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Hilflos ausgeliefert

Freundin in Kirchheimer Wohnung misshandelt

„Es war keine Vergewaltigung, sondern nur Sex“: Ein 26-jähriger berufsloser Mann aus Kirchheim beteuert vor dem Stuttgarter Landgericht hinsichtlich der Vergewaltigung seiner Freundin in seiner Kirchheimer Wohnung seine Unschuld. Doch die Richter sind skeptisch.

Kirchheim. Die Vorwürfe vor der 17. Großen Strafkammer gegen den Angeklagten sind gewaltig: Neben der Vergewaltigung wird dem 26-Jährigen, gegen den gestern der Prozess begonnen hat, gefährliche Körperverletzung und Freiheitsberaubung vorgeworfen. Nicht nur einmal, sondern mehrere Stunden lang soll er am 9. Oktober letzten Jahres ab etwa 23 Uhr seine damalige Freundin in seiner Wohnung durch Fausthiebe auf den Kopf und den Körper misshandelt haben. Die Frau sei dabei mehrfach zu Boden geworfen worden und sei ihm hilflos ausgeliefert gewesen. Der Angeklagte habe sie daran gehindert, die Wohnung zu verlassen, indem er kurzerhand die Tür abschloss und den Schlüssel versteckte, heißt es in der Anklageschrift.

Damit jedoch nicht genug: Er habe die Freundin an den Haaren zurück in das Zimmer gezogen, als sie flüchten wollte. Danach soll er sie laut Anklage in der Tatnacht mehrfach auf den Boden geworfen und ihr Fußtritte verabreicht haben. Zuletzt habe er sie dann auf das Bett geworfen und sie auf besonders erniedrigende Weise vergewaltigt, obwohl die Frau ihn gebeten habe, damit aufzuhören. Nach den späteren ärztlichen Feststellungen wurde das Opfer am ganzen Körper verletzt, mit zahlreichen Hämatomen im Gesicht und den Armen.

Der Angeklagte selbst beteuert, er habe die Frau nicht vergewaltigt. Das sei nur Sex gewesen. Dieser Punkt der Anklage sei ein Witz. Im Übrigen könne er sich infolge reichlichen Alkoholkonsums an die nächtlichen Vorfälle nicht mehr erinnern. Dass er sie aber zu Boden geworfen und misshandelt hatte, das gab er vor den Richtern der 17. Kammer an diesem ersten Prozesstag zu. Gleichzeitig erfuhren die Richter auch, dass sich das Paar bereits wieder versöhnt habe. „Sie sagte zu mir, sie habe mich angezeigt“, so der Angeklagte. Eine Anzeigenrücknahme, wie sie das Opfer offensichtlich angestrengt hat, war aber nicht mehr möglich.

Der 26-Jährige ist der Justiz und vor allem der Kirchheimer Polizei nicht unbekannt. Er selbst gab an, dass die Polizei nahezu täglich wegen Streit und Handgreiflichkeiten gerufen werden musste. Die Freundin sei „kräftig“, habe ihn sogar schon geschlagen. Einmal habe sie mit einer abgebrochenen Flasche auf seine Brust gezielt, ihn aber verfehlt. Einmal habe die Polizei nach einer Schlägerei sogar die Frau als Beschuldigte verhaftet. Als sie in der Tatnacht wieder im Streit plötzlich einen Aschenbecher in einen Korb warf, in dem der Angeklagte Erinnerungsstücke seiner verstorbenen Mutter aufbewahrte, da sei er ausgerastet und habe zugeschlagen. Den Korb habe er in Gedenken an seine Mutter aufbewahrt. Nach der nächtlichen Schlägerei sei sie plötzlich verschwunden und erst wieder zwei Monate später bei ihm aufgetaucht. Bis er festgenommen wurde, habe man wieder zusammengelebt – und sich gestritten.

In dem Verfahren vor der 17. Strafkammer wird vor allem die Drogen- und Alkoholsucht des Angeklagten eine wichtige Rolle spielen. Er selbst gab an, er habe am Tag vor dem Geschehen Schnaps und Bier getrunken. Die Staatsanwältin geht davon aus, dass die Taten im Zustand einer alkoholischen Beeinträchtigung verübt wurden. Rauschgift und weitere verbotene Substanzen nehme er regelmäßig, sagte der 26-Jährige, der keiner Beschäftigung nachgeht. Auf die richterliche Frage, wie er das finanziere, wies er auf Freunde hin, die ihm helfen.

Das Gericht hat zunächst neun Zeugen und einen psychiatrischen Gutachter aufgeboten, um die Tathintergründe und vor allem den psychischen Zustand des Angeklagten und des Opfers zur Tatzeit zu ermitteln. Ein Urteil ist für den 30. Juni angesetzt.