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Ganz schön gewässerreich

Bäche Da kommt in Dettingen ordentlich was zusammen: Rund 28 Kilometer lang sind all die Wasserläufe auf der Markung. Sie sollen nun genauer unter die Lupe genommen werden. Von Iris Häfner

An der Fahrtobelbrücke wird für die Bachlebewesen eine Art Rampe gebaut, damit sie die Höhe überwinden können. Foto: Carsten Rie
An der Fahrtobelbrücke wird für die Bachlebewesen eine Art Rampe gebaut, damit sie die Höhe überwinden können. Foto: Carsten Riedl

Eulengreutgraben, Kegelesbach, Fahrtobel, Raiger­klinge und Lichtenbergbrunnen heißen beispielsweise die weniger bekannten Dettinger Fließgewässer. Oder sie sind technisch-nüchtern mit „NN-RI6“ im Plan vermerkt. In Dettingen ist „NN-RI6“ aber auch als Wiesenbach bekannt. Mit seinen zwei Quellen, die unterhalb des Hohenbol entspringen, ist er wie der Jauchertbach, in den er kurz vor der Autobahn fließt, länger als die Lauter. Letztere ist das größte Gewässer, wenngleich in ihrem natürlichen Bett wegen der Wassernutzung gerade noch das Minimum fließt.

„Da hat es uns alle ein bisschen verschüttelt, als wir die Zahl 28 Kilometer gehört haben“, gab Bürgermeister Rainer Haußmann zu, als Sascha Arnold vom Planungsbüro Stadt-Land-Fluss einen ersten Überblick über das gesamte Bach- und Grabensystem gab. Auf dieser Grundlage wurde er beauftragt, einen Gewässerentwicklungsplan zu erstellen. Als erster Schritt soll das für die Lauter und die drei längsten Fließgewässer geschehen: Jauchert-, Wiesen- und Kegelesbach. Letzterer speist auch den Mannsbergsee und wurde deshalb als dritter im Bunde in die Liste aufgenommen. „An den See muss man ran. In welcher Form das sein wird, da gehen die Meinungen auseinander“, erklärte Sascha Arnold. Der Mannsbergsee wurde vor Jahrzehnten nach historischem Vorbild angelegt und bedarf jetzt einer Sanierung, er verlandet zunehmend. „Das ist ein großer Sandfang mit Feinmaterial und viel organischem Material. Fische haben es sehr schwer und leben kaum noch drin“, so der Fachmann.

Dokumentiert werden in dem Gewässerentwicklungsplan beispielsweise wilde Verbauten an Bachläufen oder deren Bewuchs. „Es steht alles drin, was man über die einzelnen Bäche wissen muss“, erläuterte Sascha Arnold. Diesen Plan sieht er als Handlungsprogramm, mit dem man die Maßnahmen aufeinander abstimmen kann. Er helfe auch dem Bauhof, die Aufgaben Stück für Stück durchzugehen und abzuarbeiten. „Erhalten, entwickeln, umgestalten“, nannte er in diesem Zusammenhang als Stichworte.

Konkret wurde es im Gemeinderat, als es um die Umsetzung der EU-Wasserrahmenrichtlinie ging. Hier ist die Lauter im Visier. „Die ist ein ganz armer Bach, der erheblich verändert wurde und an dem auf Dettinger Markung kaum noch was natürlich ist“, so Sascha Arnold. Es gibt Abstürze von mehreren Metern und wegen jahrhundertelanger Eingriffe hat sie streckenweise ein Schieferbett, das wenig Lebensraum bietet. Traditionell wird der Lauter auf ihrer gesamten Strecke für die Wasserkraftnutzung das Wasser abgezogen. Am Absturz Gaulsgumpen stand ein altes Wehr. Der Fluss hat sich hier vier bis fünf Meter in den Fels gefräst. „Um seine Kraft loszuwerden, hat er sich tief eingegraben. Das Problem dabei: Der Grundwasserspiegel wandert mit nach unten“, erklärt der Planer.

Die EU will mit der Richtlinie eine Durchgängigkeit der Gewässer von der Mündung bis zur Quelle für Fische und Kleinlebewesen durchsetzen. Das Ziel ist ein guter ökologischer Zustand der Flüsse. Die Umsetzung schleppt sich jedoch dahin, immer wieder wurde die Deadline nach hinten verschoben. Jetzt ist das Jahr 2027 anvisiert. „Das ist eine gesetzliche Verpflichtung. Das Thema Verlängerung könnte dann möglicherweise vorbei sein, es gibt bereits ein Beschwerdeverfahren“, sagte Sascha Arnold. Peter Keck, Pressesprecher des Landkreises, ist die Problematik bewusst: „Es besteht ein Zielkonflikt. Auf der einen Seite will man sauber produzierte Energie durch Wasserkraft, auf der anderen Seite naturnahe Gewässer.“

Dettingen bekam ein Lob von Sascha Arnold. Die Gemeinde hat schon einige Maßnahmen umgesetzt. Ärgerlich dabei: Die Gemeinde will das Projekt am Gaulsgumpen in Angriff nehmen - doch die Umsetzung stockt wegen der zuständigen Behörden, die Genehmigung fehlt bislang. „Der Prozess läuft seit dem Jahr 2010 und es gab mehrere Anläufe“, erklärt Kämmerer Jörg Neubauer. Zwei Mal wurde bereits der Bau verschoben. Die Gemeinde hat dafür Geld eingestellt und auch schon eine Förderzusage. Die muss nun wieder neu gestellt werden.

Nichtsdestotrotz geht Dettingen an die Planung des nächsten Projekts. Der Absturz an der Fahrtobelbrücke soll ähnlich wie bei der Bergerbrücke eine Sohlgleite erhalten und damit durchgängig gestaltet werden. Der Absturz ist rund zweieinhalb Meter hoch, weshalb die Rampe mindestens 50 Meter lang sein muss.

Intensive Wasserkraftnutzung der Lauter

Die Lauter führt nicht nur im Sommer wenig Wasser. Die Mindestwassermenge, die ihr die Wasserkraftbetreiber in ihrem Bett lassen müssen, sind 140 Liter pro Sekunde. „Das ist das absolute Minimum“, sagt Landschaftsplaner Sascha Arnold. Die offizielle Empfehlung, die bundesweit anerkannt ist, beträgt ein Drittel des durchschnittlichen Niedrigwasserabflusses. „Für die Lauter wären deshalb 180 Liter pro Sekunde wünschenswert“, so Arnold.

Die Wasserkraftnutzung will er nicht an den Pranger stellen. „Die brauchen wir. Es gibt Wege, beides nebeneinander laufen zu lassen. Man kann dem Bach aber nicht alles nehmen“, stellt er klar. Jeder Liter bedeutet Strom und somit Geld. „Aber Geld ist nicht alles“, sagt er und appelliert an die Vernunft der Betreiber. Die Meisten halten sich daran. ih