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Gemeinden tragen ihre Schätze zusammen

Reformation Seit vier Jahren wird über der Ausstellung „Zwischen Luther und Zwingli“ im Kornhaus gebrütet. Man sieht ihr an, dass sie kein Schnellschuss war. Von Peter Dietrich

Die neue Ausstellung im Kirchheimer Kornhaus beschäftigt sich mit der Reformation rund um Kirchheim.Foto: Peter Dietrich
Die neue Ausstellung im Kirchheimer Kornhaus beschäftigt sich mit der Reformation rund um Kirchheim.Foto: Peter Dietrich

Dieses Dettingen, klagten Kirchenräte im Jahr 1614, sei ein „Wurmnest der Sektierer“. Zwischen 1560 und 1615 sollen aus dieser Hochburg des Täufertums etwa 70 Menschen zu den Böhmischen Brüdern nach Mähren ausgewandert sein. Auch der Reformator und Spiritualist Kaspar von Schwenckfelder und seine Anhänger hatten es schwer. Denn die Freiheit des Glaubens, die bekanntere Reformatoren wie Martin Luther und Huldrych Zwingli einforderten, gewährten sie anderen reformatorischen Strömungen oft nicht.

Am Sonntag wurde die Ausstellung „Zwischen Luther und Zwingli - Reformation in Stadt und Amt Kirchheim“ eröffnet, die noch bis zum 1. November im Städtischen Museum im Kirchheimer Kornhaus zu sehen ist. Gemeinden aus dem Kirchenbezirk haben für sie ihre Schätze zusammengetragen, bis hin zum gewichtigen Taufstein. Andere der rund 60 Exponate - auch ein Original-Gesangbuch von 1596 - kommen aus der Nürtinger Turmbibliothek, dem Hauptstaatsarchiv Stuttgart, der Landeskirchlichen Zentralbibliothek und dem Kirchheimer Stadtarchiv. Ein Brief aus dem Stadtarchiv Esslingen beweist, dass der Reformator Ambrosius Blarer im Jahr 1535 in Kirchheim war.

Bis 1534 unterdrückte die katholische habsburgische Regierung in Württemberg bei Strafe jede reformatorische Bestrebung. Doch die neuen Gedanken drangen von den freien Reichsstädten aus auch schon zuvor ins Land. Als Kompromiss setzte Herzog Ulrich dann zwei Reformatoren ein, den Lutheraner Erhard Schnepf für den Norden und den Zwinglianer Ambrosius Blarer für den Süden. Letzteren entließ er 1538, so wurde ganz Württemberg lutherisch. Streitpunkt zwischen beiden Richtungen waren der Umgang mit Marien- und Heiligenbildern und das Abendmahl: Wie viel von Jesu Leib ist im Brot oder der Oblate enthalten?

Als die Reformation 1535 nach Kirchheim kam, wurde jeder Gemeinde nur ein Abendmahlskelch belassen, der Stadt Kirchheim zwei. Die restlichen der 63 Kelche wurden eingeschmolzen, zur Bereicherung des Herzogs. Eine letzte katholische Bastion in der Stadt Kirchheim war der „Freihof“, der Eigentümer Junker Hans Reuß lebte dort steuerfrei und mit eigener Gerichtsbarkeit - so wie es die „Reichsbürger“ von heute gerne hätten. Als der verheiratete Junker zum zweiten Mal seine Magd schwängerte, wurde er 1581 des Landes verwiesen.

Aufgearbeitet wurde die Geschichte der Reformation von Rosemarie Reichelt. Sie stützte sich in weiten Teilen auf die Arbeit des 2013 verstorbenen Dr. Rolf Götz. „Diese Ausstellung ist eine Hommage an ihn“, sagte sie. „Fast alle, die wir angefragt haben, haben geliefert“, lobte Dekanin Renate Kath ihre Kirchengemeinden. Einige Objekte kämen aus privater Hand: „Wir schützen sie, indem wir nicht angeben, wo sie zu Hause sind.“

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker betonte bei der Eröffnung die Bedeutung der Reformation für die Bildung. „Luther wollte, dass die Jungs und Mädchen lesen und schreiben lernen.“ Die Reformation habe den Grundstein für Werte wie Meinungsfreiheit, Redefreiheit, Religionsfreiheit und Teilhabe gelegt. Sie seien noch heute der Schlüssel für ein gelingendes Miteinander. Sie habe gerade eine erschreckende Diskussion mit AfD-Anhängern gehabt und dabei „der Fratze des Nazismus ins Gesicht gesehen“.

Die imposantesten Objekte, so die Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek, seien die Kirchen der 24 Kirchengemeinden. Deren bau- und kunsthistorischen Schätze würden auf zwei Bildschirmen gezeigt. Stefanie Schwarzenbek erzählte auch, wie das Reformationsjubiläum 1717 gefeiert wurde: Jeder Kirchheimer Haushalt bekam einen gedruckten Gedenkbrief, ein Maß Wein und zwei Pfund Brot, die Schulkinder eine „neue Landmünze“. Der Teckbote vom 400. Jubiläum, dem 31. Oktober 1917, ist in der Ausstellung zu sehen. Nochmals 100 Jahre später gibt es Luther als Fruchtgummi und Arzneimittel für Leib und Seele: Schon mal das Breitband-Theologicum „Lutherol“ probiert?

Geführt durch die Ausstellung

Bis zum 1. November ist die Ausstellung dienstags von 14 bis 17 Uhr, mittwochs bis freitags von 10 bis 12 und 14 bis 17 Uhr und wochenends und feiertags von 11 bis 17 Uhr zu sehen. Am Reformationstag, 31. Oktober, gibt es um 12 und 15 Uhr Führungen. Weitere einstündige Führungen gibt es am 1. und 22. Oktober und 1. November, jeweils um 14 Uhr. Halbstündige Kurzführungen an ausgewählten Objekten gibt es am 7. und 28. Oktober um 11.30 Uhr. Am Museumsfest am 3. Oktober gibt es Führungen um 11.30 und 13.30 Uhr. Alle Führungen sind ohne Anmeldung. pd