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„Hab’ mich gefühlt wie ein Aussätziger“

Corona Noch Wochen nach seiner Covid-19-Infektion kämpft der Kirchheimer Melvin Mendritzki gegen Atemnot und Geschmacksverlust. Von Nicole Mohn

Der 28-jährige Melvin Mendritzki hat die Covid-19-Infektion überstanden, fühlt sich aber noch lange nicht so leistungsfähig wie
Der 28-jährige Melvin Mendritzki hat die Covid-19-Infektion überstanden, fühlt sich aber noch lange nicht so leistungsfähig wie vor der Krankheit. Foto: Nicole Mohn

Kurz mal durchschnaufen“, sagt der 28-Jährige. Die paar Meter runter an die Steinach haben Melvin Mendritzki aus der Puste gebracht. „Reden und gleichzeitig laufen macht mir immer noch Probleme.“ Wandern gehen, in den Bergen herumkraxeln - derzeit für den aktiven jungen Mann nur sehr eingeschränkt möglich. Die paar Tage Urlaub im Allgäu, die er gerade gemacht hat, konnte er deshalb nicht ganz so genießen wie früher. „Beim Wandern kann ich sonst gut abschalten“, erzählt er. Dieses Mal war eher Schonprogramm angesagt: „Das hat mich schon traurig gemacht“, gibt er zu.

Dabei liegt seine Corona-Erkrankung Wochen zurück. Mitten in der ersten großen Welle hat es ihn erwischt. Im Rahmen seiner Arbeit als Pfleger. Am 23. März lässt er sich testen, einen Tag später wird aus dem Verdacht Gewissheit.

Dabei hat er schon Tage vorher seinen Geruchs- und Geschmackssinn verloren, erinnert er sich. Dass dies erste Symptome für die Ausbreitung des Virus im Körper sind, wusste zu der Zeit niemand so recht. Erst die Studie von Heinsberg deckte auf, dass es zu den Anzeichen einer Infektion gezählt werden kann.

Nach der Diagnose sei für ihn eine kleine Welt zusammengebrochen, gibt der junge Mann zu. Aus dem Klinikalltag weiß der Kirchheimer genau, was mit einer Covid-19-Infektion passieren kann. Und wie schnell es gehen kann.

Körperlich geht es ihm schnell schlechter: Hohes Fieber setzt ein, Mendritzki fühlt sich matt und abgeschlagen. Eine Woche lang liegt er nur im Bett. Er spürt einen gro­ßen Druck auf der Brust, ein Brennen, bekommt schlecht Luft. Allein der Weg ins Bad sei schon ein Kraftakt gewesen. Der Puls fliegt, auch heute noch ist die Frequenz hoch: „Ich hatte das Gefühl, ständig unter Strom zu stehen“, berichtet der 28-Jährige.

Die körperlichen Symptome sind das eine, das andere ist die Psyche. Die Einsamkeit und die Ungewissheit haben ihm zugesetzt, meint Mendritzki, der sich ehrenamtlich unter anderem für das DRK engagiert. Familie und Freunde versorgen ihn in der Quarantäne, stellen die Lebensmittel vor die Tür und klopfen. „Ich habe mich gefühlt wie ein Aussätziger“, erzählt er.

Hoher Puls belastet

In der Quarantäne wird ihm bewusst, wie wichtig es ist, sich für seine Lieben und die Freunde Zeit zu nehmen. Berührt hat ihn, wie viele angerufen haben, um sich nach ihm zu erkundigen. Ihn haben spüren lassen, dass man an ihn denkt. Ohnehin hat er viel tele­foniert in den Quarantäne-Wochen. Die Behörde wollte ständig auf dem Laufenden gehalten werden. „Ich musste zweimal am Tag Fieber messen und meine Symp­tome beschreiben“, berichtet er. Ein Corona-Tagebuch hat er führen müssen, in dem alles dokumentiert wurde.

Der erste Test nach zwei Wochen Isolation war noch mal positiv, deshalb brummt der Kirchheimer eine zusätzliche Woche in Quarantäne. Erst nach zwei negativen Abstrichen darf er wieder unter Menschen. Insgesamt sechs Wochen ist Mendritzki schließlich krankgeschrieben, ganz gesund aber fühlt er sich noch immer nicht.

Auch jetzt, Wochen nach der akuten Phase, spürt Mendritzki die Auswirkungen der Erkrankung. Der 28-Jährige ermüdet schneller: „Ich kann nicht mehr den ganzen Tag Programm machen“, meint er. Ab und zu brauche er ein, zwei tiefe Atemzüge, um alles wieder richtig zu belüften. Dazu belastet ihn die anhaltend hohe Pulsfrequenz. Auch der Geschmacks- und Geruchssinn ist noch nicht wieder gänzlich zurückgekehrt. Er schmecke kein Salz, berichtet er. Ähnlich sieht es bei bestimmten Geruchsstoffen aus: Intensive Gerüche wie Lavendel oder Bärlauch nehme er derzeit einfach nicht wahr, sagt er.

Was an Spätfolgen bleiben wird, das weiß zurzeit niemand. Was für Schäden der Virus insbesondere in der Lunge angerichtet hat, das soll in Kürze pulmologisch abgeklärt werden, berichtet der Rekonvaleszent. Als Mitarbeiter in einem medizinischen Beruf weiß er zudem: Corona hat nicht nur seine Lunge befallen, der Virus setzt sich überall im Körper fest. So warnen Experten unter anderem bereits davor, dass eine Corona-Erkrankung das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall erhöht - selbst bei einem milden Verlauf. Auch neurologische Schäden sind nach der Infektion mit Covid-19 nachgewiesen worden. „Manchmal denke ich: Hey, was hast Du Dir da eingefangen“, schüttelt Mendritzki den Kopf.

Dass manche Mitmenschen inzwischen sehr lax mit Abstandsregeln oder dem Maske-Tragen umgehen, kann er deshalb nicht verstehen. Auch wenn das aktuelle Infektionsgeschehen abgeflaut sei: „Corona ist nicht weg“, warnt er. Er appelliert, sich an die Hygieneregeln und den Abstand zu halten, um sich und andere bestmöglich zu schützen. An Corona zu erkranken, das sei keine Lappalie: „Ich wünsche es wirklich niemandem.“