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Hier soll einem ein Licht aufgehen

Kunst Andreas Schneider stellt ab dem morgigen Sonntag in der Städtischen Galerie im Kornhaus Werke unter dem Titel „Überkandidelt“ aus. Von Gabriele Böhm

Andreas Schneider musste beim Aufbau seines „gebrochenen“ Strommastens Kreativität zeigen, um die räumlichen Gegebenheiten ins r
Andreas Schneider musste beim Aufbau seines „gebrochenen“ Strommastens Kreativität zeigen, um die räumlichen Gegebenheiten ins rechte Licht zu setzen. Foto: Gabriele Böhm

Der Künstler Andreas Schneider zeigt sich nachdenklich: „Wir sind vom Strom abhängig. Das merkt man vor allem dann, wenn er einmal ausfällt“, sagt er. Dabei wirke die Existenz von jederzeit verfügbarer Energie selbstverständlich. Die Kabel seien unsichtbar unterirdisch verlegt, kaum jemand mache sich Gedanken darüber. Um auch vor dem Hintergrund des globalen Klimawandels die Bedeutung von Strom wieder ins Bewusstsein zu rufen, zeigt der Künstler aus Basel in der Städtischen Galerie im Kornhaus in seiner Ausstellung „Überkandidelt“ zwei Objekte voller Gegensätze. Die Vernissage findet am morgigen Sonntag um 17 Uhr statt. Die Ausstellung endet am Sonntag, 26. Januar.

Schneider wurde 1969 in Basel geboren und absolvierte eine Lehre als Hochbauzeichner. Ab 1990 widmete er sich der Gestaltung, Entwicklung und Umsetzung von Möbeldesign. Seit 2005 ist er als Bildender Künstler tätig. 2017 stellte er in der Ile Saint-Louis in Paris unter dem Titel „Aux Lumières de la Mouche“ aus, 2019 im Salon Mondial Basel mit „Lost in Control“ sowie im Jugend-Kunst-Architektur-Projekt der Kunststiftung Erich Hauser Rottweil.

„Ich habe Andreas Schneider eingeladen, bei uns auszustellen, weil ich wusste, dass er mit seinen Arbeiten auf den Ort reagiert“, berichtet Kuratorin und Kunstbeirätin Dr. Heiderose Langer, die bei der Vernissage auch den Einführungsvortrag halten wird. Die Galerie stehe kurz vor einer umfassenden Sanierung und Entkernung ab Sommer 2020. „Es gibt noch drei weitere Ausstellungen, dann wird das Haus für mindestens vier Jahre geschlossen“, so Kunstbeirätin Hannelore Weitbrecht.

Das Renovierungsgeschehen warf sozusagen seine Schatten voraus und beeinflusste bereits Schneiders Ausstellung. Genau in der Raummitte musste die Stadt mit deutlich sichtbaren Metallstangen einen maroden Holzbalken des historischen Gebäudes abstützen. Sie werden durch eine Holzkonstruktion abgefangen, deren rohes, helles Holz Andreas Schneider kurzerhand selbst mit dem Pinsel verdunkelte und damit dem Raumambiente anglich. Die Stützen sorgen für eine neue Raumaufteilung, durch die die beiden ausgestellten Kunstobjekte einen weitaus größeren Abstand voneinander bekommen mussten, als vorgesehen. „Doch das ist gar nicht mal so schlecht“, meint Schneider. Denn dadurch werde die Polarität der Objekte stärker betont.

Stromverbrauch verdeutlichen

Auf der einen Seite ist in drei Teilen ein „gebrochener“ Strommast aufgebaut, dessen LED-Lichtleis­ten flackern, Beachtung einfordern und das Fließen des Stroms verdeutlichen. „Man denkt, dass das viel Strom benötigt, doch die Installation braucht weniger als eine Herdplatte“, erläutert der Künstler. Wiederum gehe es um Bewusstmachung des Verbraucherverhaltens. Mit seiner Größe und hektischen Wirkung entspreche das Objekt dem Ausstellungstitel „Überkandidelt“. Vom Mast laufen 110 Kabel zu einer Zitronenform aus Holz, die die Energiequelle beinhaltet. „Die Frucht steht für unsere Umwelt, der wir Energie entnehmen“, erläutert der Künstler. Der Strommast selbst mit seinen drei Teilen erscheint wie mit brachialer Gewalt in den Raum gedrückt. Damit fügte Schneider dem Werk eine weitere Form der Energie hinzu.

Auf der anderen Seite des Saals macht sich Humor breit. Wie in einer Spielerei winden sich drei Meter lange Isolatoren wie Raupen umeinander. Doch die zweiteilige Installation hat auch einen tieferen Sinn. „Isolatoren sitzen an Strommasten und dienen als Befestigung der Drähte“, so Schneider. „Sie sind hart, kalt, unbeweglich und voneinander getrennt.“ Genau deshalb habe er sie einmal in weiche Objekte verwandelt, überdimensioniert, verbunden und mit einem kupferfarbenen Kunststoff überzogen, der an Haut erinnere. „Damit werden die technischen Gegenstände zu sinnlichen Körpern, zu etwas Organischem, das aus sich selbst heraus in der Bewegung Energie erzeugt.“ Schneider gab dem Werk den signifikanten Namen „Die Liebenden“.