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„Hautfarbe sollte keine Rolle spielen“

Interview Seit dem Tod des schwarzen Amerikaners George Floyd gibt es auch in Deutschland eine Debatte über Rassismus. Der Dettinger Dän Klein berichtet über Vorurteile in seinem Alltag. Von Antje Dörr

Dän Klein im Gespräch. Fotos: Carsten Riedl
Dän Klein im Gespräch. Fotos: Carsten Riedl
Der Teppich ist ein Geschenk der indischen Partnergemeinde, den die Dettinger Konfirmanden bei ihrem Unterricht im Gemeindesaal
Der Teppich ist ein Geschenk der indischen Partnergemeinde, den die Dettinger Konfirmanden bei ihrem Unterricht im Gemeindesaal im Blick haben, und der das Kastensystem in Indien in den Blick nimmt. Die Botschaft: Gott schließt niemanden aus. „Das Kastensystem ist schlimm, und auch eine Form von Rassismus“, sagt Dän Klein.

Dän Klein ist vieles: Unternehmer, Grillmeister, Jugendreferent, Tontechniker. Er ist Ehemann, Vater, Christ. Und er ist schwarz. Warum seine Hautfarbe immer noch eine Rolle spielt, wieso viele Menschen im Umgang mit ihm unsicher sind, und wie sein Glaube ihm hilft, mit all dem umzugehen, darüber hat der Teckbote mit Dän Klein gesprochen.

Herr Klein, Sie stammen aus Sri Lanka, sind in Deutschland aufgewachsen, haben einen deutschen Pass. Was erleben Sie in Ihrem Alltag?

Dän Klein: Dass ich einen deutschen Pass habe, oder dass ich schwäbisch schwätze, registrieren die Leute erst, wenn ich den Mund aufmache. In der Zeit, in der viele Flüchtlinge nach Deutschland kamen, ist es mir passiert, dass Menschen mich für einen Flüchtling gehalten haben und sehr langsam und deutlich mit mir gesprochen haben. Manche waren unsicher und vorsichtig, hatten vielleicht auch Angst. Wenn ich den Mund aufgemacht habe, waren sie dann ganz irritiert, dass ich schwäbisch spreche. Manche geben ihrer Verunsicherung Ausdruck, sagen, dass es ihnen unangenehm ist, mich vorverurteilt zu haben. Aber all das zeigt: Im ersten Moment sehen sie nur das Äußere.

Die Unsicherheit, die viele Menschen empfinden, wenn sie mit jemandem sprechen, der nicht weiß ist, geht ja noch weiter. Zum Beispiel wissen viele nicht, ob sie jemanden „schwarz“ nennen dürfen. Momentan ist der englische Begriff „people of color“ im Umlauf. Sie zucken mit den Schultern?

Klein (lacht): Keine Ahnung. Ich habe kein Problem damit, wenn jemand sagt, der ist schwarz oder dunkelhäutig. Ich habe ein Problem mit „Neger“, weil das ein negativer Ausdruck ist, oder „Mohr“.

Aber sagt das noch jemand?

Ist mir schon passiert, dass jemand gesagt hat „Der Mohr da drüben“. Das kommt schon vor. Aber es ist selten. Sehr selten. Neger ist ein Schimpfwort, mit „Schwarzer“ kann ich mich arrangieren.

Obwohl Sie ja gar nicht aus Afrika kommen?

Die Leute scheren das über einen Kamm. Andererseits: Wenn jemand versucht, alles ganz politisch korrekt zu sagen, verheddert er sich am Ende auch.

Sie arbeiten für die Dettinger Kirchengemeinde als Jugendreferent. Sprechen Sie mit Ihren Jugendlichen über Rassismus?

Es ist selten ein offensichtliches Thema, aber es spielt häufig eine Rolle, wenn ich mit den Jugendlichen im Einzelgespräch bin.

Inwiefern?

Sie stellen Fragen zu meiner Herkunft. Oder fragen, ob ich schon mal was Blödes erlebt habe. In der Gruppe spreche ich immer dann darüber, wenn einer von den Jugendlichen einen dummen Spruch macht. Oder wenn es um Themen geht wie: „Wie gehen wir miteinander um?“ oder „Wie geht Gott mit uns um?“ Ich mache es lieber an mir fest als an Personen wie George Floyd, denn die USA sind für die Jugendlichen weit weg.

