Weilheim · Lenningen · Umland

Frostige Kostbarkeiten

Eiswein und Co. werden von Konsumenten häufig unterschätzt

Am Süßwein scheiden sich die Geister. Ob Eiswein oder Beerenauslese – viele Weintrinker winken mit gerümpfter Nase ab. Für sie muss Rebensaft schön trocken sein. Dass es sich bei den verschmähten Weinsorten um kostbare Raritäten handelt, von denen die ein oder andere Flasche bei Versteigerungen sogar atemberaubende Höchstpreise erzielt, ist den meisten nicht bewusst.

Wenn es um Eiswein und Co. geht, sind die Ansichten vieler Weintrinker etwas „verkorkst“. Dabei lassen sich die süßen Vertreter

Wenn es um Eiswein und Co. geht, sind die Ansichten vieler Weintrinker etwas „verkorkst“. Dabei lassen sich die süßen Vertreter des Rebensafts mit vielfältigen Speisen kombinieren und bescheren Genießern dabei mannigfaltige Geschmackserlebnisse. Foto: Daniela Haußmann

Kirchheim. Mitte Februar wechselten sechs Flaschen Scharzhofberger Trockenbeerenauslese, Jahrgang 2005, bei einer Auktion in London für über 23 000 Euro den Besitzer. Die Summe für diesen neun Jahre alten Tropfen lag mehr als 7 284 Euro über dem Schätzpreis. „Die Weine von Egon Müller bilden die Spitze dessen, was Süßwein kosten kann“, erzählt Christiane Leibssle, die aus ihrer Berufspraxis nur zu gut weiß, dass die honiggelben, natursüßen Vertreter des Weinsegments zu oft unterschätzt werden. „Und das völlig zu Unrecht“, wie die Kirchheimer Weinhändlerin und Sommelière findet.

Wer glaubt, dass Auslese, Spätlese, Trockenbeerenauslese und Eiswein ausschließlich zu Desserts passen, täuscht sich. Roquefortkäse zusammen mit Süßwein genossen, ist nicht umsonst der unangefochtene gustatorische Klassiker unter den Kombinationen. „Das ausgeprägt salzige Aroma des Käses harmoniert wunderbar mit der Süße des Weins“, so Leibssle. „Beide Aromen fordern die Geschmacksknospen aufs Feinste heraus und bilden eine ausdrucksstarke Gesamtkomposition.‟ Feinherbe oder halbtrocken ausgebaute Süßweine passen der Fachfrau zufolge hervorragend zur asiatischen Küche. „Die Schärfe der Speisen wird durch die leichte Süße des Weins gemildert. Zusammen bilden beide Aromen ein außergewöhnliches Geschmackserlebnis“, wie die Betreiberin der Weinhandlung Terra Vinum berichtet.

Wenn Winzer pokern, ist der Einsatz hoch: Es geht um alles oder nichts. Mit etwas Glück und der richtigen Witterung wird ihre Risikobereitschaft mit Eiswein belohnt. „Die Trauben bleiben dabei länger als sonst üblich am Rebstock hängen“, erklärt Christiane Leibssle. „Mindestens sieben Grad unter null sind nötig, um die kostbaren Weine zu erzeugen.“ Bis Ende Januar, in seltenen Fällen auch bis Februar, kann sich das Spiel der Weingärtner mit der Natur hinziehen.

Nur etwa fünf bis zehn Prozent der ursprünglichen Erntemenge kommen dem Deutschen Weininstitut zufolge durchschnittlich als Eiswein in die Flasche. Die Ernte, die nicht selten morgens um drei Uhr beginnt, ist aufwendig, erfolgt in Handarbeit und bringt nach Angaben des Instituts oft nur 300 bis 500 Hektoliter pro Hektar ein.

„Durch das Keltern gefrorener Trauben in den frühen Morgenstunden wird das in den Beeren enthaltene Wasser im Eis gebunden und nur der süßeste Saft, der laut Leibssle „bei niedrigeren Temperaturen gefriert als Wasser, als hoch konzentrierter Most gewonnen.“ Der hohe Zuckergehalt mache es den Hefen nicht leicht, den Wein zu vergären. „So kommen der hohe Restzuckergehalt von über 100  Gramm pro Liter und der oftmals relativ geringe Alkoholgehalt von etwa sieben Volumenprozent zustande.“

Das Traubengut von Auslese, Spätlese, Trockenbeerenauslese und Eiswein kann auch einen Botrytis-Befall, also eine Edelfäule, aufweisen. Vollreifes Lesegut und feuchtwarmes Herbstwetter sind die Basis für die Entstehung der süßen, edelfaulen Beeren. „Feinste Süßweine bringen zum Beispiel die Reben von Riesling und Scheurebe hervor“, so Christiane Leibssle. „Die Trauben müssen mindestens 125 Grad Oechsle aufweisen, bevor sie gelesen werden.“ Eine Mindestanforderung, die auch Eiswein in Deutschland erfüllen müsse, bei dem aber auch schon Mostgewichte von über 250 Grad Oechsle gemessen worden seien. Aufgrund ihres hohen Zuckergehaltes seien die süßen Vertreter des Segments über Jahrzehnte hinweg lagerfähig. „Süßweine sollten gekühlt genossen werden“, sagt Christiane Leibssle, die betont, dass sich die fruchtig süßen Aromen der konzentrierten Weinspezialitäten bei einer Trinktemperatur von sechs bis acht Grad am besten entfalten.