Kirchheim. Von der schmalen Wohnstraße aus, ist nicht sehr viel Grün zu sehen. Die Vorgärten sind oft fürs Auto reserviert. Manche Grundstücksbesitzer outen sich auch als Gartenarbeitsmuffel. Die paar Quadratmeter, die für Rasen oder Blumenbeet vorgesehen waren, haben sie mit Granitschotter abgedeckt. Daraus ragen dann meist ein paar Krüppelkoniferen: Da gibt es kein Laub zu rechen, keinen Rasen zu mähen und zumindest zunächst kein Unkraut zu jäten. Pflegeleicht und pflanzenarm.
Anja Preuß wohnt mit ihrer Familie seit zehn Jahren im Leiblensbett in Jesingen. Was von der Straße aus nicht zu sehen ist: hinter ihrem Haus wird es grün. Da auch die anderen Häuser ihre Gärten hinter dem Haus haben, sieht es zusammen wie eine große Gartenfläche aus, die durch große Hecken parzelliert wird.
Familie Preuß hat zwar kein Riesengrundstück. Da das Haus nahe an der Straße steht, wirkt der Garten dennoch recht groß. Zeitweise tobten darin alle vier Buben der Familie. Doch die Kinder werden älter und so erobert sich Anja Preuß das Terrain zurück. In der Mitte des Rasens steht noch ein Trampolin. Davor liegen ein paar Bälle. „Den ehemaligen Sandkasten habe ich bereits zum Kräuterbeet umfunktioniert“, erzählt sie.
Den Garten hat sie weitgehend selbst angelegt. Lediglich für den Rasen beauftragte sie einen Gärtner. Als es zu grünen begann, war die Freude zunächst groß, sollten doch die Kinder bald einen Platz zum Spielen bekommen. Dass das Gras allerdings keinen grünen Teppich bildete, sondern eher dicke Büschel, machte Anja Preuß stutzig. Zu Recht, denn es stellte sich heraus, dass das neue Grün die bei Rasenliebhabern gefürchtete Hirse war. „Ein Getreidefeld war nun wirklich nicht das, was ich wollte“, erinnert sie sich. Also stach sie die Hirse einen Sommer lang immer wieder aus.
Hirse fühlt sich am wohlsten auf Böden, die früher mit Mais bepflanzt waren. Gut möglich: Schließlich war das Baugebiet kurz zuvor noch Ackerland.
Maulwurfsgrillen, die nächste Plage, haben ebenfalls eine besondere Vorliebe für Ackerböden. An sich bevorzugen diese Verwandten der Heuschrecken tierische Nahrung, wie Engerlinge und Schneckeneier. Aber Wurzeln, die ihnen beim Graben im Weg sind, beißen sie gnadenlos ab. Nachdem sie im Preuß‘schen Garten eine Spur der Verwüstung hinterließen, wurde ihnen mit Nematoden der Garaus gemacht. Nematoden sind kleine Fadenwürmer, die sich über die Grillen hermachen.
Davon ist heute nichts mehr zu sehen. Stauden, Sträucher und Buchskugeln umrahmen die Rasenfläche. Zu fast jeder Pflanze fällt Anja Preuß eine Geschichte ein. „Den alten Lavendel hatte ich schon im vorherigen Garten“, erzählt sie. Die Strauchrose hat ihre Schwiegermutter in Münster im Topf gehegt und gepflegt, bis der Garten endlich so weit war, dass die Rose vom westfälischen Topf in die schwäbische Erde umziehen durfte. Ganz besonders freut sich Preuß noch heute über das Kirschbäumchen: „Das habe ich auf dem Grünschnitthaufen in einem Autoanhänger entdeckt.“ Der Nachbar wollte das Bäumchen loswerden. Letztes Jahr gab es zum ersten Mal leckere Süßkirschen aus eigenem Anbau.
Im Prinzip würde Anja Preuß alles wieder genauso machen – mit einer Einschränkung: „Ich würde viel weniger Pflanzen kaufen. Ich musste inzwischen etwa die Hälfte rausreißen, da sie viel zu groß wurden.“ Aber sie ist sich auch sicher, dass „ein Garten sowieso erst richtig Charme bekommt, wenn er ein paar Jahre alt ist.“