Weilheim · Lenningen · Umland
Fahrradwerkstatt in Weilheim sucht neue Räume

Umzug Ende dieses Jahres muss die Weilheimer Fahrradwerkstatt aus der Scheune in der Lindachstraße ausziehen. Noch hat das Team keine geeignete Alternative gefunden. Von Bianca Lütz-Holoch

Vor dem geöffneten Scheunentor in der Lindachstraße hat sich eine kleine Schlange gebildet – wie immer an Montagabenden. Da ist zum Beispiel der ältere Herr aus Weilheim, der einen neuen Sattel montiert haben möchte, der syrische Vater, der ein passendes Rad für seine Tochter sucht, und der junge Guineer, der einen Platten hat und den ganzen Weg von seiner Wohnung in Ohmden bis nach Weilheim geschoben hat. Wer hierherkommt, braucht ein Fahrrad oder Hilfe bei der Reparatur. Oder ganz einfach ein bisschen Ansprache. All das bietet die Fahrradwerkstatt in Weilheim seit mittlerweile sieben Jahren. Wie und vor allem wo es für sie weitergeht, ist allerdings offen: Ende dieses Jahres muss die Fahrradwerkstatt aus dem alten Gebäude in der Lindachstraße 7 ausziehen. Es wird – ebenso wie weitere Häuser – im Frühjahr abgerissen, um Platz für den Bau der neuen Schulturnhalle zu schaffen. Das Problem: Noch hat die Fahrradwerkstatt keine geeignete neue Bleibe gefunden.

 

Der Nachschub scheint unerschöpflich zu sein.
Ralf Stüber
über die hohe Bereitschaft der Menschen, Fahrräder zu spenden

 

„Wir suchen dringend neue Räume“, sagt Ralf Stüber, der schon von Beginn an in der Fahrradwerkstatt mitarbeitet. Das Werkstatt-Team ist nicht besonders anspruchsvoll. „Wir nehmen gerne wieder mit einer alten Scheune oder einem Stall vorlieb“, so Stüber. Einige Bedingungen allerdings muss das neue Domizil erfüllen: „Es sollte mindestens 50 bis 60 Quadratmeter groß sein“, so Stüber. Denn nicht nur Werkzeuge, Werkbänke und Ersatzteile brauchen Platz, es müssen auch jede Menge Fahrräder gelagert werden. Ebenfalls wichtig: Vor der Tür sollte nicht zu viel Verkehr herrschen, damit sich die Besucher gefahrlos dort aufhalten und die Räder Probe fahren können. 

Offiziell vorgesehen ist, dass die Fahrradwerkstatt in die Garage unter der Kleiderkammer in die Hofstraße zieht. Damit wären dort zwei Angebote, die aus dem AK Asyl heraus entstanden sind, unter einem Dach vereint. Was zunächst gut klingt, hat aber gleich mehrere Haken, wie Ralf Stüber erläutert: Zum einen gibt es dort noch weniger Platz als in der ohnehin schon engen Lindachstraße, zum anderen wird die Garage samstags von der Kleiderkammer für die Warenannahme benötigt. Nicht zuletzt hält das Team die enge, viel befahrene Hofstraße für ungeeignet als Standort.

Hoffnung liegt auf privaten Vermietern

Geliebäugelt hatten die Ehrenamtlichen zuletzt mit den ehemaligen Jugendtreff-Räumen in der Limburghalle. „Das geht aber offenbar aus Brandschutzgründen nicht“, hat Ralf Stüber erfahren. Auch andere Optionen in städtischen Gebäuden haben sich zerschlagen. Jetzt hoffen die Ehrenamtlichen, sich irgendwo privat einmieten zu können. „Ich habe Sorge, dass die Mitarbeiter sonst wegen der unbefriedigenden räumlichen Bedingungen die Lust verlieren“, so Stüber. „Das wäre dann das Ende der Fahrradwerkstatt.“

Dabei ist der Bedarf an Rädern und Fahrrad-Reparaturen ungebrochen, die Bereitschaft zu helfen ebenfalls. Aktuell arbeiten sieben Einheimische zwischen 50 und 80 Jahren in der Werkstatt mit, außerdem ein Togolese, ein Syrer und neuerdings auch zwei Ukrainer. „Wir erleben ja gerade die zweite große Flüchtlingswelle seit unserem Bestehen“, sagt Christian Herrmann, ebenfalls ehrenamtlicher Mitarbeiter. „2015 waren vor allem Herrenräder gefragt, jetzt sind es Damenräder, Kinderfahrräder und Kindersitze“, spielt er darauf an, dass aufgrund des Ukraine-Kriegs zurzeit besonders viele Frauen und Kinder ins Land kommen.

1000 Räder durchgeschleust 

Aber nicht nur die Nachfrage ist hoch, auch an Fahrrad-Nachschub mangelt es nicht. „Er scheint unerschöpflich zu sein“, sagt Ralf Stüber. An diesem Abend werden zwei ausgemusterte Räder vorbeigebracht: ein Mountainbike und ein ​​lila Damenrad. Beide sind noch prima im Schuss und benötigen nur eine kleine Wartung. Das lila Fahrrad bekommt die Nummer 764 verpasst. Tatsächlich sind es aber noch viel mehr Räder, die in den vergangenen sieben Jahren durch die Hände des Teams gegangen sind. Ralf Stüber schätzt die Zahl auf etwa 1000. „Kinderräder registrieren wir gar nicht“, sagt er, ebenso wenig Räder, die ausgeschlachtet werden. Angenommen und angeboten werden übrigens auch Roller, Einräder, Dreiräder und Co.

E-Bikes und schicke Sporträder? Die gibt es in der Fahrradwerkstatt nicht. „Wir bieten Alltagsräder an“, sagt Ralf Stüber. Zum großen Teil sind es Menschen mit Flucht- und Migrationshintergrund, die das Angebot nutzen, aber auch Weilheimern und Besuchern aus der Umgebung steht das Team mit Rat und Tat zur Seite. „Bei uns bekommt jeder, der Bedarf hat, ein Fahrrad“, fasst es Ralf Stüber zusammen. Ganz einfache Exemplare gibt es schon für zehn Euro, die hochwertigeren kosten bis zu 50 Euro – Geld, mit dem die Ehrenamtlichen ihre Ausgaben für Ersatzteile decken. „Unsere Arbeitszeit dagegen bieten wir kostenlos an.“

Gegründet worden ist die Fahrradwerkstatt 2015 unter dem Dach des AK Asyl. Ziel war es damals gewesen, die rund 100 Geflüchteten aus dem Camp in der Egelsbergstraße mit Fahrrädern zu versorgen. Auch andernorts wurden damals Fahrradwerkstätten gegründet. Die Weilheimer Einrichtung ist allerdings die einzige in der näheren Umgebung, die sich über die Jahre gehalten und etabliert hat.

Wer einen geeigneten Raum für die Fahrradwerkstatt anzubieten hat, kann sich per E-Mail an Ralf Stüber wenden unter fahrrad@ak-asyl-weilheim.de