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Gerüchte sind gefährlich

Es gibt keinen besseren Nährboden für Gerüchte als Angst und Unsicherheit. Dass Spekulationen über Asylbewerber in Zeiten steigender Flüchtlingszahlen wie Pilze aus dem Boden schießen, ist daher keine Überraschung. Gerüchte entstehen immer dort, wo Fragen unbeantwortet, wo Sorgen ungehört bleiben. Fragen wie: Schaffen wir das wirklich? Kann es funktionieren, so viele Menschen aus völlig unterschiedlichen Kulturkreisen zu integrieren?

Gerüchte sind gefährlich, weil sie nicht kontrollierbar sind. Sie haben ein Eigenleben, werden immer dramatischer, je öfter sie weitererzählt werden. Aus ein paar Ladendiebstählen wird ein täglich leergeräumter Supermarkt. Aus einem dummen Spruch eine Vergewaltigung. Solche Gerüchte sind toxisch. Sie vergiften das gesellschaftliche Klima, stiften Misstrauen, säen Angst.

Das Gegengift heißt: Information und Aufklärung. Unser Gerüchtecheck zeigt: An kaum einer dieser Spekulationen ist etwas dran. Laut Polizei gibt es nicht mehr Vergewaltigungen, seit es mehr Flüchtlinge gibt, sondern sogar weniger. Die Zahl der Ladendiebstähle stagniert. Der Handel mit Drogen ist rückläufig. Wohlgemerkt: Diese Zahlen beziehen sich nicht auf kriminelle Asylbewerber, sondern auf die Zahl aller Delikte im Verbreitungsgebiet des Teckboten.

Lediglich bei den Zwischenfällen zwischen Asylbewerbern verzeichnet die Polizei einen Anstieg. Wer die Bedingungen kennt, unter denen Flüchtlinge während ihres Asylverfahrens leben, den überrascht das nicht. André Schulz vom Bund deutscher Kriminalbeamter hat erst kürzlich einen passenden Vergleich he­rangezogen, als er zur Gewalt in Flüchtlingsheimen sagte: „Würde man 1 500 Franken mit 1 500 Oberbayern, also zwei fremde Kulturen, in einen leer stehenden Baumarkt ohne jegliche Privatsphäre quetschen und diese über Wochen zum Nichtstun verdammen, würde es dort auch innerhalb kürzester Zeit zu Spannungen und Handgreiflichkeiten kommen.“ Wie wahr.ANTJE DÖRR