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„Ich habe den Kampf gegen die Sucht jeden Tag verloren“

Rettung Jahrelang war der Alkohol stärker als Thomas Kromer. Dann fand er einen Weg aus der Sucht in ein normales Leben. Seit 26 Jahren arbeitet er als betrieblicher Suchthelfer. Von Brigitte Scheiffele

Ich habe zwei Tage lang durchgesoffen, dann das Auto aufs Dach gelegt und bin kerzengerade heimgelaufen. Ich fühlte mich gut, dabei hatte ich 3,2 Promille“, erinnert sich Thomas Kromer. „Da dachte ich mir: Da stimmt was nicht. Jetzt muss ich was machen.“ Der Führerscheinverlust

 

Vertrauen entsteht dadurch,
dass derjenige kommt,
der Hilfe braucht.
Thomas Kromer erläutert das Prinzip der Suchthilfe,
da zu sein, wenn man gebraucht wird.

 

im Jahr 1994 wird zum Schlüsselerlebnis und bringt die Wende in seinem Leben. Schon in den Jahren davor war er sich darüber im Klaren, dass er weniger trinken sollte. Doch die Sucht erwies sich als stärker. „Der Kampf ging morgens los, und ich habe ihn jeden Tag verloren“, sagt er.

1966 wird der heute im Umfeld von Nürtingen lebende Industriemechaniker geboren. Thomas Kromer ist das behütete Nesthäkchen der Familie, wächst in liebevoller Umgebung auf und macht keinerlei Gewalterfahrung. Im Fußballverein trinken alle, also auch er. Daheim, bei den Eltern, wird nur wenig Alkohol konsumiert. Irgendwann spürt er, dass ihn der Alkohol bestärkt, ihm die Schüchternheit nimmt, ihn beschwingt und enthemmt. „Das hat mich frei und gesprächiger gemacht“, berichtet er.

Heute glaubt er, dass er Alkohol mehr oder weniger bewusst eingesetzt hat, um lockerer zu werden. Hauptsächlich in Gesellschaft kippt sich Thomas Kromer ordentlich einen hinter die Binse, daheim glüht er sogar schon etwas vor, wofür er sich schämt. Später trinkt er auch in der Firma, das erste Bier zischt zum Vesper um 9 Uhr am Vormittag. Für alle Kollegen völlig normal und damals halb-legal. „Als Junge macht man natürlich mit“, sagt er heute.

Besonders in den Schichten und Pausen, die weniger überwacht wurden, sei zugegriffen worden. „Ich habe später versucht, meinen Alkoholkonsum bei der Arbeit so lange wie möglich rauszuzögern. Aber spätestens am Abend ging’s richtig ab und ebenso an den Wochenenden. Da gab ich Vollgas bis zum Gedächtnisverlust.“

Thomas Kromer startete 1984 bei einem Nürtinger Betrieb mit seiner Lehre. Er leistete Wehrdienst, besuchte die Abendschule, um den Industriemeister Metall zu machen, arbeitete in der Produktion und wechselte später in die Lehrwerkstatt. 1994 brachte er seine Säuferkarriere zum Ende, nutzte die Chance über einen Kurs für alkoholisierte Verkehrsteilnehmer und kam darüber zu den Freundeskreisen für Suchtkrankenhilfe. „Ich habe die Selbsthilfe ausprobiert, bin dabeigeblieben, dankbar und gehe heute noch hin. Hier tanke ich Kraft bei den Treffen und kann mich weiterentwickeln“, beschreibt er die Erfahrung.

Seit 1996 ist außerdem als betrieblicher Suchthelfer bei Metabo im Einsatz. Das Hauptziel: Betroffene zur Einsicht zu bringen, dass sie krank sind. Das aber heißt nicht, dass er sie anspricht. Thomas Kromer ist dann da, wenn jemand Hilfe sucht und will oder aber, im schlechtesten Fall, wenn sich der Vorgesetzte wegen Auffälligkeiten einschaltet. Den Ablaufplan von Hilfsangeboten hat er bis zur letzten Konsequenz im Blick.

„Vertrauen entsteht dadurch, dass derjenige kommt, der Hilfe braucht“, sagt er. Für den Betrieb selbst seien Suchtkranke häufig eine Ursache für schlechte Stimmung. „Arbeitsleistungen müssen nämlich von anderen mitgetragen werden, wenn sich die Kollegen dauernd krankmelden.“

Zudem setzt sich Thomas Kromer für Suchtprävention ein. Zum einen in der Lehrwerkstatt, in der er die Auszubildenden betreut: „Ich erzähle aus meinem Leben, und häufig ist noch jemand von der Polizei oder von der Drogenberatung dabei.“ Die Reaktionen seiner Schützlinge seien unterschiedlich: „Manche kennen sich schon ganz gut aus, andere zeigen sich überrascht und einige auch betroffen. Auf jeden Fall ist wachsendes Vertrauen zu spüren.“

Thomas Kromer ist dankbar für die neue Lebensqualität, mit der „aber kein einziges Genussmittel mitkommt. Ich kenne ja die andere Lebensweise im Vergleich.“ 2008 hat er geheiratet. Das Paar hat zwei Kinder. Eine große Kraftquelle ist sein christlicher Glaube, ohne den, wie er sagt, er heute nicht mehr am Leben wäre.

Wie Freundeskreise helfen können

87 Freundeskreise für Suchtkrankenhilfe gibt es im Landesverband Württemberg. Rund 350 ehrenamtliche Mitarbeiter engagieren sich in 136 Gesprächsgruppen für über 1800 Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmer. Gemeinsames Ziel ist eine zufriedene und suchtmittelfreie Lebensgestaltung. Grundlage und Motivation der Arbeit ist die christliche Nächstenliebe. Im Verbund übernehmen die Freundeskreise die wichtige Aufgabe der Nachsorge für suchtkranke Menschen sowie deren Angehörige und stabilisieren so die Behandlungserfolge von Suchtberatungsstellen und Fachkliniken.

Weitere Informationen unter www.freundeskreise-sucht-wuerttemberg.de oder per Telefon in der Geschäftsstelle des Landesverbandes unter 07333/3778.