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„Fax-Gesellschaft muss in die digitale Gegenwart kommen“

Sommergespräch Die FDP-Bundestagsabgeordnete Renata Alt hat Lust aufs Mitregieren.

Kirchheim. Die Lockdowns hatten auch die Bundespolitiker fest im Griff. Wie alle anderen freuen sie sich auf die schrittweise Rückkehr zur einstigen Normalität. Dies wird beim Sommergespräch mit der FDP-Abgeordneten Renata Alt deutlich. „Ich habe Tausende E-Mails im Lockdown bekommen. Viele Frauen wollten ihre Meinung zum Tragen von Masken in Kindergarten und Schule loswerden. Die vielen Einschränkungen waren eine Herausforderung für uns alle - aber vor allem für die Frauen. Die Mütter waren die Leidtragenden. Sie haben schier Unmenschliches geleistet mit Homeoffice, Homeschooling und Kinderbetreuung“, sagt die Politikerin.

So langsam kehrt bei Renata Alt eine gewisse Normalität zurück. Die Chemieingenieurin ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses, Berichterstatterin für Mittel- und Osteuropa und den Balkan sowie Obfrau im Unterausschuss Zivile Krisenprävention. Sie deckt damit viele Themen ab, die derzeit hochaktuell sind. „Gefühlt habe ich in der letzten Zeit jeden zweiten Tag mit der Deutschen Welle telefoniert“, erzählt sie. Renata Alt ist die FDP-Stimme für Belarus und die Ukraine. Als sich Joe Biden und Wladimir Putin am Mittwoch in Genf trafen, war sie eine gefragte Gesprächspartnerin. „Biden hat den Ernst der Lage im Gegensatz zur EU erkannt und die Ukraine auf seiner Liste ganz oben angesetzt. Die Annexion der Krim können wir nicht akzeptieren. Das hat Europa nicht richtig auf dem Schirm gehabt“, kritisiert Renata Alt.

Sie setzt sich dafür ein, dass den Oppositionellen in Belarus und der Ukraine Asyl angeboten wird. In beiden Ländern gebe es viele Start-up-Unternehmen, die in der IT-Branche in der oberen Liga mitspielen. „Um ihrer Festnahme zu entgehen, sind viele junge Menschen mit ihrem Unternehmen nach Polen und ins Baltikum geflohen. Deutschland hätte sie mit offenen Armen empfangen sollen. IT ist die Zukunft, das haben wir im Lockdown gesehen“, sagt die Politikerin und erklärt weiter: „Wir sind bei der Künstlichen Intelligenz mitten in der Revolution. Wie mit den Dampfmaschinen stehen wir jetzt an der Schwelle.“ Deutschland müsse dringend modernisiert werden, das Land hinke hinterher. Die Pandemie habe vieles vor Augen geführt, was in Deutschland schief läuft. „Wir müssen von der Fax-Gesellschaft in die digitale Gegenwart kommen.“

Im gleichen Kontext sieht sie die Impfstoffentwicklung. „Die USA haben clever agiert und sich rechtzeitig die notwendigen Mittel dafür vertraglich gesichert. Man sieht: Biotechnologie und Außenpolitik gehören zusammen. Das ist eine Herausforderung.“ Die Pandemie zeige, wie wichtig die Zusammenarbeit in der Wissenschaft ist. „Das Wagniskapital fehlt in Deutschland. In Amerika wird viel Geld in hoffnungsvolle Firmen gesteckt. Curevac in Tübingen braucht weiterhin Millionen, wenn die Forschung gut sein soll. Das dauert einfach seine Zeit“, sieht Renata Alt das Unternehmen noch lange nicht abgeschrieben. Ganz nebenbei hätten die Forscher bei der Impfstoffentwicklung Möglichkeiten gefunden, um gewisse Krebsarten heilen zu können.

Die Pandemie verändert ihrer Ansicht nach in nächster Zeit die Marktlage. Erste Anzeichen seien in sämtlichen Fußgängerzonen zu sehen: geschlossene Läden und verschwundene Dienstleister. „Die großen Hotelketten sitzen auf vollen Kassen. Sie warten nur darauf, dass sie die familiengeführten Hotels kaufen können. Diese Sommersaison wird entscheiden, wie sich die Branche verändern wird, ob es eine Konzentration auf Wenige gibt“, sagt Renata Alt.

Auf die Bundestagswahl im September blickt sie optimistisch. Das gute Abschneiden der FDP in Baden-Württemberg habe für Rückenwind gesorgt. Zudem habe die FDP aus ihren Fehlern gelernt. „Wir haben Lust mitzuregieren und wollen unseren Fußabdruck sichtbar machen“, so Renata Alt. Dazu zählen Wirtschaft, Finanzen und Umwelt. „Die Klimapolitik muss Priorität haben“, stellt sie klar. Dazu gibt es die klare Aussage, nicht mit AfD und den Linken zu koalieren. Iris Häfner