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Hilfe für Menschen in einer Lebenskrise

Beratung Der Arbeitskreis Leben zieht in seinem Jahresbericht Bilanz über das vergangene Jahr. Die Anfragen haben sich durch die Pandemie verändert.

Gabriele Alberth während eines Schulpräventionsprojekts: Auch kleine Belastungssteine können das Fass zum Überlaufen bringen.  Foto: pr

Der Arbeitskreis Leben (AKL) Nürtingen-Kirchheim blickt auf das ereignisreiche Jahr 2021 zurück. Ein Jahr, das vielen durch die pandemiebedingten Einschränkungen in Erinnerung bleibt. Auch unter erschwerten Rahmenbedingungen unterstützte der gemeinnützige Verein Hilfesuchende in Krisensituationen durchgängig. Insgesamt wurden fast 800 Beratungs- oder Begleitungsgespräche durch haupt- oder ehrenamtliche Mitarbeitende des AKL geführt.

346 Menschen nahmen vergangenes Jahr Kontakt zum AKL auf, davon mündeten 277 Anfragen in intensiven Beratungs- oder Begleitungsprozessen – ein Rückgang. „Wir bemerken deutliche Veränderungen bei den Anfragen, die uns seit Beginn der Pandemie erreichen“, stellt die Geschäftsführerin Alena Rögele mit Blick auf die Statistiken fest. „Während wir einerseits einen Rückgang der Anfragen verzeichnen, sind andererseits die Belastungen der Menschen, die in die Beratungsstelle kommen, oft spürbar größer.“ Dies erforderte oftmals längere Beratungsprozesse zur Stabilisierung der Betroffenen. Somit sind fast gleich viele Beratungs- oder Begleitungsgespräche geführt worden wie im Vorjahr.

 

Suizide sind bei Menschen zwischen 15 und 29 Jahren die zweithäufigste Todesursache.
Gabriele Alberth, Pädagogin beim AKL

 

Die Wichtigkeit schneller, unbürokratischer und niederschwelliger Unterstützung ist für Betroffene dabei nach wie vor enorm: Fast zwei Drittel befanden sich zum Zeitpunkt der Kontaktaufnahme in einer akuten Krise. Im Vergleich zum Vorjahr ist dieser Anteil erneut angestiegen. Dem AKL war es daher auch 2021 ein Anliegen, durchgängig persönliche Gespräche und zeitnahe Unterstützung zu leisten.

Wichtiger Bestandteil der AKL Krisenhilfe ist dabei auch die Begleitung durch Ehrenamtliche. „Wir sind sehr glücklich, dass trotz der Pandemie ungefähr 15 Krisenbegleiterinnen und -begleiter weiterhin so engagiert ihr Ehrenamt ausüben. Sie ist für Betroffene eine tolle Unterstützungsmöglichkeit, nach der auch immer wieder gezielt gefragt wird“, berichtet AKL-Fachkraft Lilly Weithofer. Um dieser Nachfrage zu begegnen, ist im AKL bereits seit einigen Jahren eine neue Basisgruppe für ehrenamtliche Krisenbegleiterinnen und -begleiter in Planung, die jedoch aufgrund der Pandemie mehrfach verschoben werden musste. 2021 konnte endlich gestartet werden. „Es ist schön, dass wir dieses Angebot in diesem Jahr in einem noch größeren Umfang machen können“, freut sich die Sozialarbeiterin.

Auch im Bereich der Schulpräventionsarbeit plant der AKL für dieses Jahr einen deutlichen Ausbau. Durch Schulschließungen oder eingeschränktem Präsenzunterricht war Präventionsarbeit an Schulen auch 2021 nicht im gewohnten Umfang möglich. Gleichzeitig weisen erste Studien auf eine besondere Belastung von Kindern und Jugendlichen durch die Pandemie hin.

Ein Präventionsprogramm entwickelt

Dies nahm der AKL zum Anlass, seine Suizidpräventionsangebote für Jugendliche weiter auszubauen. Mit dem Präventionsprojekt „War’s das?“ wurde ein umfassendes Projekt für junge Menschen zum Umgang mit Krisen und Suizidalität entwickelt. Beleuchtet werden dabei zum einen Auslöser von Krisen und Suizidgedanken sowie mögliche Warnsignale – und wo man Hilfe und Unterstützung finden kann. „Suizide sind bei jungen Menschen zwischen 15 und 29 Jahren die zweithäufigste Todesursache“, erklärt AKL-Fachkraft Gabriele Alberth. „Umso wichtiger war es für uns, ein Präventionsprojekt spezifisch zu den Themen Suizidalität und Krise zu entwickeln.“

Als Hürde begegnet dem AKL dabei an Schulen oftmals die Tabuisierung des Themas. Immer wieder würden Bedenken geäußert, ob Suizidalität so explizit angesprochen werden sollte. „Wir würden uns hier mehr Offenheit für dieses wichtige Thema wünschen, Tabuisierung verstärkt Probleme und löst sie nicht“, so Gabriele Alberth.

Bei der Finanzierung startet der AKL wieder mit einer großen Finanzierungslücke. Ungefähr 50 Prozent des Haushalts müssen jährlich mit Eigenmitteln gedeckt werden. „In jedem Jahr Eigenmittel in einer solchen Höhe aufbringen zu müssen, ist eine echte Herausforderung. Dass wir dabei immer wieder auf so viele Spenderinnen und Spender bauen können, ist ein großes Privileg“, sagt Alena Rögele. Nur so sei es möglich, dass der AKL Menschen in Krisen diese vielfältigen Unterstützungsangebote machen könne. „Bei all den aktuellen Entwicklungen gehen wir davon aus, dass Krisenhilfe in den kommenden Jahren wichtiger sein wird denn je“, ist Alena Rögele überzeugt. pm

 

Niederschwellige Hilfe des AKL

Der AKL engagiert sich seit 1983 für Menschen in Lebenskrisen und bei Selbsttötungsgefahr, ebenso für Angehörige in Sorge und andere im Umfeld. Ziel ist es, mit den Betroffenen gemeinsam Perspektiven zu entwickeln und ihn oder sie zurück in einen selbstbestimmten Alltag zu begleiten.

Die Angebote umfassen Einzelberatungen, Krisenbegleitung, Fachberatung, Präventionsangebote und den offenen AKL-Treff.

Die Beratungsstellen in Nürtingen und Kirchheim sind als Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen des Landkreises Esslingen anerkannt. Im hauptamtlichen Team sind drei Fachkräfte –Sozialarbeiterin, Pädagogin, Psychologin – sowie eine Verwaltungskraft tätig.

34 Ehrenamtliche unterstützen die Arbeit des AKL auf unterschiedliche Weise. In einer weiteren Basisgruppe für zusätzliche Krisenbegleiterinnen und -begleiter konnten weitere neun Personen für die wichtige Arbeit des AKL gewonnen werden.

Wer sich in einer Krisensituation befindet, Suizidgedanken oder sind in Sorge um eine nahestehende Person ist, der erreicht den Arbeitskreis Leben am Krisentelefon in Kirchheim unter der Nummer 0 70 21/7 50 02, in Nürtingen unter 0 70 22/1 92 98 und in oder im Internet unter www.ak-leben.de. pm