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Gesucht: ein warmes Nest

Der Landkreis wirbt um Gastfamilien für minderjährige Flüchtlinge

Erschöpft, traumatisiert, allein gelassen – Mit dem wachsenden Zustrom an Flüchtlingen, die nach Deutschland kommen, wächst auch die Zahl der Minderjährigen, die ohne Elternbegleitung ein neues Zuhause suchen. Weil der Landkreis mit seinen Jugendhilfeeinrichtungen inzwischen an Grenzen stößt, werden dringend Gastfamilien gesucht.

Junge Flüchtlinge in der Kirchheimer Paulinenpflege: Weil Plätze in den Jugendhilfeeinrichtungen des Landkreises zunehmend knapp
Junge Flüchtlinge in der Kirchheimer Paulinenpflege: Weil Plätze in den Jugendhilfeeinrichtungen des Landkreises zunehmend knapp werden, setzt die Behörde auf die Bereitschaft von Gastfamilien, unbegleitete Minderjährige aus Krisenregionen bei sich aufzunehmen.Foto: Jean-Luc Jacques

Esslingen. Es ist nur ein Aspekt der Flüchtlingsproblematik, aber ein besonders sensibler. Kinder und Jugendliche, die auf der Flucht vor Krieg und Gewalt alleine in Deutschland stranden, brauchen besondere Fürsorge und vor allem eines: ein warmes Nest. Für sie zuständig sind die Jugendämter der Landkreise mit ihren Partnern der freien Jugendhilfe. Drei Einrichtungen in Kirchheim, Esslingen und Neuhausen teilen sich derzeit diese Aufgabe, die zu bewältigen immer schwieriger wird. Die Kirchheimer Paulinenpflege unter dem Dach der Stiftung Tragwerk bietet als einzige Einrichtung eine reine Flüchtlings-Wohngruppe an. Eine weitere im Esslinger Rothschild-Haus ist in Planung. Alle anderen der inzwischen 72 Jugendlichen, von denen die meisten aus Afghanistan, dem Jemen, Syrien, dem Nord-Irak oder Eritrea stammen, sind auf kreisweit 15 Wohngruppen verteilt. Sie alle haben eines gemein: Es gibt kaum noch freie Plätze. Ein Ende des Zustroms ist nicht in Sicht, das weiß auch die Esslinger Sozialdezernentin Katharina Kiewel. „Wir rechnen in den kommenden Monaten mit weiter steigenden Zahlen“, sagt sie.

Die Kreisverwaltung wirbt nun verstärkt um Gastfamilien, die bereit wären, jugendliche Flüchtlinge, von denen die meisten im Alter zwischen zwölf und 17 Jahren sind, bei sich aufzunehmen. Bisher gibt es noch kein solches Modell im Kreis, doch das soll sich rasch ändern. Neben der sozialpädagogischen Betreuung der häufig schwer traumatisierten Jugendlichen geht es auch darum, die deutsche Sprache möglichst schnell zu erlernen, um die Chance auf einen Schulabschluss oder einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Mit Familienanschluss gelingt dies rascher als in reinen Flüchtlings-Wohngruppen, ist man im Esslinger Landratsamt überzeugt.

Unbegleitete Minderjährige werden nicht über die Erstaufnahmestellen erfasst, sondern von den Jugendämtern. Dort, wo sie aufgegriffen werden oder sich freiwillig melden. Weil der Landkreis Esslingen einem Verkehrsknoten gleicht, landen hier vergleichsweise viele. Zwar sollen ab 1. Januar 2016 unbegleitete Minderjährige – ähnlich wie die restlichen Flüchtlinge – nach einem festen Schlüssel auf das ganze Bundesgebiet verteilt werden. Ob das im Kreis Esslingen zu einer Entlastung führen wird, weiß allerdings niemand. „Bisher gibt es noch keine konkreten Zahlen“, sagt Landratsamts-Sprecher Peter Keck. „Wir wissen nicht, was das für uns bedeutet.“