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Europa genießt hohen Stellenwert

Politik Der Bundestagsneuling und SPD-Abgeordnete Nils Schmid spricht über die ersten 100 Tage der Großen Koalition. Er zieht eine positive Bilanz, denn die ersten Gesetze sind schon verabschiedet. Von Iris Häfner

Die Schiene soll ausgebaut werden, um die Straßen zu entlasten. Foto:Jean-Luc Jacques
Die Schiene soll ausgebaut werden, um die Straßen zu entlasten. Foto:Jean-Luc Jacques

Das wird sicherlich die ungewöhnlichste Legislaturperiode in mehrfacher Hinsicht“, sagt Dr. Nils Schmid in seinem Nürtinger Wahlkreisbüro. Da ist zum einen der holprige und späte Regierungsstart und zum andern der derzeitige unionsinterne Streit über die Flüchtlingspolitik. „Das ist bizarr was da gerade bei unserem Koalitionspartner passiert“, sagt er. Aus dem internen Streit werde sich seine Partei aber heraushalten. „Die SPD hat als zerstritten gegolten, dementsprechend waren die Umfragewerte. Das gleiche Phänomen trifft jetzt die CDU“, sagt Nils Schmid.

Der Bundestagsabgeordnete der SPD hat aus Anlass 100 Tage Große Koalition zur Pressekonferenz eingeladen, muss jedoch feststellen, dass in Berlin dieser markante Zeitpunkt vom Unionsstreit überschattet wird. Nils Schmid, der schon immer ein Befürworter der „GroKo“ war, zieht nichtsdestotrotz eine erste Bilanz. „Wir brauchen eine starke Regierung, und in den ersten 100 Tagen haben wir schon einiges angepackt“, sagt er. So habe die SPD Akzente in der Europapolitik gesetzt. Die osteuropäischen Länder bräuchten eine Perspektive auf dem Kontinent und dürften bei der Sicherung der Außengrenzen nicht allein gelassen werden. Er fordert Solidarität in ganz Europa. „Das kann auch eine flexible Quote bedeuten. Wir müssen ein Stück weit die Haltung Osteuropas akzeptieren“, so der Abgeordnete.

Erste Gesetze sind verabschiedet. So ist etwa der Familiennachzug geregelt. „Das war ein schwieriger Kompromiss, aber wichtig“, sagt Nils Schmid. Die Absenkung der Krankenversicherung wertet er auch als einen Erfolg, Arbeitgeber und -nehmer teilen sich paritätisch den Beitrag. Wichtiges Thema für die SPD ist auch die Brückenteilzeit. Unter den Nachwehen des schlechten Wahlergebnisses habe seine Partei gelitten, doch nun gelte es, mit guter und geduldiger Arbeit den Menschen zu zeigen, dass man der SPD das Land anvertrauen kann.

Themen wie Schule und Bildung, Wohnen und Verkehr interessiert die Menschen in seinem Wahlkreis. Die will er in den kommenden Wochen auch außerhalb der Wahlkampfzeiten an der Haustür besuchen. „Da erfährt man einiges - etwa, dass die Menschen Europa und seine demokratischen und freiheitlichen Grundsätze bewahren wollen“, sagt er. Viele seien auch erschrocken über Trump und was seine Art zu regieren für Deutschland bedeutet. Nils Schmid registriert eine große Verunsicherung und kein Verständnis für Trump: „Die Politik muss Orientierung in die Gesellschaft reinbringen, weil einige Koordinaten ins Rutschen geraten sind. Es besteht ein großes Bedürfnis nach Geborgenheit, nach innerer und sozialer Sicherheit.“ Damit zu tun hätten neben den Flüchtlingen und den USA auch die Situation auf dem Arbeitsmarkt, wo Umsatteln im Beruf immer mehr zur Regel wird, der oft schwierige Zugang zu bezahlbarem Wohnraum, aber auch die künstliche Intelligenz.

Nils Schmid sieht Chancen für die Verbesserung im Schienenverkehr. „Die große Wendlinger Kurve kommt. Dadurch können wir die Filder und somit den Flughafen und die Messe anbinden“, sagt er. Nils Schmid appelliert an das Land, die planerischen Voraussetzungen schnell zu schaffen. Nur mit einem verbesserten Schienenverkehr sei eine Entlastung der Straßen möglich. „Doch das erfordert einen langen Atem bei Planung und Finanzierung“, ist sich das stellvertretende Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur bewusst.

Die Dieseldebatte lässt ihn nicht kalt. „Dass dieser zentrale Industriezweig in Verruf geraten ist und dermaßen an Reputation verliert, ist besorgniserregend. Die Autobranche ist die wichtigste Säule im Land, die ganze Region Stuttgart mit seinen Zulieferern hängt daran“, sagt er. Nur Fahrverbote bringen seiner Ansicht nach nichts, ebenso wenig, den Diesel als Umweltsünder Nummer eins abzustempeln. „Die Automobilindustrie muss von ihrem hohen Ross runter mit allen unangenehmen Begleiterscheinungen - und zeigen, dass sie die Zeichen der Zeit verstanden hat und dementsprechend handeln und liefern“, so Nils Schmid.

 

Der bundespolitische Neuling ist jetzt in Berlin angekommen, nachdem er monatelang mit Umzugskartons im provisorischen Büro und im Hotelzimmer gelebt hat. Ende Mai hat er sein Büro bezogen und alle Kisten ausgepackt, auch eigene vier Wände gibt es jetzt für ihn in der Hauptstadt. Nils Schmid ist außenpolitischer Sprecher seiner Partei und hat schon einige Reisen hinter sich, beispielsweise in die Ukraine, nach Russland, Warschau oder Teheran. Im Herbst geht es nach China.