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Exoten fühlen sich im Ländle wohl

Natur Ob Waschbär, Nil- oder Kanadagans – viele tierische Einwanderer haben auch rund um Kirchheim eine neue Heimat gefunden. Das bleibt nicht immer ohne Konflikte. Von Katharina Daiss

Wer Deutschlands Wälder und Wiesen genau betrachtet, dem fällt auf: Schon lange tummeln sich nicht mehr nur Fuchs, Reh und Wildschwein im eigenen Land. In Norddeutschland breitet sich der australische Laufvogel Nandu aus, und selbst chinesische Muntjaks, kleine Zwerghirsche, wurden hierzulande schon gesichtet.

Dass sich Zugewanderte auch im Kirchheimer Raum wohlfühlen, weiß Daniel Ulmer: „In der Region ist das Vorkommen von Waschbären, Nilgänsen und Kanadagänsen bekannt“, berichtet der Wildtierbeauftragte, der sich vor allem mit den Vögeln und Säugetieren beschäftigt, die in Baden-Württemberg im Jagd- und Wildtiermanagement geregelt sind.

Bereits seit 90 Jahren hier

Er erklärt, dass einzelne Exemplare des nordamerikanischen Waschbären vor etwa 90 Jahren in Hessen ausgesetzt wurden. Von dort aus verbreiteten sie sich dann in ganz Deutschland. „Hinzu kommen noch geflüchtete Tiere aus Pelzfarmen oder aufgegebenen Haltungen“, ergänzt er. Auch die bunt gefärbte Nilgans kam durch Menschenhand vom afrikanischen Nil in die deutschen Gewässer. Ursprünglich in Europa als Ziergeflügel gehalten, verbreitete sie sich in der Wildnis. „Ähnlich ist es bei der Kanadagans, die wie der Waschbär aus Nordamerika stammt“, erklärt Daniel Ulmer und fährt fort: „Die baden-württembergische Population geht auf Gefangenschaftsflüchtlinge und ausgesetzte Parkvögel zurück. Sie kommt im Raum Kirchheim vereinzelt vor, spielt dabei aber keine besondere Rolle.“

Diese „Rolle“, die diese gebietsfremden Arten für das heimische Ökosystem spielen, hängt vor allem von der Anzahl und dem Nahrungsangebot ab. So können durch Neozoen, wie diese Arten in der Fachsprache genannt werden, heimische Tiere verdrängt werden oder unter diesen neuen Arten leiden. Aktuell sind im Raum Kirchheim dem Wildtierbeauftragten allerdings keine übermäßig negativen Auswirkungen durch Waschbär, Nil- und Kanadagans bekannt. Er berichtet jedoch, dass andernorts seit der Anwesenheit von Nilgänsen keine Wildenten, Blässhühner oder Teichhühner mehr zu beobachten sind. Das kann daran liegen, dass die großen afrikanischen Gänse während der Brutzeit keine anderen Entenvögel in ihrem Revier dulden.

Der Waschbär verändert hingegen vor allem die Spielregeln für Beutetiere: Im Gegensatz zum Fuchs, der den Bodenbrütern und Feldhasen gefährlich werden kann, droht durch ihn die Gefahr auch in luftiger Höhe. Die in den Bäumen brütenden Vögel sind vor dem kleinen Kletterkünstler nicht sicher, der mit seinen geschickten Greifhänden ganze Nester leerräumen kann.

Konflikte entstehen oft dort, wo sich Lebensräume überschneiden. Besonders, wenn die Tiere mit Menschen in Konflikt geraten, kann es schnell unangenehm werden. Buchstäblich tierisch genervt sind Menschen, wenn sich ein Waschbär im Haus oder Garten einnistet, denn die maskierten Pelzträger können teure Schäden verursachen oder den Bewohnern lautstark den Schlaf rauben. Exotische Vögel können hingegen an Badegewässern problematisch werden, wenn Liegewiesen verkotet werden oder die Wasserqualität durch die Neuankömmlinge sinkt. Im Einzelfall verhalten sich beispielsweise die Nilgänse auch aggressiv gegenüber den Menschen, wenn sie ihren Brutplätzen zu nahe kommen.

Daniel Ulmer weiß, welche Maßnahmen im Konfliktfall ergriffen werden können: „Waschbär, Nilgans und Kanadagans unterliegen dem Jagd- und Wildtiermanagementgesetz. Das heißt, dass diese Arten während der Jagdzeit bejagt werden dürfen. Es stehen aber auch abwehrende und vorbeugende Maßnahmen zur Vertreibung zur Verfügung, die auch in Betracht gezogen werden sollten“, erklärt er.

Doch nicht alle Konflikte können durch Bejagung und Vertreibung geregelt werden. Die neuen Wald- und Wiesenbewohner sind, wie die heimischen Tiere, während der Aufzuchtphase ihres Nachwuchses nämlich ebenfalls geschützt. Wenn Bejagung und Vertreibung durch störende Maßnahmen nicht das Mittel der Wahl sind, sollte geprüft werden, ob nicht auch einfachere Schritte ausreichen könnten. So kann es schon genügen, unnötige Futterangebote zu beseitigen.