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Fair geht vor - im Großen und Kleinen

Zertifizierung Die Stadt Kirchheim darf sich seit zehn Jahren mit dem Titel „Fairtrade-Town“ schmücken. Sämtliche Akteure ruhen sich nicht auf den Lorbeeren aus, sondern klären weiter engagiert auf. Von Iris Häfner

Der Weltladen in Kirchheim klärt viel über fair gehandelte Ware unter dem Titel „Global denken, lokal handeln“ auf.  Archivfoto:
Der Weltladen in Kirchheim klärt viel über fair gehandelte Ware unter dem Titel „Global denken, lokal handeln“ auf. Archivfoto: Mirko Lehnen

Nein, Fairtrade ist nicht vergessen, auch wenn zurzeit so ziemlich alles von Corona überlagert zu sein scheint. Seit zehn Jahren kann sich Kirchheim mit dem Titel „Fairtrade-Twon“ schmücken und sämtliche Akteure sind gewillt, das Thema weiter in der Teckstadt voranzutreiben. „Mittlerweile gibt es über 650 Kommunen in Deutschland, über 2000 weltweit - und Kirchheim war unter den ersten 30 Städten in Deutschland“, beleuchtet Robert Berndt, Pressesprecher der Stadt Kirchheim, die Position der Teckstadt.

Lange davor haben sich viele Menschen in Kirchheim für einen fairen Umgang mit Mensch und Natur weltweit eingesetzt. Dieses Netz aus Akteuren aus Politik, Wirtschaft und engagierten Gruppen entstand rund zehn Jahre zuvor. Daraus hervorgegangen sind der Eine-Welt-Verein und Lokale-Agenda-Gruppen. „2003 konnten wir den Weltladen eröffnen“, erinnert sich Songard Dohrn, Vorsitzende und Sprecherin der „Steuerungsgruppe Fairtrade-Town“ in Kirchheim. „Wir haben spät angefangen und sind dann gut und schnell vorwärts gekommen“, fasst sie diese Zeit zusammen.

Ein wichtiger Baustein war und ist, über die Thematik möglichst viele Menschen aufzuklären. Schulklassen, Vereine, Kirchengemeinden sind jederzeit willkommen, um sich über die Arbeitsbedingungen und Produktion unterschiedlicher Waren ein Bild zu machen. „Wir wollen unser Anliegen hinaustragen in die Breite“, sagt Songard Dohrn. Dem pflichtet Ingrid Lang bei, Inhaberin des Ila Ila Fair Concept Stores in Kirchheim. Der Brand in einer Textilfabrik Ende 2012 in Bangladesh, bei dem mehr als 100 Näherinnen ums Leben kamen, ist der jungen Frau nachhaltig in Erinnerung. „Das hat eine Revolution in der Modebranche ausgelöst“, sagt sie. Bis dahin sei das Stichwort „Jutesack“ Synonym für fair produzierte Kleidung gewesen, seit der Brandkatastrophe habe sich jedoch einiges getan. Die sozialen Medien taten ihr Übriges. „Influencer klären über Missstände auf und holen sich Leute ins Boot, um was verändern zu können“, sagt Ingrid Lang.

Fairtrade Schokolade, Weiltladen, Bio-Schokolade mit Kirchheim Motiv
Fairtrade Schokolade, Weiltladen, Bio-Schokolade mit Kirchheim Motiv. Foto: Markus Brändli

„Die Bildungsarbeit des Weltladens ist einmalig“, sagt sich Iris Sommer, im Referat für Nachhaltige Stadtentwicklung, Wirtschaftsförderung, Bürgerbeteiligung und Allgemeine Koordination (REF). Viele junge Menschen wurden dort für das Thema Fairtrade sensibilisiert, die Mitarbeiter sind Ansprechpartner für andere Läden. „Wir haben im Weltladen ganz klein mit vielen Ideen und Herzblut angefangen“, sagt Iris Beuter-Rusko vom Eine-Welt-Verein. Im Kirchheimer Laden gibt es nur zertifizierte Produkte, was jedoch insbesondere für kleine Läden ein Problem ist. Viele regionale Waren können deshalb nicht in der Auslage landen - das teure Verfahren lohnt sich mangels Masse schlicht nicht für die „kleinen“ Produzenten. Fair gehandelte Waren sind schließlich nicht nur Kaffee, Tee und Schokolade, sondern auch Gold, Grabsteine und vieles mehr. Die Produzenten vor Ort zählen ebenfalls dazu, egal, ob aus der Textilbranche oder Landwirtschaft.

