhig wie an diesem Vormittag. Eine Person mit Kreislaufschwäche in der Plochinger Innenstadt. Der Anruf kam per Handy über die zentrale Notrufnummer 112 in der Esslinger Feuerwache an. Während Katja Schmidhäußler noch die Meldedaten registriert, hat ihr Kollege nebenan auf einer digitalen Karte bereits einen Rettungswagen lokalisiert, der nur ein paar Straßenzüge vom Ort entfernt ist, wo Hilfe benötigt wird. Die Sanitäter sind nach nur wenigen Minuten zur Stelle. Routine für die Einsatzplaner.
Katja Schmidhäußler ist von Beruf Feuerwehrfrau. Seit fünf Jahren arbeitet sie als eine von fünf weiblichen Kräften als Disponentin in der gemeinsamen Leitstelle von Feuerwehr und DRK. Einer Welt aus Telefonpulten und Monitoren, auf denen Zahlenreihen tanzen und Kartensegmente mit Geo-Daten in allen Farben leuchten. Wer hier sitzt, braucht den Überblick – und einen kurzen Draht zum Nachbarn. Schmidhäußler sitzt an einem von nur vier Regelarbeitsplätzen, an denen Anrufe über die Notrufnummer 112 entgegengenommen werden können. Insgesamt sind es acht, doch die vier Kollegen des DRK sind von der Technik der Feuerwehr abgeschnitten. Sie arbeiten in einem eigenen Aufgabenbereich mit eigener Datentechnik. Das System funktioniert trotzdem, weil seit dem Umzug 2008 in die neue Feuerwache neben dem Landratsamt die Wege kurz sind. Beide Seiten sitzen gemeinsam in einem Raum.
Das Problem: Bei größeren Unfällen mit Publikum gehen in kürzester Zeit über die 112 eine Vielzahl von Anrufen ein. Nicht selten sind es an die Hundert zu einem einzigen Ereignis. Experten reden vom „Flaschenhals“, der im schlimmsten Fall dazu führt, dass andere Notrufe in der Warteschleife stecken. Das soll sich nun ändern. Knapp 750 000 Euro wollen der Landkreis als Feuerwehrträger und das DRK, das sich über die Krankenkassen finanziert, in neue Technik investieren. Dafür soll es modernen Digitalfunk und ein einheitliches Datensystem für alle Mitarbeiter geben. Bis Ende 2016, so schätzt der Leiter der DRK-Rettungsleitstelle Rolf Wieder, wird die integrierte Lösung praxistauglich sein. Dann soll die Notruf-Engstelle beseitigt und alle Mitarbeiter mit der neuen Software vertraut sein.
Die Zusammenlegung bringt auch ein Plus an Arbeitsökonomie. Mehr als 18 000 Vermittlungen pro Jahr zwischen Notrufannahme und DRK-Rettung fallen dann weg. „Das sind 18 000 Minuten Arbeit, die bis jetzt doppelt erledigt wird“, sagt Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich. Stellt sich die Frage, warum das Ganze erst jetzt? Die Esslinger sind gemeinsam mit den Kollegen aus Bruchsal die einzigen im Land, die noch mit dem alten Modell arbeiten. Die Pflicht zur Einrichtung von integrierten Leitstellen ist seit 2011 gesetzlich verankert. Sie greift allerdings erst dann, wenn die Technik ohnehin erneuert werden muss. Das ist in Esslingen jetzt der Fall: Die Anlage der Feuerwehr ist seit 2012 komplett abgeschrieben, beim DRK wird dies im kommenden Jahr der Fall sein.
Kreisbrandmeister Bernhard Dittrich macht keinen Hehl daraus, dass der Schulterschluss spät kommt. Dittrich ist seit 21 Jahren Berufsfeuerwehrmann und im benachbarten Remstal aufgewachsen. Dort nutzen beide Organisationen seit Jahrzehnten gemeinsame Technik.
In Esslingen war man sich nach dem Umzug von der alten Feuerwache in die Pulverwiesen uneins über die gemeinsame Finanzierung. Hinter DRK und Feuerwehr stehen zwei Ministerien und verschiedene Gesetze. Viele sehen darin ein Hindernis. Dabei gab es in der alten Feuerwache in der Adlerstraße bereits vor drei Jahrzehnten eine integrierte Leitstelle – als Forschungsprojekt der Bundesregierung.