Weilheim · Lenningen · Umland

Historische Bilder: Glück mit Glas

Beim Abriss von Otto Hofmanns einstigem Wohnhaus sind Kisten mit alten Negativen aufgetaucht

Einen ganz besonderen Schatz hat Rainer Laskowski für die Stadt Kirchheim gerettet. Obwohl er keinen großen materiellen Wert hat, kann der ideelle Wert nicht hoch genug eingeschätzt werden: Der frühere Museumsleiter bezeichnet die 600 bis 700 belichteten Glasplatten als einen Teil des „bürgerlichen Fotoarchivs der Stadt Kirchheim aus der Zeit um 1900“.

*
*

Kirchheim. Das Kirchheimer Foto-Atelier Hofmann ist bereits durch seinen zweiten Umzug gerettet worden: Ursprünglich, so berichtet Rainer Laskowski, stand es am Rossmarkt in der Alleenstraße, beim jüngst abgerissenen „Stadelmayer-Haus“. Später zog Otto Hofmann mit dem Atelier in die Jesinger Straße um, wo das Gebäude nach dem Tod des Eigentümers allmählich verfiel. 1995 wurde das Atelier schließlich eingelagert, bis es 2002 im Beurener Freilichtmuseum wieder „auferstehen“ konnte.

Was aber fehlte, waren die Negative Otto Hofmanns – eben die Glasplatten, die nun im Keller des Wohnhauses in der Jesinger Straße gefunden wurden. In diesem Fall war der Abriss des Gebäudes der Glücksfall, der zum Plattenfund führte. In Gesprächen mit Otto Hofmanns Tochter Anna hatte Rainer Laskowski vor 30 Jahren immer nur gehört, dass die Platten abgewaschen und als Baumaterial verwendet worden seien. Glas war nach dem Krieg sehr begehrt.

Umso größer ist nun Rainer Laskowskis Glück: Zum einen, weil die vier großen Holzkisten – und später noch eine kleinere – überhaupt wieder aufgetaucht sind, voll mit Glasplatten, und zum anderen, weil ihn der Hauseigentümer sehr unterstützt hat, die Negative für die Stadt Kirchheim in Sicherheit zu bringen. Sie lagern mittlerweile im Stadtarchiv, das bessere klimatische Bedingungen zu bieten hat als das Museum.

Die Glasplatten sind teilweise beschädigt. Manche sind zerbrochen.Andere weisen Wasserschäden auf oder Flecken, die auf Malerarbeiten im Keller schließen lassen, bei denen sie wohl nicht aus dem Weg geräumt worden waren. Einige Platten sind auch „aneinandergebacken“. Eine wichtige Aufgabe wäre deshalb die sorgfältige Reinigung der Negative. Aber dafür fehle es derzeit wohl am Personal, genau wie für den zweiten Schritt: eine Inventarisierung mit dem Ziel, möglichst viel über die abgebildeten Personen in Erfahrung bringen zu können.

Immerhin rechnet Rainer Las­kowski damit, dass sich die Positive, also die Abzüge der Bilder, in etlichen privaten Familienalben erhalten haben. Vielleicht lagern sie auch gerahmt und hinter Glas in irgendwelchen Kisten in anderen Kellern der Stadt, wenn nicht sogar der Umlandgemeinden. Zu den bis heute berühmten Fotos aus dem Atelier Hofmann zählen diejenigen, die Hermann Hesses Freundeskreis im Sommer 1899 von sich hatte machen lassen. Ein leises Fünkchen Hoffnung hat Rainer Laskowski in diesem Fall, was die Negative betrifft: „Wer weiß, vielleicht stecken da auch noch die Originale der Hesse-Fotos drin.“ Das wäre dann in der Tat eine kleine Sensation: Platten mit Fotos aus der Jugendzeit eines Nobelpreisträgers.

Was Rainer Laskowski besonders fasziniert, sind die Tricks, mit denen Otto Hofmann einst gearbeitet hat, lange vor Fotoshop und sonstigen Möglichkeiten der digitalen Bildbearbeitung. So gibt es eine Glasplatte, auf der der Fotograf der abgebildeten Dame zu schlankeren Hüften verholfen hat: durch Retuschieren mit roter Farbe. Außerdem präsentiert Las­kowski Abzüge eines Familienporträts – Mutter mit drei Kindern – und eines Fotos, das den Vater zeigt. Karl Heinrich Graner war keine drei Jahre verheiratet, als er am 28. August 1914 im Ersten Weltkrieg fiel. Sein Gesicht ist gleichwohl nachträglich in ein komplettes Familienporträt eingefügt worden. Ein anderer Mann hatte sich als „Platzhalter“ in Uniform hinter der Familie aufgestellt.

Otto Hofmann selbst hatte den Ersten Weltkrieg zwar überlebt. Danach war er aber finanziell erst einmal ruiniert. „Er hatte sein ganzes Vermögen in Kriegsanleihen gesteckt, die hinterher nichts mehr wert waren“, berichtet Rainer Laskowski. Deshalb habe er sich in den 20er-Jahren nicht wie geplant zur Ruhe setzen können, sondern weiterarbeiten müssen. „Aber die hohe Zeit der Atelier-Fotografie war da schon vorbei“, resümiert der frühere Museumsleiter.

Info

Wer Fotos aus dem Atelier Hofmann besitzt – seien es Bilder von Einzelpersonen, von Brautpaaren, Familien, von Vereinen oder sonstigen Gruppen –, kann sich per E-Mail melden. Mögliche Adressen dafür sind rainer.laskowski @t-online.de oder auch archiv@kirchheim-teck.de. Ein abfotografiertes oder eingescanntes Bild mit Beschreibung von Personen und deren Namen kann für eine spätere Archivierung der Glasplatten sehr wichtig sein.