„Das Projekt Fairtrade-Town wird in Kirchheim von breiten Schultern und großem Engagement vieler Einzelner getragen“, sagt sich Robert Berndt. Von den Mitgliedern der Steuerungsgruppe der Stadtverwaltung über Kirchheimer Schulen wie die zur Fairtrade-School ausgezeichnete Jakob-Friedrich-Schöllkopf-Schule, Raunerschule und Pädagogisches Fachseminar bis hin zu verschiedenen Cafés und Einzelhandelsgeschäften treten mittlerweile viele alte und neue Akteure für das Thema Fairtrade ein, bieten fair gehandelte Produkte an oder betreiben Bildungsarbeit zum Thema. Alle zwei Jahre wird kontrolliert, ob die Kriterien auch tatsächlich eingehalten werden. Mit dem Zertifikat würdigt der gemeinnützige Verein „TransFair“ das Engagement von Bürgerschaft, Handel, Gastronomie sowie Politik und Verwaltung, den fairen Handel in Kirchheim voranzubringen.

Nachhaltigkeitstage mit vielseitigem Programm auch zur Energiewende

Die Nachhaltigkeitstage vom 18. bis 21. September machen das vielseitige, ehrenamtliche Engagement der Kirchheimer Initiativen sichtbar. Bei den zeitgleich stattfindenden Energiewendetagen dreht sich alles rund um dieses im Umbruch befindende Thema - und dem Klimaschutz.

„BW saniert: Steigen Sie richtig ein“ - die Ausstellung findet vom 18. bis 21. September im ersten Stock im Rathaus während der Öffnungszeiten statt. Anhand gelungener Sanierungsbeispiele wird gezeigt, dass sich die energetische Sanierung lohnt - nicht nur finanziell, sondern mit gesteigertem Wohnkomfort und für das Klima.

„Mehr Geld für die energetische Sanierung“ lautet der Titel des Vortrags am Freitag, 18. September, in der Schlosskapelle in Kirchheim um 19 Uhr, eine Anmeldung ist erforderlich. Verbesserte Fördermöglichkeiten, steuerliche Begünstigungen und steigende Energiekosten für fossile Energie durch die CO2-Bepreisung ab 2021 sind wichtige Aspekte bei der Rentabilität von energetischen Sanierungsmaßnahmen. In Kooperation mit dem Pädagogischen Fachseminar (PFS) erläutert der Energieberater und Architekt Tadeusz Bialon, was für Optionen es gibt.

Eine Stadtradtour der Initiative „FahrRad“ startet am Freitag, 18. September, um 16 Uhr an der Stadtbücherei. Die Kirchheimer Initiative lädt zu einer kleinen Tour durch Kirchheim ein, bei der verschiedene Brennpunkte des Radverkehrs aufgesucht werden.

Der „N!-Markt der Möglichkeiten“ findet statt am Samstag, 19. September, im Marstallgarten von 10.30 bis 15.30 Uhr. Dort informieren die lokalen Agenda-Gruppen nicht nur über ihre Projekte, sondern präsentieren sich auch mit Aktionen und Projekten wie dem Verkauf von Nähunikaten, der Verteilung überschüssiger Lebensmittel, kostenlosen Rikscha-Fahrten für Senioren, dem Verkauf ausgewählter Second-Hand-Ware, ein Quiz rund um den fairen Handel und dem Ausschank von Fairem Kaffee.

Das Projekt „AgendaMobil“ ist am Samstag, 19. September, ab 11.30 Uhr im Marstallgarten zu finden. Es ist eine Straßentheateraktion von Jugendlichen, die auf Aspekte des nicht nachhaltigen, alltäglichen Konsumverhaltens aufmerksam machen.

Die Rad-Schnitzeljagd am Samstag, 19. September, ist eine Kooperation von der Initiative „FahrRad“ und der die Stadt Kirchheim. Die Tour führt durch das Stadtgebiet, weitere Infos gibt es zeitnah im Internet unter www.stadtradeln.de/kirchheim-unter-teck.

Die „RadHäuserTour“ am Sonntag, 20. September, steht unter dem Motto „Energetische Sanierung“. Treffpunkt ist um 14 Uhr am Ziegelwasen, eine Anmeldung ist erforderlich. Mit dem Fahrrad geht es zu fünf verschiedenen Häusern, die sich beispielhaft hinsichtlich des Energieniveaus, des Heizsystems, der Energieform, dem Alter der Häuser sowie dem Ziel und der Motivation der Bauherren unterscheiden. pm