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„Es ist irrelevant, wo jemand arbeitet“

Beruf Wie kann mobiles Arbeiten zu einem Gewinn für alle werden? Darüber hat Grünen-Fraktionschef Schwarz mit Vaude-Geschäftsführerin Antje von Dewitz und Gewerkschafterin Julia Friedrich gesprochen. Von Antje Dörr

Mobiles Arbeiten ist beim Outdoor-Ausrüster Vaude schon seit 20 Jahren Teil der Unternehmenskultur. Entsprechend unspektakulär war der Umzug ins Homeoffice, als die Pandemie begann. „Als Corona kam, haben eben alle einfach von zuhause aus gearbeitet“, sagt Antje von Dewitz und zuckt mit den Schultern. Die Infrastruktur stand, „wir arbeiten alle schon lange in der Cloud“. Bedenken, dass die Mitarbeiter sich zuhause auf die faule Haut legen? Keineswegs. „Wir glauben daran, dass unsere Mitarbeiter gerne bei uns arbeiten, dass sie Leistung bringen wollen“, sagt die Vaude-Geschäftsführerin.

So weit wie das Unternehmen, das seinen Sitz in Tettnang hat, sind längst nicht alle Unternehmen. Überhaupt könnte Deutschland im Bereich der Digitalisierung viel weiter sein, betonte Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz, der die Online-Veranstaltung „Arbeitswelt im Wandel - Homeoffice und Digitalisierung“, veranstaltet von den Grünen-Frauen Kirchheim im Rahmen der Frauenkulturtage, moderierte. Die erste Runde des digitalen Wandels habe Deutschland gegen die USA verloren. „Wir wollen den digitalen Wandel gestalten, und wir wollen ihn menschlich gestalten“, sagte Schwarz in Anspielung auf den nicht angestrebten chinesischen Weg.

Auch beim mobilen Arbeiten gebe es noch viele Herausforderungen, sagte DGB-Bezirksgeschäftsführerin Julia Friedrich. Da ist zum einen der Gesundheitsschutz. „Oft wird der Rechner am Küchentisch ausgepackt. Ergonomie spielt keine Rolle“, sagte Friedrich. Offen sei zudem die Frage der Kosten. Auch die Abgrenzung zur Arbeit könne ein Problem sein. „Da gibt es aber sehr gute Lösungen. Daimler hat zum Beispiel eine Vereinbarung zur Nichterreichbarkeit“, sagte Friedrich.

Angesichts vieler offener Punkte stellte Andreas Schwarz die Frage: „Brauchen wir ein Homeoffice-Gesetz?“ „Nein“, findet Antje von Dewitz. „Wir haben das mobile Arbeiten eingeführt, weil wir es für vernünftig halten und unseren Mitarbeitern die größtmögliche Lebensqualität bieten wollen“. Dass Unternehmen die Homeoffices ihrer Mitarbeiter finanzieren, hält sie für übertrieben. „Es dürfen gerne alle im Unternehmen arbeiten“. Aber selbstverständlich hätten alle Vaude-Mitarbeiter Laptops. „Als Corona begann, durfte jeder Mitarbeiter seinen Stuhl mit nachhause nehmen“. Gewerkschafterin Julia Friedrich steht einem Homeoffice-Gesetz weniger ablehnend gegenüber. „In den meisten Fällen wird es nicht nötig sein. Bei den schwarzen Schafen könnte ein Recht auf Homeoffice aber eine sinnvolle Unterstützung sein“, sagte sie.

Fördert Homeoffice die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, wollte Andreas Schwarz von den Diskussionsteilnehmerinnen wissen. „Auf jeden Fall“, sagte Antje von Dewitz, die selbst Mutter von vier Kindern ist. Bei Vaude müsse niemand von 8 bis 17 Uhr arbeiten. „Man arbeitet mal mehr, mal weniger. Und zwischendrin darf man sich ruhigen Gewissens den Kindern widmen.“ Das Gefühl, dass der Arbeitgeber ihnen vertraue, erlebten ihre Mitarbeiter als sehr bereichernd.

Eine Diskussionsteilnehmerin, die Kirchheimer Wirtschaftsförderin Saskia Klinger, teilte ihre Einschätzung, dass es gesundes und ungesundes Homeoffice gibt. „Wenn man, so wie jetzt, Kinderbetreuung und Arbeit unter einen Hut bringen muss, ist das eher ungesund“, sagte sie. Auch Julia Friedrich vom DGB betonte: „Homeoffice ist kein Betreuungskonzept.“ Auch müsse man darauf achten, dass künftig nicht nur die Frauenberufe ins Homeoffice gingen, und die Männer nach Corona in den Betrieb zurückkehrten. „Das wäre gleichstellungspolitisch gar keine gute Entwicklung“, sagte Friedrich.