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Gastronomie kämpft mit Preisexplosion

Wirtschaft Die Kostensteigerungen treffen nicht nur Privatleute, sondern auch Unternehmen: Der Weilheimer Gastronom Karl-Heinz Raff über Lebensmittelpreise, den Strommarkt und kreative Lösungen. Von Bianca Lütz-Holoch

Ob Rahmgeschnetzeltes mit Spätzle und Salat, Sauerbraten mit Knödeln oder Seelachsfilet mit Rahmkartoffeln und Gemüse – jahrelang hat das Tagesessen in der Weilheimer Gaststätte Zur Post genau zehn Euro gekostet. Jetzt haben Karl-Heinz Raff und seine Schwester Alexandra Schäfer, die das Restaurant und das Hotel gemeinsam führen, schweren Herzens einen Euro aufschlagen müssen. „Den Preis konnten wir nicht mehr halten“, sagt Karl-Heinz Raff. Der Grund: „Wir kämpfen mit immensen Preissteigerungen in allen Bereichen.“

 

Wir stecken in einer Zwickmühle.
Karl-Heinz Raff
Der Weilheimer Gastronom über den schmalen Grat zwischen Wirtschaftlichkeit und Kundenorientierung.

Wie hoch die Steigerungen ausfallen, zeigt der Vergleich einer aktuellen Rechnung mit einer von 2021. „Die Lebensmittel sind im Einkauf bis zu 50 Prozent teurer geworden“, hat Karl-Heinz Raff ausgerechnet. Besonders stark betrifft das beispielsweise Schweine- und Putenfleisch. Aber auch bei den Kartoffeln, die sich der Gastronom vom Bauern aus Lichtenwald liefern lässt, geht die Kurve steil nach oben. „Bisher habe ich für den 25-Kilo-Sack zwölf Euro gezahlt, jetzt sind es 16 Euro.“ Und das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht. „Unser Lieferant bereitet uns schon auf einen Preis von 20 Euro pro Sack vor“, berichtet Karl-Heinz Raff. Verwunderlich sei das nicht. „Schließlich werden ja auch die Setzlinge in Zukunft teurer.“ 

Mit voller Wucht treffen das Weilheimer Gastro-Unternehmen die Preissteigerungen im Bereich Energie. „Bislang belaufen sich unsere Stromkosten für Gaststätte und Hotel auf rund 20 000 Euro im Jahr“, sagt Karl-Heinz Raff. Dabei wird es aber nicht bleiben. „Unser Stromanbieter hat uns den Vertrag auf Ende des Jahres gekündigt.“ Den Inhabern der Gaststätte Zur Post bleiben deshalb zwei Optionen: „Wenn ich auf eines der aktuellen Festpreis-Angebote eingehe, landen wir bei rund 50 000 Euro im Jahr – und das ist noch defensiv geschätzt“, sagt Karl-Heinz Raff. Die andere Möglichkeit: Strom an der Strombörse zu tagesaktuellen Preisen beziehen. Da allerdings besteht das Risiko unvorhersehbarer Schwankungen. „Man kann nicht kalkulieren und hat keine Sicherheit“, so Raff.

Kühlhäuser müssen durchlaufen

Um den Stromverbrauch des Unternehmens zu senken, haben er und seine Schwester nach der Übernahme des Familienunternehmens im Jahr 2014 viel Geld in die Hand genommen. „Unter anderem haben wir die Beleuchtung umgerüstet und das Kühlhaus modernisiert“, erzählt Karl-Heinz Raff. So sei es gelungen, den Verbrauch von 100 000 auf 75 000 Kilowattstunden im Jahr zu drosseln. Weitere Einsparungen gestalten sich aus Sicht des Unternehmers schwierig. „Kühlhäuser zum Beispiel müssen durchlaufen“, stellt Karl-Heinz Raff klar. Im Sommer – vor allem, wenn er so heiß ist wie der letzte – arbeiten sie auf Hochtouren und fressen wesentlich mehr Strom als im Winter.

Die Preiserhöhung beim Mittagstisch hat die Kundschaft des Weilheimer Gasthauses bisher mit Fassung getragen. „Wir haben 80 Prozent Stammgäste, und die sind zum Glück treu“, zeigt sich Karl-Heinz Raff erleichtert. Allerdings, so fürchtet er, war das erst der Anfang. „Es wird in Zukunft einen fortlaufenden Prozess von Preisanpassungen geben“, prophezeit der Unternehmer. Leicht fällt es ihm nicht, die Preise aufzuschlagen. „Wir stecken da in einer Zwickmühle: Wir wollen unseren Gästen nicht das Gastro-Erlebnis verderben, müssen aber auch wirtschaften.“ 

Um den Kunden entgegenzukommen, sucht Karl-Heinz Raff kreative Lösungen. So stellt die Gaststätte jetzt mit einer neuen Filtrierungsanlage selbst Tafelwasser her und bietet es günstig an. Dank eines Karbonisators gibt es nicht nur stilles Wasser, sondern auch Sprudel mit viel oder wenig Kohlensäure. Außerdem hat die Gaststätte kleinere Desserts eingeführt. Das soll den Gästen Genuss ermöglichen, ohne ihren Geldbeutel allzu sehr zu strapazieren, und wird gut angenommen. 

Klar ist dem Gastronomen aber auch, dass sich mancher in naher Zukunft das Essengehen nicht mehr leisten kann. „Es werden Gäste wegfallen“, weiß Karl-Heinz Raff. Schon jetzt flattern Absagen für große Veranstaltungen wie Firmenfeiern oder Weihnachtsessen ins Haus. Jammern möchte der Weilheimer Unternehmer aber – noch – nicht. Die Post ist solide durch die Pandemie gekommen, aktuell profitiert die Gastronomie darüber hinaus von Corona-Nachholeffekten: Die Gasträume sind regelmäßig gut gefüllt.