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Frech sagt Disney ade

Kirchheimer Kinobetriebe können nach Preiserhöhung des Filmverleihs nicht mehr mitspielen

Disney erhöht die Preise und lässt kleine Kinos zittern. Tyroler und Central Kino in Kirchheim nehmen die Produktionen des Filmriesen nun erst mal aus dem Programm.

In den Kirchheimer Kinos laufen gerade anspruchsvolle Filme gut. Trotzdem ist für sie die Preiserhöhung von Disney ein Schlag in
In den Kirchheimer Kinos laufen gerade anspruchsvolle Filme gut. Trotzdem ist für sie die Preiserhöhung von Disney ein Schlag ins Gesicht. Foto: Genio Silviani

Kirchheim. „Man weiß vorher nie, wie gut ein Film läuft“, sagt Ulrike Frech. „Es kann sein, dass er hoch gelobt wird und dann gar nicht bei den Zuschauern ankommt, oder andersrum.“ Für „Avengers – Age of Ultron“ und „Tinkerbell und die Legende vom Nimmerbiest“ wurde ihr die Entscheidung, ob sie die Filme dem Kirchheimer Publikum in Tyroler und Central Kino präsentieren will, von höherer Macht erleichtert. „Wir hatten uns ernsthaft überlegt, die Filme zu spielen, aber das ist jetzt einfach zu teuer.“

Nachdem Disney die Leihgebühren erheblich erhöht hat und einige kleine Kinos in der Republik bereits einen Boykott der „Avengers“ ausriefen, haben sich nun auch die Kinobetriebe Frech dazu entschieden, den Filmverleih bei ihrer Planung erst mal außen vor zu lassen. Statt wie bisher 47,7 Prozent des Kartenpreises verlangt Disney nun 53. Damit wurden die Preise für Kinos in kleineren Städten an die der Großstadtkinos angepasst.

Für einige kleine Filmtheater ist das nicht nur ärgerlich, sondern ein Schlag ins Gesicht. Viele Kinobetreiber haben in den letzten Jahren eher gehofft, dass die Preise gesenkt werden, erzählt Ulrike Frech: Die alten 53-Millimeter-Kopien wurden durch Festplatten ersetzt und werden inzwischen von den Verleihen kaum mehr ausgegeben. Stattdessen mussten die Kinos aufrüsten, um digitalisierte Filme abspielen zu können – ein teures Vergnügen für die Betreiber. „Die Verleihe müssen dadurch eigentlich deutlich weniger Kosten haben“, erklärt Ulrike Frech. Eine Preiserhöhung findet sie deswegen zu diesem Zeitpunkt völlig unverständlich.

Seit 1955 führt die Familie ihres Mannes die Kinobetriebe Frech in Kirchheim. Seitdem sie das Kino mit ihrem Mann und ihrem Schwager übernommen hat, stellt die filmbegeisterte Kirchheimerin, die eigentlich Apothekerin ist, das Programm der beiden Filmtheater zusammen. Von der Walt Disney Company seien besonders die Kinderfilme sehr beliebt. Das Augenmerk in der Teckstadt liegt allerdings woanders: „Das Kirchheimer Publikum mag anspruchsvolle Filme“, erzählt Ulrike Frech. Für ihr hervorragendes Filmprogramm werden die Kinos seit 2004 regelmäßig von der Filmförderung Baden-Württemberg ausgezeichnet.

Ob ein Boykott des Konzerns im Kampf gegen die Preiserhöhung wirklich etwas bewirkt, weiß sie nicht. „Aber Disney wird das schon wahrnehmen.“ Sie findet es gut, dass sich dem Protest so viele Betriebe anschließen. Und was am Ende daraus wird? „Abwarten.“ Ihre größte Sorge ist, dass andere Filmverleihe nachziehen könnten.

Lieber eins als keins

Kleinstadtkinos sind vom Aussterben bedroht und doch entscheiden sich ihre Besitzer kurzerhand, heiß ersehnte Publikumsmagneten aus dem Programm zu streichen. Während die „Avengers“ in den USA am Startwochenende schon 188 Millionen Dollar in die Kassen spülten, rollt in den Protestkinos kein einziger Cent. Ob das am Ende nicht eher sie selbst statt Disney trifft, ist fraglich. Purer Leichtsinn? Eher blanke Not. 3D-Wahnsinn in den Kinopalästen und der Hang der Jugend zur Großstadt machen es den kleinen Filmtheatern wie in Kirchheim schwer. Der Boykott ist nicht nur sturer Protest, sondern auch ein Zeichen, dass es anders nicht mehr geht.

Dass eine kränkelnde Kinolandschaft dadurch nicht gerade an Charme gewinnt, ist kein Geheimnis. Ebenso wenig gewinnt das Stadtleben in Kirchheim, wenn die meisten Leute schnell in die S-Bahn steigen und nach Esslingen oder Stuttgart ins Kino düsen, weil sie den neusten Blockbuster sehen wollen. Trotzdem darf man eines nicht vergessen: Würden die Kinos die Preiserhöhung von Disney einfach so hinnehmen, könnten andere Filmverleihe sorglos nachziehen. Und dann wäre es wirklich bald zappenduster in den Kassen der Kleinstadtkinos. Und jetzt mal ehrlich: Wir haben doch alle lieber ein Kino ohne Disney, als gar kein Kino mehr. MONA BEYER