Weilheim · Lenningen · Umland

Gastel vermisst „solidarisches Europa“

Zwei Jahre nach seinem Amtsantritt zieht der Grünen-Abgeordnete eine Zwischenbilanz

Matthias Gastl
Matthias Gastl

Seit zwei Jahren vertritt der Grünen-Politiker Matthias Gastel den Wahlkreis Nürtingen im Bundestag – zwei weitere Jahre liegen noch vor ihm. Zeit, eine Zwischenbilanz zu ziehen, dachte sich der Abgeordnete und lud zum Pressegespräch ein, um über Flüchtlingspolitik, den Wohnungsmangel und die Deutsche Bahn zu sprechen.

Matthäus Klemke

Nürtingen. „Mein Leben hat sich vor zwei Jahren kolossal verändert“, blickt Gastel am Donnerstagmorgen in der Kreisgeschäftsstelle der Grünen in Nürtingen zurück. Im Oktober 2013 wurde er Bundestagsmitglied, Mitglied im Ausschuss für Verkehr und digitale Infrastruktur und bahnpolitischer Sprecher der Grünenfraktion.

„Das Flüchtlingsthema überlagert derzeit natürlich alles“, sagt Matthias Gastel: „Und eine schnelle und einfache Lösung wird es nicht geben.“ Der Grünen-Politiker sieht hier „einen massiven Handlungsbedarf“ und fordert die Beschleunigung der Anerkennungsverfahren: „Diese Verfahren dürfen nicht länger als drei Monate dauern. Derzeit liegen wir bei sechs.“ Um das zu ändern, ist es seiner Meinung nach nötig, das zuständige Personal aufzustocken.

Auch gegen den Mangel an bezahlbarem Wohnraum müsse dringend etwas getan werden: „Der Bau von Sozialwohnungen wurde vor Jahren verschlafen. Umso schneller brauchen wir jetzt eine Lösung.“ Um zügig Wohnraum zu schaffen, müssten bestehende Bauordnungen gelockert und Leerstände genutzt werden. Wohnungen zu beschlagnahmen, wie es Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer angedroht hatte, sieht Gastel als letzte Lösung: „Das kann nicht unser Ziel sein, aber ganz ausschließen kann man es nicht mehr.“

Gastel sieht allerdings nicht nur die Bundesregierung in der Pflicht – auch andere EU-Staaten müssten Verantwortung übernehmen: „Es kann nicht sein, dass die Flüchtlinge unter drei Ländern aufgeteilt werden und alle anderen halten sich raus“, so Gastel. „Ich vermisse ein Europa, das solidarisch und als Wertegemeinschaft auftritt.“

Neben der Flüchtlingspolitik wird Gastel auch die Bahnpolitik weiterhin beschäftigen. Als bahnpolitischer Sprecher der Grünen hat er sich vor zwei Jahren auf die Fahne geschrieben, das Reisen mit der Bahn attraktiver zu gestalten. Besonders in der Region Stuttgart sieht er großen Handlungsbedarf: „Die S-Bahnen fahren in den letzten vier Jahren aufgrund von Störungen nicht mehr verlässlich.“ Über die Hälfte dieser Störungen sei auf Infrastrukturmängel zurückzuführen: „Es wurde über Jahrzehnte zu wenig in den Schienenverkehr investiert. Die Deutsche Bahn erfüllt ihren eigenen Auftrag nicht.“ Auch dass es in den meisten Zügen immer noch kein WLAN gibt, sei völlig unzeitgemäß: „Das hat die Bahn vollkommen verpennt“, sagt Gastel. Die Internetversorgung sei aber auch außerhalb von Zügen ein wichtiges Thema: „Der Breitbandausbau ist ein großer Streitpunkt zwischen uns und der Koalition“, sagt Gastel.

Während die Bundesregierung auf den Ausbau von Kupferleitungen setzen möchte, halten die Grünen Glasfaserkabel für die bessere Lösung. „Nach zwei Jahren ist man es aber gewohnt, gegen eine Wand zu reden“, sagt Gastel. Er findet es „bedauerlich, dass es nie passieren wird, dass die Regierung einem Antrag der Opposition zustimmen wird“, so Gastel: „Im Bundestag ist es oft nicht entscheidend, ob ein Vorschlag gut oder schlecht ist, sondern von wem er kommt.“