Weilheim · Lenningen · Umland

Für manche geht es um die Existenz

Bauarbeiten In Notzingen bleiben die Kirchheimer und die Roßwälder Straße noch bis März gesperrt. Bei den Gewerbetreibenden wachsen angesichts von Umsatzeinbußen Frust und Sorge. Von Katja Eisenhardt

Die Bauleiter Johannes Martin (rechts) und Markus Knauß besprechen den Status quo in der Kirchheimer Straße. Foto: Katja Eisenha
Die Bauleiter Johannes Martin (rechts) und Markus Knauß besprechen den Status quo in der Kirchheimer Straße. Foto: Katja Eisenhardt
Die monatelange Sperrung trifft Läden und Gastronomen besonders hart. Vom Bürgermeister fühlen sich einige Gewerbetreibende nich
Die monatelange Sperrung trifft Läden und Gastronomen besonders hart. Vom Bürgermeister fühlen sich einige Gewerbetreibende nicht gehört. Foto: Carsten Riedl

Erneute Geduldsprobe in Notzingen: Nach aktuellem Stand wird die Sperrung der Kirchheimer Straße erst Ende März aufgehoben. Vorher kann kein Asphalt mehr eingebaut werden. Einzig die Anlieger sollen vorab über eine geschotterte Straße fahren können. Auch in Wellingen dauert es in der Roß­wälder Straße bis Mitte März, bis asphaltiert wird und eine Durchfahrt via innerörtlicher Umleitungen wieder möglich ist. Für die Einzelhändler und Gewerbetreibenden im Ortskern sind das düstere Aussichten.

Annette Frik, Geschäftsführerin der Metzgerei Frik, und Friedrich Goll, Geschäftsführer der Backstube Goll, deren Filialen im selben Gebäude wie der Bonus Markt liegen, sprechen von Umsatzeinbußen von 15 Prozent seit Beginn der Sperrung im Juni. Beiden fehlen die Kunden aus Kirchheim merklich, etwa jene, die vom nahegelegenen Würstlesberg in den Notzinger Ortskern zum Einkaufen kommen. Dazu wird der Durchgangsverkehr mit täglich bis zu 14 000 Autos umgeleitet, auch hier brechen Kunden weg.

Nur noch Notzinger kaufen ein

„Die Kunden nehmen den bequemen Weg beim Einkauf und der führt nun mal nicht ganz außenrum“, weiß Annette Frik. Das gehe im kommenden Jahr dann ja so weiter, wenn Richtung Hochdorf gesperrt wird. „Notzinger kaufen ein, aber das reicht alleine nicht aus.“ Tim Töpfer, Marketing-Chef des Bonus-Markts, macht ebenso deutlich, dass es immer schwieriger werde, durchzuhalten. Schon kurz nach der Eröffnung des Supermarkts kam die Sperrung: „Wir sind dadurch von Beginn an defizitär unterwegs. Das darf nicht mehr lange so weitergehen, sonst können wir uns am Notzinger Standort nicht halten.“

Die lange Umleitung schreckt ab

Besonders hart trifft die monatelange Sperrung Richtung Kirchheim und Roßwälden Gastronom Loris Pisarro, der sein Restaurant L’Italiano im Alten Rathaus hat. Ob er bis Ende März durchhält, kann der 30-Jährige nicht sagen. „Die Baustellen machen mehr kaputt als Corona“, sagt Pisarro, dem nach eigenem Bekunden gut 70 Prozent seines Umsatzes weggebrochen sind. Während des ers­ten Lockdowns im Frühjahr sei zusätzlich zur Abholung wenigstens noch eine Lieferung der Speisen Richtung Kirchheim möglich gewesen. Auch aus Schlier­bach nutzen in der Regel Kunden seinen Mittagstisch. Das falle nun alles weg. „Die lange Umleitung fährt keiner, und für die Lieferung macht das auch keinen Sinn.“

Sechs Tage die Woche habe er zur Abholung geöffnet, die Zahl der Kunden pro Tag könne man teils an einer Hand abzählen. Die monatlichen Fixkosten von rund 13 000 Euro würden durch die Einnahmen derzeit nicht mehr gedeckt. „Man fühlt sich im Stich gelassen. Das Gespräch mit dem Bürgermeister habe ich gesucht, die Sorgen werden aber irgendwie nicht recht ernst genommen“, zeigt sich der 30-Jährige resigniert.

