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Gottesdienst mal anders

Corona Kirchengemeinden sind derzeit zum Umdenken gezwungen. So stehen in Schweden pünktlich zu Pfingsten Spaziergänge auf dem Programm. Von Judith Reischl

Spaziergänge stehen auf dem Programm. Foto: Judith Reischl
Spaziergänge stehen auf dem Programm. Foto: Judith Reischl

Dass sonntags der Gottesdienst im Radio kommt, kennt man noch von Oma. Heute jedoch können Gläubige die Gottesdienste online streamen, wenn sie nicht die Möglichkeit haben, persönlich zur Kirche zu gehen. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie sind Alternativen zum traditionellen Kirchenbesuch besonders interessant. Es braucht kreative Ideen, die mit dem notwendigen Social Distancing vereinbar sind.

Der Blick nach Schweden, das bekanntlich ohne Lockdown versucht, der Pandemie Einhalt zu gebieten, zeigt kreative Ideen. Die protestantische Kirchengemeinde Lugnås-Ullervad der schwedischen Kirche Svenska Kyrka beispielsweise hat die Gottesdienste schon seit Monaten komplett eingestellt - Ausnahmen sind Taufen, Trauungen und Beerdigungen. Pas­torin Karin Sterzel sieht es als die größte Herausforderung für sich selbst und ihre tägliche Arbeit, dass ihr ganzer Arbeitsalltag von einem Tag auf den anderen einfach verschwunden ist. Eine Erfahrung, die sie mit vielen anderen Menschen teilt, deren Alltag sich durch Corona komplett verändert hat.

Doch treu dem Motto „Wir stellen um, nicht ein“ hat die Kirchengemeinde eine Alternative zum Gottesdienst in der Kirche gefunden: Jeden Donnerstag gibt es einen neuen Gottesdienst-Spaziergang auf der Joggingstrecke rund um die Sportplätze des Dorfes. Der Rundweg ist etwa zwei Kilometer lang, gut zugänglich und geeignet für Kinderwägen und Rollstühle. Dort finden sich zehn Tafeln, die mit einer Predigt, Bibeltexten, Psalmen und Gebeten bestückt werden. Gleich am ersten Halteplatz kann man sich mit der Scanfunktion der Spotify-App die aktuelle Liederspielliste des Gottesdienstes herunterladen. Die Kinder haben die Möglichkeit, einen eigenen „Engel-Spaziergang“ zu machen, und sich mit Bleistift und Zettel in der Hand kniffligen Quiz-Fragen zu stellen.

So können sich die Eltern in Ruhe mit der Predigt und den aktuellen Bibeltexten befassen. Diese Umsetzung ermöglich es rüs­tigen Gemeindemitgliedern, den sonntäglichen Kirchenbesuch alternativ zu erleben.

Helfen macht glücklich

Pastorin Karin Sterzel ist es jedoch wichtig, selbst die Hoffnung nicht aufzugeben und auch Hoffnung weiterzutragen. So geben die Kirchenmusiker und sie im Außengelände von Altenheimen Konzerte, sie hilft zudem älteren Gemeindemitgliedern ganz konkret: kauft für sie ein, geht zur Post und vieles mehr. „Hier helfen zu können, macht mich besonders glücklich“, erzählt Sterzel. Den persönlichen Kontakt, der vor Corona oft eher zu kurz kam, empfindet sie als besonders wertvoll. „Ich habe sicherlich schon fünf Kilo zugenommen von den vielen Einladungen zu Kaffee und Kuchen“, schmunzelt die Pastorin.

Als besondere Einsicht, da ist sich Karin Sterzel sicher, wird uns dies auch nach Corona bleiben: „Wir Menschen haben erkannt, dass wir einander brauchen, dass die Gemeinschaft und das Miteinander wichtiger ist als alles andere“ („Ensam är vi aldrig stark, men tillsammans skall vi övervinna även detta“).

Pastorin Karin Sterzel (sitzend) beim Konzert vor einem Altersheim.
Pastorin Karin Sterzel (sitzend) beim Konzert vor einem Altersheim. Foto: Judith Reischl