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Gesucht wird: Platz in der Herberge

Gemeinsame Aktion von Stadt und Kirche wirbt dafür, Wohnungen günstig zu vermieten

Passend zur Advents- und Weihnachtszeit haben Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Dekanin Renate Kath eine Aktion gestartet, um auf die Wohnungsnot in Kirchheim hinzuweisen. In Anlehnung an die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium heißt die Aktion: „Kein Platz in der Herberge“.

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Dekanin Renate Kath (rechts) machen gemeinsam Werbung für die Aktion „Kein Platz
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker und Dekanin Renate Kath (rechts) machen gemeinsam Werbung für die Aktion „Kein Platz in der Herberge“. Es geht darum, private Mietwohnungen für Flüchtlinge zu finden sowie für Menschen, denen die Obdachlosigkeit droht.Foto: Markus Brändli

Kirchheim. In der Bibel findet sich in Bethlehem wenigstens noch ein Stall. Da aber die Viehhaltung in Mitteleuropa nicht mehr zu den zentralen Erwerbszweigen gehört, geht auch die Zahl der Ställe immer stärker zurück. Ställe sind deshalb auch nicht das, was Oberbürgermeisterin und Dekanin suchen. Vielmehr geht es ihnen um leerstehenden Wohnraum in Kirchheim, der vermietet werden könnte, aber nicht vermietet wird – aus welchen Gründen auch immer.

Zunächst zählt Angelika Matt-Heidecker auf, was die Stadt Kirchheim so alles unternimmt, um der Wohnungsnot Herr werden zu können. Zum einen saniere die Stadt Wohnungen, die sich in ihrem Eigentum befinden. Die Stadt kaufe auch Häuser auf, die ihr angeboten werden, und versuche, möglichst viele Wohnungen „wieder bewohnbar zu machen“. Zum anderen will die Stadt drei Gebäude erstellen lassen, mit jeweils 80 Wohnungen – nachhaltig und dauerhaft: „Was wir nicht wollen, sind Containerlösungen.“

Ende Januar / Anfang Februar beschäftige sich der Gemeinderat noch einmal ausführlich mit diesem Thema. Dann sollen auch die Standorte für die Gebäude öffentlich genannt werden. Zeitgleich sind Informationsveranstaltungen für die Anwohner vorgesehen. Immer nämlich stößt die Oberbürgermeisterin auf sehr unterschiedliche Reaktionen, was das Thema „Flüchtlinge“ betrifft: „Da gibt es eine große Bereitschaft zu helfen. Es gibt aber auch Stimmen von Menschen, die Flüchtlingen gegenüber nicht gerade positiv eingestellt sind. Das hat vielleicht auch mit gewissen Ängsten zu tun.“

Genau solche Ängste zu überwinden, ist Ziel der aktuellen Aktion „Kein Platz in der Herberge“ – wobei das Wort „Kein“ auf Plakaten und Handzetteln eher klein gedruckt ist, wohingegen dem Wort „Platz“ der gebührend große Platz eingeräumt wird. Bei dieser Aktion geht es um einen dritten Weg, wie die Stadt – in diesem Fall gemeinsam mit der Kirche – für mehr Wohnraum sorgen will: „Wir wissen, dass es Wohnungen gibt, die nicht vermietet werden“, sagt Angelika Matt-Heidecker. Sollte der Grund darin bestehen, dass Menschen die Arbeit und den Aufwand scheuen, der mit dem Vermieten verbunden ist, dann bietet die Stadt Kirchheim an, diesen Aufwand weitgehend zu übernehmen.

Sowohl Oberbürgermeisterin als auch Dekanin betonen, dass es dabei nicht nur um Flüchtlinge geht, sondern auch um Menschen, „die schon immer hier wohnen“. Renate Kath: „Für den Handwerker und seine Familie ist bezahlbarer Wohnraum genauso wichtig wie für Flüchtlinge.“ Menschen, die von Obdachlosigkeit bedroht sind, gibt es häufiger, als man gemeinhin denken würde. Beim Bürgersprechtag von Angelika Matt-­Heidecker erscheinen immer wieder Menschen, denen gerade die Wohnung gekündigt wurde und die verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Wohnung sind. Die sagen dann: „Für 400 Euro Warmmiete kriege ich aber nichts.“ Solchen Menschen zu helfen, ist Anliegen der „Herbergs“-Aktion.

Natürlich sind viele davon Flüchtlinge, die anerkannt oder geduldet worden sind. Kirchheim soll 2016/17 für insgesamt 1 000 Menschen Unterkünfte bereitstellen, und zwar für die Anschlussunterbringung, sagt die Oberbürgermeisterin. Bei der Erstunterbringung ist die Stadt Kirchheim mit ihrem Ausländeramt derzeit für 900 Flüchtlinge zuständig – 700 in Kirchheim und weitere 200 in den Nachbarkommunen der Verwaltungsgemeinschaft. Aber diese Zahlen sind nur eine Momentaufnahme. Sie werden bis Jahresende noch gehörig ansteigen.

Nach dem Verteilungsschlüssel im Landkreis Esslingen rechnet Herbert Müller von der Abteilung Soziales in der Kirchheimer Stadtverwaltung vor: „Wenn 2016 rund 10 000 Menschen in den Kreis kommen und für 60 Prozent von ihnen eine Anschlussunterbringung nötig ist, sind das für Kirchheim 560 Personen.“ Hinzu komme, dass es sich bei vier Fünfteln dieser Personen um alleinstehende Männer handelt. Von diesen wiederum bemühe sich mehr als die Hälfte darum, dass auch irgendwann ihre Familie nachziehen könne. Das erfordert also auch von der Stadtverwaltung eine hohe Flexibilität. Sie kann sozusagen auf keine einzige leerstehende Wohnung verzichten.

Info

Wer eine Wohnung zu vermieten hat und dafür die Hilfe der Stadt Kirchheim in Anspruch nehmen möchte, kann sich entweder per E-Mail an die Adresse wohnungsboerse@kirchheim-teck.de bei der Stadtverwaltung melden oder aber sich unter der Telefonnummer 0 70 21/5 02-4 55 an David Lempp wenden, den Leiter des Sachgebiets Gebäudewirtschaft.