Haben Sie schon erlebt, dass Ihnen aufgrund Ihrer Hautfarbe Chancen verwehrt worden sind?

Nein. Aber es ist mir schon passiert, dass ich in einem Laden nicht bedient wurde. Oder dass Menschen die Straßenseite gewechselt haben. Dass Leute sich abfällig geäußert haben über meine Hautfarbe. Dass Menschen sich in der Schlange vorgedrängelt haben. Als ich mich beschwert habe, hieß es: „Aber ich habe hier Vorrang, ich bin weiß.“ Das sind schon Momente, in denen man kurz schlucken muss. Aber es bringt nichts, einen Aufstand zu machen, weil die Kassiererin es zwar gesehen, aber ignoriert hat. Was hilft, ist so damit umzugehen, dass es einem selbst nicht schadet.

Wie schafft man das?

Das lernt man mit der Zeit. Und man muss das Problem an der Wurzel anpacken. Den heutigen Jugendlichen sagen, dass so etwas nicht geht. Dass solch ein Verhalten verletzend ist. Dass man nichts getan hat, um eine solche Behandlung zu verdienen. Oder anders gesagt: Meine Hautfarbe ist genauso wertvoll wie die von anderen Leuten.

Beziehungsweise sollte keine Rolle spielen?

Ja, genau. Und wenn ich es über den Glauben ausdrücke: Der Mensch sieht, was außen ist. Gott aber sieht das Herz. Wir Menschen schauen zu schnell auf das, was außen ist.

Sie haben kürzlich für einen Podcast ein Interview gegeben mit dem Titel: „Wer ist der Ladendetektiv?“. Was hatte es damit auf sich?

Wenn ich in einen Laden gehe, merke ich meist sofort, dass jemand einen besonderen Blick auf mich hat. Als junges Paar haben meine Freundin, meine heutige Frau, und ich uns einen Spaß daraus gemacht, dass sie mich fragte: „Wer ist der Ladendetektiv?“ Denn der fiel mir immer sofort auf, weil er hinter mir her schlich. Aber wahrscheinlich bin ich für so etwas auch einfach sensibilisiert. Wenn ich durch die Fußgängerzone laufe und die Blicke auffange, merke ich auch sofort: Das ist ein normaler Blick, ein freundlicher oder ein aggressiver. Dann weiß ich, dass ich zu diesem Menschen besser nicht hingehen sollte. Das ist eine Sensibilität, die ich aber jedem zuschreiben würde, der irgendeine Besonderheit hat. Auch ein Mensch mit einer auffälligen Behinderung spürt sicher die Blicke auf sich.

Sie sagen, dass man lernt, mit so etwas umzugehen. Aber wie kann man damit leben, dass die eigenen Kinder möglicherweise nur aufgrund einer Äußerlichkeit abgelehnt werden?

Meine Kinder sind nicht ganz so dunkel wie ich, deshalb bin ich da etwas entspannter. Aber natürlich haben sie dunklere Haut als andere. Ich versuche meine Kinder stark zu machen, ihnen zu zeigen, dass sie geliebt sind und toll sind, so wie sie sind. Und ich werde dann, wenn es passt, mit ihnen sprechen und ihnen erzählen, was ich selbst erlebt habe und wie ich gelernt habe, damit umzugehen.

Was muss passieren, damit Menschen, die nicht weiß sind, nicht mehr diskriminiert werden? Was könnte jeder dazu beitragen?

Jeder könnte sich überlegen, wie es ihm selbst ergehen würde, wenn er abfällig auf sein Äußeres oder seine Herkunft angesprochen werden würde. Mir ist es aus meinem Glauben heraus wichtig, andere Menschen liebevoll anzuschauen. Das ist vielleicht auch der Grund, warum ich eine solche Toleranz habe. Ich kann mit Anfeindungen besser umgehen, weil ich weiß, dass mein persönlicher Wert nicht von denen kommt. Ich weiß, dass ich geliebt werde. In vielen Situationen, in denen ich sehr zu kämpfen hatte, war mein Glaube mein Anker.

Info Der Podcast, der im Interview erwähnt wird, trägt den Titel „The Preacher and the Teacher“. Zu hören gibt es ihn beispielsweise bei Spotify, und überall, wo es Podcasts gibt.