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„Ich habe Riesenglück gehabt“

Porträt Menschen erzählen ihre Migrationsgeschichte. Heute: Sathana Vithyapathy aus Sri Lanka.

Sathana Vithyapathy kam im Jahr 1993 mit einem Touristenvisum nach Deutschland.Foto: Natalia Zumarán
Sathana Vithyapathy kam im Jahr 1993 mit einem Touristenvisum nach Deutschland.Foto: Natalia Zumarán

Kirchheim. „Ich habe Riesenglück gehabt“, findet Sathana Vithyapathy. Das werde ihr immer wieder klar, wenn sie bei ihrer Tätigkeit als ehrenamtliche Übersetzerin die Schicksale von Geflüchteten zu hören bekomme. Sie selbst ist im Jahr 1993 mit einem Touristenvisum auf dem Frankfurter Flughafen gelandet. Ihr Bruder und ihr späterer Mann waren schon zwei Jahre zuvor aus Sri Lanka nach Deutschland gekommen.

Sathana Vithyapathy, die der Minderheit der Tamilen angehört, hatte in ihrer Heimat eigentlich ihr Architekturstudium abschließen wollen, doch Anfang der 1990er-Jahre wurde die Situation für Tamilen immer gefährlicher. „1991 ist die indische Armee in den Norden, wo meine Familie gewohnt hat, gekommen. Sie sollte Ruhe bringen, aber das hat überhaupt nicht geklappt“, schildert die 50-Jährige die damalige Lage.

Bedrängt von Soldaten

Gut zwei Stunden dauerte die Fahrt zur Universität in der Hauptstadt. Eines Tages wurde sie auf dem Nachhauseweg von der Bushaltestelle zusammen mit einem Freund von zwei Soldaten gestoppt. Diese kontrollierten die Pässe und forderten Sathana Vithyapathys Begleiter dann auf, weiterzugehen. Die 25-jährige Studentin hingegen sollte bleiben. Als der Freund sich weigerte, Sathana Vithyapathy allein zurückzulassen, setzte ihm einer der Soldaten seine Waffe auf die Brust. „Da hat der Freund gerufen: ,Lauf!’, und ich bin losgerannt“, erinnert sich Sathana Vithyapathy. Sie rannte nach Hause, kam heil an - und beschloss, von nun an sicherheitshalber in der Hauptstadt zu bleiben. „Ich bin nie wieder nach Hause gegangen“, erzählt Sathana Vithyapathy. Als die Universität für mehrere Monate geschlossen blieb, fasste die 25-jährige Tamilin den Entschluss, nach Deutschland zu gehen. Im Jahr nach ihrer Ankunft dort heiratete sie ihren Freund, der als Asylbewerber bereits anerkannt worden war.

„Ich konnte damals nur Englisch sprechen“, erzählt Sathana Vithyapathy. Trotzdem habe immer alles gut geklappt: „Ich hatte null Probleme.“ Einige Deutschkurse hat sie dennoch gleich nach ihrer Ankunft belegt, sodass ihr auch die Sprache der neuen Heimat schnell geläufig war.

Eigentlich wollte Sathana Vithyapathy ihr Studium wieder aufnehmen, aber dann kam ihre erste Tochter zu Welt, dann die zweite. „Ich wollte meinen Kindern alles beibringen“, erzählt Sathana Vithyapathy, die seit gut zehn Jahren hauptsächlich tamilischen Kindern Nachhilfe in Mathematik erteilt. Seit dem Jahr 2012 gehört sie zudem zum Dolmetscher-Pool der Stadt Kirchheim und steht als ehrenamtliche Übersetzerin anderen Eingewanderten bei, wenn sie zum Arzt oder einer Behörde müssen. „Viele Probleme gibt es in der Schule und im Kindergarten“, weiß Sathana Vithyapathy, die froh ist, dass es in ihrer Familie anders war.

Für ihre Kinder sei ganz klar Deutschland die Heimat, sagt die Kirchheimerin, die Deutschland und Sri Lanka als Heimat nennt. In die alte Heimat könne sie seit ihrem letzten Besuch vor drei Jahren endlich wieder ohne Angst reisen, sagt Sathana Vithyapathy, die sich bei früheren Reisen stets unwohl gefühlt hatte. So richtig kennengelernt habe sie die Insel erst bei dieser fünfwöchigen Rundreise im Jahr 2015, erzählt sie, die inzwischen ebenso lange in Deutschland lebt wie in Sri Lanka. pm

Dieses Porträt ist Bestandteil der Wanderausstellung „Angekommen“, die am 12. Oktober um 16 Uhr im Kirchheimer Rathausfoyer eröffnet wird und bis zum 23. November dort zu sehen ist. Dargestellt werden Schicksale von Menschen, die ihre Geschichten von Flucht und Ankommen erzählt haben.