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„Ich bin ein musikalischer Grenzgänger“

Porträt Der Kirchenmusiker Urs Bicheler von der Wendlinger Kirchengemeinde setzt sich gerne mit moderner Musik auseinander. Aktuell plant er ein „Popband-Musikerteam-Projekt“ für junge Wendlinger. Von Rainer Kellmayer

Für Urs Bicheler hat die Musik keine stilistischen Grenzen. Der Wendlinger Kirchenmusiker schätzt die ganze Bandbreite des schier unendlichen Kosmos der Töne: Er mag Bach und Mendelssohn ebenso wie Kirchenlieder in modernem Klanggewand oder aktuelle Popsongs. Die Wurzeln reichen zurück bis in die Schulzeit. Damals kam der in Kernen-Rommelshausen aufgewachsene Bicheler, der heute mit seiner Familie in Waiblingen lebt, über einen Religionslehrer in Kontakt mit populärer Musik: „Mit unserer Jugendband spielten wir immer wieder in Gottesdiensten“. Zudem sei er im Musikverein seiner Heimatgemeinde aktiv gewesen - als Keyboarder und vier Jahre lang auch als Dirigent des Jugendorchesters. „Für mich war es eine lehrreiche Zeit“, erinnert sich Bicheler.

Zukunftsorientierte Ausbildung

In der Blasmusik habe er eine breite musikalische Palette kennengelernt und sich mit den stilistischen Besonderheiten von Rock, Pop und Latin auseinandergesetzt. In den fünf Jahren seit dem Amtsantritt als Nachfolger des langjährigen Kantors Walter Schimpf hat der 33-Jährige in der Wendlinger Kirchengemeinde viel bewegt. Neben der Kantorei, mit der er bedeutende Werke der Sakralmusik aufführt, betreut er drei Jugendchöre unterschiedlicher Altersstufen und einen Pop-Gospel-Projektchor. Dessen Repertoire umfasst neue geistliche Lieder, aber auch traditionelle Gospels und zeitgenössische englischsprachige Musik. „Ich bin ein musikalischer Grenzgänger und nutze die integrative Kraft der Musik“, sagt der Musiker. Für den Kantor ist die Kirchenmusik ein Medium zur Vermittlung des christlichen Glaubens: „Ich will für die Musik und ihre Inhalte begeistern.“ Dabei sei es wichtig, authentisch zu bleiben.

Die vielfältigen musikalischen Erfahrungen der Jugendzeit vertiefte Urs Bicheler im Studium an der Tübinger Hochschule für Evangelische Kirchenmusik. Doch zunächst stand der Zivildienst an. Diesen leistete er nach dem Abitur im Rettungsdienst - eine für den jungen Mann prägende Zeit, die weiterwirkte: Noch heute ist er in der Freizeit als Rettungssanitäter unterwegs. Das kirchenmusikalische Studium eröffnete Bicheler ein weites Spektrum. Zunächst legte er die B-Prüfung ab, setzte dann die A-Prüfung darauf, die heute einem Master-Studiengang entspricht. Erweitert hat er die klassische Ausbildung durch den Studienschwerpunkt Popularmusik - nicht nur seinen persönlichen Neigungen entsprechend, sondern auch zukunftsorientiert: Die Auseinandersetzung mit zeitaktuellen Klängen wird in der Kirchenmusik immer wichtiger. Bichelers Expertise und Erfahrung führte zur Berufung als Dozent für Popularmusik in der Evangelischen Landeskirche Württemberg. Ein weiterer Mosaikstein in Bichelers Arbeitsfeld ist die Aufgabe eines Orgelsachverständigen, zu dem er 2016 nach Praktika bei Orgelbaufirmen bestellt wurde: „Es ist eine sehr interessante und abwechslungsreiche Tätigkeit.“ Er berate Kirchengemeinden bei Neubauten von Orgeln sowie deren Pflege und erstelle Expertisen zu Orgelrestaurierungen.

Dennoch steht die Praxis der musikalischen Arbeit im Zentrum des Kantors, der nicht nur Tasteninstrumente beherrscht, sondern auch auf E-Bass, Schlagzeug und Posaune für den guten Ton sorgt. Auch Bicheler zwang Corona, neue Wege zu gehen: „Die gewaltige Herausforderung beflügelt die Kreativität.“ Er produziere Musik für die „Online-Gute-Geister-Gottesdienste“. Oder er sorge mit singenden kleinen Chorgruppen in Wendlingen für die musikalische Bereicherung der Präsenz-Gottesdienste. Und bereits jetzt plant er für die Zeit nach Corona. „Ich möchte ein „Popband-Musikteam-Projekt“ mit Musikerinnen und Musikern der Region rund um Wendlingen starten.“