Apotheker Dr. Matthias ­Kühnle, dessen Apotheke schräg gegenüber in der Wellinger Straße liegt, macht seinem Ärger noch deutlicher Luft: „Ja, bei Baustellen gibt es Unwägbarkeiten, aber das Ausmaß hier ist mit letztlich einem halben Jahr Verzug zur anfänglichen Planung enorm“, sagt er. „Das ist für mich ein Versagen der Bauleitung, insbesondere was den dazuzählenden Bürgermeis­ter angeht. Die Kommunikation von dessen Seite mit uns Gewerbetreibenden war von Anfang an schlecht bis nicht vorhanden, unsere Sorgen und Ängste werden nicht ernst genommen. Das ist einfach nur beschämend.“

Probleme mit den Anschlüssen

Johannes Martin, Bauleiter beim Kirchheimer Ingenieurbüro Geoteck, geht auf die Gründe für die weiteren Verzögerungen ein: So habe es Probleme mit den Hausanschlussschiebern der Wasserleitung gegeben, die sich nicht schließen ließen. Es mussten kurzfristig neue gesetzt werden. Die Verlegung der Stromleitung im Gehweg durch die Netze BW sei zudem unerwartet aufwändig gewesen. Viele Bestandsleitungen und eine dicke Betonschicht machen den Zugang schwieriger. Ende Januar soll die Leitung verlegt sein. Die sieben Parkplätze, die in der Wellinger Straße vor Brauerei, Volksbank und Apotheke gesperrt wurden, sollen vor Weihnachten wieder bereitstehen. Dann wird auch die mobile Ampelanlage abgebaut.

Nach der Winterpause geht es ab 18. Januar bis voraussichtlich Mitte Februar mit den restlichen 70 Metern Wasserleitung in der Wellinger Straße weiter. Ein Abbiegen Richtung Wellingen ist ab der Kreuzung dann nicht mehr möglich. Die Umleitung erfolgt via Kelter- und Herdfeldstraße. Bevor in der Kirchheimer und Wellinger Straße asphaltiert werden kann, müssen erst noch der Straßenunterbau hergestellt, die Gestänge für die Hausanschlüsse montiert, die neue barrierefreie Bushaltestelle gebaut und schließlich noch alle Schachtdeckel auf die richtige Höhe gesetzt werden. Auch spielt die Witterung eine Rolle: Die Asphalt-Tragschicht kann bis minus fünf Grad, die Deckschicht ab plus fünf Grad eingebaut werden.

Wie geht es mit den Bauabschnitten weiter?

Nach dem Bauabschnitt Kirchheimer/Wellinger Straße geht es ab April im Kreuzungsbereich Ötlinger Straße bis hoch zur Einmündung Talstraße weiter. Geschätzte Dauer: bis circa Ende Mai. Anschließend wird in der Hochdorfer Straße ab der Einmündung Talstraße bis zum Ortsausgang Richtung Hochdorf weitergebaut. Der Bauzeitenplan sieht derzeit einen Abschluss in der ersten September­woche 2021 vor.

Bei der zweiten örtlichen Baustelle, der Roßwälder Straße in Wellingen, ist ein Asphalteinbau im ersten Bauabschnitt laut Matthias Eisenschmid vom Ingenieurbüro Geo­teck bis 17. März vorgesehen. Anschließend ist die Durchfahrt via inner­örtlicher Umleitungen über die Brühlstraße (Begegnungsverkehr aus und nach Roßwälden), die Bachstraße (aus Notzingen kommend in Richtung Roßwälden) und die Wellinger Straße (aus Roßwälden kommend in Richtung Notzingen) von und nach Roßwälden wieder möglich - auch während der Arbeiten im zweiten Bauabschnitt direkt im Anschluss in der Notzinger Straße. Diese sollen bis Ende Juli 2021 abgeschlossen sein. „Voraussetzung für die Einhaltung des Terminplans ist, dass kein massiver Wintereinbruch eintritt“, so Eisenschmid. Das gilt natürlich auch für die Baustelle im ­Notzinger Ortskern. eis