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Freude über ein Relikt des kalten Krieges

Das zentrale Katastrophenschutzlager ist durch die Flüchtlingskrise gefragt wie seit Langem nicht mehr

Das zentrale Katastrophenschutzlager des DRK-Landesverbands Baden-Württemberg befindet sich in Kirchheim auf dem Hohenreisach. Wegen der Flüchtlinge wird es derzeit genutzt wie seit 20 Jahren nicht mehr. Doch es wird auch für andere Zwecke gebraucht – ­etwa für die Evakuierung eines ­Pflegeheims.

Björn Vetter mit einem Schlafsack; hinter ihm in den Kartons lagern noch mehr als 10¿000 weitere.Foto: Peter Dietrich

Björn Vetter mit einem Schlafsack; hinter ihm in den Kartons lagern noch mehr als 10000 weitere.                           Foto: Peter Dietrich

Kirchheim. Am Bodensee werden derzeit Blindgänger aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft. In der Nähe befindet sich ein Pflegeheim. Ob dessen Bewohner kurzfristig ausziehen müssen, steht noch nicht fest, doch das Deutsche Rote Kreuz (DRK) hat vorgesorgt: Die mobile Ausrüstung für eine komplette Tagespflege steht vor Ort bereit. Sie wurde aus Kirchheim geliefert.

Beim großen Elbehochwasser im Jahr 2002 hatte das zentrale Katastrophenschutzlager 1 000 Feldbetten geliefert. Sie kamen nie zurück, doch die sächsische Landesregierung hat sie bezahlt. Auch für die 34 DRK-Kreisverbände ist das Lager da, wenn deren eigene Vorräte nicht ausreichen. „Das ist zum Glück noch nie vorgekommen“, sagt Referatsleiter Björn Vetter.

Lange war es ruhig im Lager, bis im Juli 2014 das Regierungspräsidium erstmals Material zur Flüchtlingsunterbringung angefordert hat. „Bei den ersten Hygienesets, die wir rausgaben, stand noch die vierstellige Postleitzahl und ein ‚Made in West Germany‘ auf der Seife“, erinnert sich Vetter. Heute gibt es keine Ladenhüter mehr, sondern es wird der Mangel verwaltet. „Wir kaufen, was wir kriegen können.“ Das zentrale Katastrophenschutzlager hat in jüngster Zeit Einrichtungen von Wertheim im Norden bis Weingarten im Südosten beliefert.

„Das Lager ist ein Relikt des kalten Krieges“, sagt Vetter. Es diente dem DRK-Hilfszug, den es von 1953 bis 2007 gab. Er war damals die einzige überregionale Einheit des deutschen Zivil- und Katastrophenschutzes. Danach kamen die Diskussionen: Soll das Lager erhalten bleiben? „Jetzt ist man froh, dass man es noch hat“, sagt Vetter. Zehn Jahre lang war es vor allem Umschlagplatz für die Osteuropahilfe: Ausgediente Betten, Nachtschränkchen, Rollatoren und medizinische Geräte fanden ihren Weg nach Bulgarien, Mazedonien, in die Ukraine und andere Länder. Lagerverwalter Peter Ulbricht hat vor dem Abtransport schon so manches Pflegebett instand gesetzt. Vor zwei Jahren liefen die Mittel der Baden-Württemberg-Stiftung, mit denen der Transport bezahlt wurde, aus. Das DRK machte auf eigene Kosten weiter, doch nun enden diese Transporte.

Das größte Problem sei derzeit, Lieferanten zu finden, sagt Vetter. „Was nützt es mir, wenn einer in fünf, sechs Monaten liefern kann, wenn ich die Sachen vorgestern brauche?“ Jüngst hat das DRK 20 000 Schlafsäcke auf einmal bestellt; rund 13 000 sind noch da. Wo ist die klassische Wolldecke geblieben? „Schlafsäcke sind viel praktischer, kosten rund 25  Euro. Man braucht kein Kissen, kein Betttuch. Die schweren Wolldecken sind teurer, und die Reinigung kostet fünf bis sieben Euro.“ Stattdessen bekommt ein Flüchtling einen Schlafsack, den er mitnehmen darf. „Das kommt den Steuerzahler günstiger“, sagt Vetter.

Auch die Bundeswehr und das THW holen im Lager Sachen ab. Das Regierungspräsidium hat 5 000 Feldbetten eingelagert. 40 Zelte aus Kirchheim, jedes 30 Quadratmeter groß, stehen noch immer in Hamburg. Vetter ist traurig drüber. „Jede Turnhalle ist besser als eine Zeltnotunterkunft.“ Er bedauert, dass das DRK die Unterkunft in der Messe Sinsheim wieder abbauen musste. „Die Leute haben sich dort wohlgefühlt.“

Manchmal muss es ganz schnell gehen. Schon vier bis sechs Stunden nach Anforderung kann das Katastrophenschutzlager liefern. Dann helfen bei Bedarf Ehrenamtliche beim Verladen. Vetter ist froh über viel „guten Willen“ bei den Arbeitgebern. In einzelnen Fällen ersetze das Land dem Arbeitgeber die Kosten für die Lohnfortzahlung. Einmal wurden am Morgen neu gelieferte Matratzen eingelagert – schon am Abend waren sie zur Messe Stuttgart unterwegs.