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Freispruch im „stinkenden“ Verfahren

Havarierte Biogasanlage: Bauunternehmer entgeht in erster Instanz einer drohenden Strafe

Vier Jahre ist es her, dass aus einer Biogasanlage bei Schopfloch gut 1,5 Millionen Liter Gülle ausgelaufen sind. Frühzeitig war klar, dass der Grund für das Unglück in einem Konstruktionsfehler zu suchen war. Gestern nun musste sich der zuständige Bauunternehmer im Kirchheimer Amtsgericht verantworten. Die Verhandlung endete mit einem Freispruch.

Im Oktober 2011 waren aus dieser Biogasanlage bei Schopfloch 1,5 Millionen Liter Gülle ausgelaufen. Im rechten Behälter klafft e
Im Oktober 2011 waren aus dieser Biogasanlage bei Schopfloch 1,5 Millionen Liter Gülle ausgelaufen. Im rechten Behälter klafft ein entsprechend großes Loch.Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Kirchheim/Lenningen. „In diesem Verfahren stinkt es ganz gewaltig“, sagte Amtsrichterin Franziska Hermle-Buchele gestern nach fünfstündiger Verhandlung in ihrer Urteilsbegründung, und diese Aussage sei „nicht nur auf die Havarie bezogen“.Trotz des Freispruchs vom Vorwurf der Gewässerverunreinigung las sie dem Bauunternehmer noch einmal gehörig die Leviten – und nicht nur ihm: „Wenn alle ihren Job richtig gemacht hätten, dann wäre diese Riesensauerei nicht passiert.“ Dem 61-jährigen Bauunternehmer selbst warf sie einen „lockeren Umgang mit den Formalien“ vor – eine Einstellung, die sie als „ziemlich befremdlich“ empfinde.

Allerdings gehe es nun im Strafverfahren nicht darum, dass der Bau zu dem Zeitpunkt, als der „Rote Punkt“ eintraf, schon fertiggestellt war und schon einen Tag später zur Dichtigkeitsprüfung mit Wasser gefüllt wurde. Im Strafprozess gehe es ganz allein um die Frage: „Hat diese lockere Einstellung zu den Formalien zu dieser Havarie geführt oder nicht?“ Am Ende kam Franziska Hermle-Buchele zu dem Schluss: „Ich bin der Meinung, dass dem nicht so ist.“

Ein Sachverständiger hatte vor Gericht ausgesagt, dass Planung und Ausführung der Biogasanlage mangelhaft waren. „Der Behälter hätte in dieser Form nie gebaut werden dürfen“, fasste die Richterin zusammen. Daran ändre auch die Tatsache nichts, dass der Bauunternehmer aus dem Alb-Donau-Kreis schon diverse ähnliche Anlagen nach den Plänen desselben Statikers aus Niederbayern errichtet habe.

Dieser Statiker stand beim Verfahren im Mittelpunkt des Interesses. Der Angeklagte berief sich nämlich darauf, dass er nach dessen Plänen die Anlage in Fertigteil-Bauweise errichtet habe. Der Statiker dagegen habe den Behörden eine Ortbeton-Konstruktion zur Genehmigung vorgelegt. Allerdings ließ sich nicht mehr aufklären, wer wann genau was wo eingereicht hatte.

Offensichtlich hat der Statiker seine Fertigteil-Konstruktion von einem unabhängigen Ingenieur prüfen lassen. Der jedoch verweigerte den positiven Prüfbericht und forderte eine konventionelle Bauweise – mit Ortbeton statt mit Fertigteilen. Der Statiker reichte die geforderte Konstruktion nach, erhielt den gewünschten Prüfbericht und leitete diesen Bericht an den Bauunternehmer weiter.

Der Bauunternehmer beruft sich allerdings darauf, dass er einem Prüfbericht in der vorliegenden Form nicht ansieht, auf welche Bauweise er sich bezieht. Er habe vom Statiker weiterhin Pläne für die Fertigteil-Konstruktion erhalten, mit dem Vermerk: „zur internen Verwendung“. Dass er mit Ortbeton hätte bauen sollen, habe er nie erfahren. Der Statiker wiederum sagt aus, er habe dem Unternehmer die notwendige Umplanung telefonisch mitgeteilt.

Beide – Statiker wie Bauunternehmer – verweisen auf den branchenüblichen Zeitdruck beim Bau von Biogasanlagen. Dabei gehe es um Fristen für eine bestimmte Einspeisevergütung, die zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr in derselben Höhe zu erhalten ist. Dieser Zeitdruck war es möglicherweise, der zum verfrühten Baubeginn geführt hat. Am Ende der Beweisaufnahme gibt der Angeklagte immerhin zu, dass es wohl ein Fehler war, ohne „Roten Punkt“ zu bauen. Das sei aber auch sein einziger Fehler gewesen.

Die Rohbauabnahme hätte der Bauherr beantragen müssen, aber die Behörden würden deshalb ohnehin niemanden vorbeischicken, sagt er. Und selbst wenn er auf die Baufreigabe gewartet hätte, hätte er nach derselben fehlerhaften Konstruktion gebaut, auf die er vertraute, weil er vom Statiker keine anderen Pläne erhalten habe. Zur Havarie sei es aber nicht wegen mangelhafter Bauausführung gekommen, sondern wegen der Mängel in der Konstruktion.

Letzteres sah die Richterin aufgrund der Gutachteraussagen nicht anders, weswegen sie den Bauunternehmer schließlich freigesprochen hat. Den Schaden trage vor allem die Natur, die mit der Verunreinigung des Grundwassers zurechtkommen musste. Der Bauunternehmer jedenfalls hat keine strafrechtlichen Folgen zu tragen – es sei denn, die Staatsanwaltschaft, die eine Geldstrafe in Höhe von 15 000 Euro beantragt hatte, geht in die nächste Instanz.

Zivilrechtlich ist der Bauunternehmer übrigens nicht mit einem Freispruch davongekommen. Den Schaden, der ihm persönlich durch die Schopflocher Biogasanlage entstanden ist, bezifferte er auf 1,5 Millionen Euro. So hoch seien die Schulden, die er jetzt aus diesem Fall habe.