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Ganz viel Kino im Kopf

Puppentheater Stefanie Hattenkofer zieht mit Janoschs „Die Fiedelgrille und der Maulwurf“ die Kinder in der ausverkauften Bastion in den Bann. Von Günter Kahlert

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Kindertheater ist für die Bastion eine sichere Bank: Immer ausverkauft und das seit nunmehr 30 Jahren, da könnten manche anderen Künstler und Musiker fast neidisch werden. Für das diesjährige „Adventsstück“ ist Stefanie Hattenkofer vom Figurentheater München angereist. Mitgebracht hat sie „Die Fiedelgrille und der Maulwurf“, basierend auf der gleichnamigen Geschichte von Janosch.

Worum geht es? Die kleine Grille ist eine begeisterte Geigenspielerin, wird aber von einem bösen König, der Musik verbietet und alle Instrumente vernichtet, aus ihrem Land vertrieben. Sie findet eine neue Heimat-Wiese und erfreut mit ihrer Musik den ganzen Sommer lang alle Tiere dort. Als aber der Winter anbricht, kuschelt sich jeder in sein eigenes Haus und knabbert an seinen Vorräten. Nur die Grille bleibt zurück. Sie geht von einem zum anderen, aber keiner ist bereit, ihr zu helfen. Da lädt der Maulwurf sie zu sich ein. Sie kochen Suppe, kuscheln sich zusammen und die Grille macht Musik - Happy End.

Stefanie Hattenkofer setzt das mit minimalistischen Requisiten um. Zu Beginn sind da nur schwarze Vorhänge im Hintergrund, auf der Bühne ein Notenständer, ein Tisch, ein Garderobenständer und ein Stuhl mit Geigenkasten. Auch verschiedene Tücher, die sie während der Aufführung aus ihrer Bauchtasche zieht, werden vor den Augen der Kinder in Tiere „verwandelt“. Da ist die Maus, der Rüsselkäfer, zwei Schnecken - jeweils noch mit unterschiedlichen Stimmen ausgestattet. Auch die Sommerwiese und die Schneelandschaft sind lediglich eine grüne oder weiße Stoffbahn. Die einzigen wirklichen Figuren sind die beiden Hauptdarsteller, die Grille und der Maulwurf. „Mit so wenig Requisiten zu arbeiten, ist natürlich anstrengend“, meint Stefanie Hattenkofer dazu, „aber hier geht es darum, bei den Kindern das ,Kopfkino‘ anzuknipsen, ihre Fantasie zu animieren.“ Da wird aus einem Mantel ein Maulwurfsbau, aus dem Notenblatt der Grille ein Zugvogel oder aus dem Geigenkasten der Bau des Rüsselkäfers.

Eins zu eins hat Stefanie Hattenkofer die Janosch-Geschichte nicht übernommen. Im Original gibt es den bösen König nicht und im Stück des Figurentheaters München flüchtet die kleine Geigenspielerin aus einem Land, in dem sie wegen des Musik hassenden Despoten kein Zuhause mehr hat. „Als wir die Geschichte für die Bühne entwickelt haben, wurde die Flüchtlingsproblematik immer aktueller“, erzählt Stefanie Hattenkofer, „und es war uns wichtig, dass auch die Kinder sich mit so einem Thema beschäftigen.“ Klar verstehe man die Maus, die nichts von ihren Nüssen abgeben will, oder den Rüsselkäfer, der den ganzen Platz in seinem Bau für sich beansprucht. Den „Joker“ ziehe aber der Maulwurf. Er hat jemanden, muss nicht mehr allein sein, man rückt halt zusammen. „Natürlich verstehen die Kleinen nicht die politische Dimension“, erläutert die Figurenspielerin den Hintergrund, „aber dass es ein Wert ist, etwas abzugeben, verstehen auch Dreijährige.“

Zwei Jahre arbeitet die Künstlerin an solchen Stücken, feilt an der Sprache, an Mimik und Gestik, arbeitet mit Regisseuren zusammen und hinterfragt auch immer wieder den Ansatz. Bevor ein Stück ins Tourprogramm aufgenommen wird, hat es noch einen besonders strengen Test zu bestehen: Stefanie Hattenkofer führt es ihren eigenen zwei Kindern vor.

Ob ein Stück bei den Kindern wirklich ankommt, dafür gibt es vor Ort einen ganz simplen Indikator: bleiben die Kinder still oder wird es schnell unruhig. In der voll besetzten Bastion jedenfalls waren die Kinder mucksmäuschenstill, 45 Minuten lang.