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Gericht kapituliert vor Angeklagtem – vorerst

Verhandlung wegen Straßenverkehrsgefährdung wird vertagt, bis ein Pflichtverteidiger aushilft

Für die Beteiligten mühsam und für Außenstehende unterhaltsam war die Verhandlung, die gestern im Kirchheimer Amtsgericht nach kurzer Zeit vertagt wurde: Der Angeklagte scheint überwiegend in einem Paralleluniversum zu leben und redet ständig von Dingen, die mit der Sache nichts zu tun haben.

Kirchheim. Der Sachverhalt ist ei­gentlich ganz einfach: Der 62-Jährige war am 3. März dieses Jahres gegen 13.30 Uhr „aus Mexiko mit dem Flugzeug in München angekommen“, wie er berichtete. Anschließend sei er mit dem Auto über die A 8 nach Hause gefahren. Er wohnt im Landkreis Karlsruhe. In Augsburg habe er angehalten, um etwas zu essen. Auch bei der Weiterfahrt lief alles normal – solange er in Bayern war. Erst in Baden-Württemberg begannen die Probleme.

Dass er schließlich bei Mühlhausen und bei Kirchheim Leitplanken touchierte, hat nach seiner Ansicht verschiedene Ursachen: hohes Verkehrsaufkommen, ständige Fahrbahnverengungen wegen Baustellen und viele Lastwagen, die ihn bedrängen. Aber alles – wie gesagt – nur in Baden-Württemberg. Überhaupt hat er mit seinem Heimatbundesland seine Schwierigkeiten. Die größte Schuld an allem tragen „die Bürgermeister von den Freien Wählern“. Und vor der „amtlichen Mafia“ muss er sich auch in Acht nehmen. Sonst wird er „über den Tisch gezogen“.

Deswegen hat er sich auch gegen den Strafbefehl zur Wehr gesetzt, den er wegen der Geschichte auf der Autobahn erhalten hat. Fahrlässige Gefährdung des Straßenverkehrs wird ihm darin vorgeworfen und außerdem unerlaubtes Entfernen vom Unfallort. Um den Fremdschaden in Höhe von etwa 1 000 Euro, der an den Leitplanken entstanden ist, hatte er sich nicht gekümmert.

Wie denn auch? „Hätte ich auf der Autobahn anhalten sollen? Das ist ja lebensgefährlich.“ Angehalten wurde er schließlich von der Polizei, die ein aufmerksamer Verkehrsteilnehmer verständigt hatte. Der Polizei gegenüber hatte der 62-Jährige damals auch einen plausiblen Grund für sein Fahrverhalten angegeben: Er sei übermüdet gewesen, bedingt durch den langen Flug und die Zeitverschiebung.

Davon will er jetzt aber nichts mehr wissen. Er selbst wie auch sein Audi seien absolut fahrtüchtig gewesen. Das Auto sogar noch nach dem „Streifen“ der Leitplanken. Davon ist er richtiggehend begeistert: „Ich war überrascht, dass an meinem Auto die ganze Beleuchtungsanlage noch voll funktionsfähig war – und dass die Fahrertür noch aufging.“ Immerhin habe sich der Schaden am Audi auf rund 10 000 Euro summiert.

Zwischendurch räumt der Mann, der offensichtlich bei seiner Arbeitsstelle Hausverbot hat und bei voller Fortzahlung der Bezüge vom Dienst suspendiert ist, wenigstens ein, dass es vielleicht besser gewesen wäre, wenn er in Augsburg vier oder fünf Stunden Pause gemacht hätte. Aber wäre es dann am Drackensteiner Hang besser gewesen mit der engen Verkehrsführung und den vielen Lkws?

„Dann wäre ich jetzt vielleicht tot“, sinniert er auf der Anklagebank, und sofort kommen ihm beim Thema „Tod“ und „Gericht“ ganz andere Assoziationen in den Sinn: „Wie der Mayer-Vorfelder. Der ist jetzt auch tot. Und was der alles gemacht hat!“ Immerhin erkennt der 62-Jährige kurz später, dass der Tod des langjährigen VfB-Präsidenten mit seinem Verfahren in Kirchheim „gar nichts zu tun“ hat. Er ist plötzlich dafür, die Dinge säuberlich zu trennen – beispielsweise sein Strafverfahren von der arbeitsrechtlichen Geschichte – „und nicht alles zu vermischen, so wie es die Freien Wähler immer machen“.

Am Ende erkennen Richterin und Staatsanwalt, dass sie so nicht weiterkommen. Weil der Mann „sehr aufgeregt“ ist und seine Interessen vor Gericht nicht richtig wahrnehmen kann, soll ihm ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt werden. Ende Oktober soll es dann in der Sache weitergehen. Bis dahin kann der Angeklagte vielleicht noch ein paar neue Erkenntnisse sammeln über das Einkaufen mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist nämlich auch so ein Problem. Und deswegen braucht er auch seinen Führerschein wieder, der noch mindestens zehn Monate lang in Kirchheim verwahrt bleibt.