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„Ich sitze gerne im Graben“

Musical Jeden Abend erklingen die Kirchenglocken im SI-Centrum. Derzeit macht „Der Glöckner von Notre-Dame“ Halt in Stuttgart. Im Orchester spielen drei Lehrer der Musikschule Kirchheim. Von Melissa Seitz

Wer kennt ihn nicht, den buckligen Glöckner, der mit den Wasserspeiern der Kathedrale von Notre-Dame spricht und sich mit der schönen Zigeunerin Esmeralda hoch über den Dächern von Paris von einer Glocke zur nächsten schwingt? Seit Mitte Februar klettert Quasimodo auch im SI-Centrum in Stuttgart auf die Kirchtürme. Dort läuft gerade das Musical „Der Glöckner von Notre-Dame“. Im Orchestergraben sitzen auch drei Lehrer aus der Musikschule in Kirchheim.

Christiane Alber spielt in der Disney-Produktion Violoncello. „Eigentlich hab ich ja mit Geige angefangen“, erzählt die Musikerin, „meine Mama war Geigenlehrerin, also hab ich mit drei Jahren begonnen, das Instrument zu lernen.“ Doch Geige spielen wollte sie nicht ihr Leben lang. „Irgendwann hatte ich Lust auf Violoncello. Wieso, weiß ich auch nicht mehr so genau“, erinnert sie sich. Die Geige landete also in der Ecke und das Cello in den Händen der Musikerin aus Reutlingen.

Mozart- und Musical-Fan

Ihre Liebe für Musicals hat Christiane Alber schon früh entdeckt. „In einem Staatsorchester zu spielen, das ist nichts für mich“, sagt die Cellistin. „Ich höre auch gerne Mozart, keine Frage. Aber viel lieber spiele ich in einem Musical.“ Beim Blick in ihren Lebenslauf merkt man, für welches Genre ihr Herz wirklich brennt: Phantom der Oper, Cats, König der Löwen, Wicked. Die Musical-Liste lässt sich unendlich fortsetzen. Und jetzt eben der Glöckner in Stuttgart. „Oft kommt in Musicals kein Cello vor. Im Glöckner ist das anders“, freut sich Christiane Alber.

Ist es nicht seltsam, im Orchestergraben zu sitzen, dort, wo einen das Publikum gar nicht so richtig wahrnimmt? „Nein, überhaupt nicht. Ich stehe gerne im Mittelpunkt, aber ich sitze auch gerne im Graben. Da fühle ich mich wohl“, erklärt die Cellistin. Oft kommen auch Gäste nach der Vorstellung an die Bühne, um sich zu bedanken.

Durch einen glücklichen Zufall hat es Andreas Probst in die Musical-Szene verschlagen. „Nach der Abschlussprüfung meines Musikstudiums an der Amsterdamer Musikhochschule war ich nur kurz zu Hause in Kirchheim“, erzählt der Schlagzeuger. Was für ein Zufall - in dieser Zeit fand in Stuttgart gerade das Casting für das Musical „Miss Saigon“ statt. Der Musiklehrer spielte vor - und war dabei. Seither wird ihn das Stuttgarter SI-Centrum nicht mehr los: In insgesamt 16 Shows hat er schon mitgespielt.

So richtig nervös ist Andreas Probst vor einer Aufführung nicht: „Irgendwann nimmt die Routine zu“, erklärt der Schlagzeuger. Trotzdem kommt auch beim Glöckner von Notre-Dame keine Langweile auf: „Man muss immer auf der Stuhlkante sitzen.“ Schließlich wechselt die Besetzung im Orchester ab und zu, die Dirigenten variieren oder auf der Bühne passiert etwas Unvorhergesehenes. Das neue Musical birgt für Andreas Probst auch eine Besonderheit. „In den Schlagzeug-Noten kommt sehr viel klassische Trommeltechnik vor.“ So oft, wie noch in keiner anderen Show, in der er gespielt hat.

Familie, der Unterricht in der Kirchheimer Musikschule und die Auftritte im SI-Centrum sowie mit seinen Bands - das alles muss Andreas Probst unter einen Hut bekommen. Keine leichte Aufgabe, oder? „Da kommt das Privatleben manchmal ein bisschen zu kurz“, gibt der Musiker zu, „aber meine Frau hat Verständnis für meinen Musikerberuf.“

Mit den Auftritten im SI-Centrum und den Unterrichtsstunden in der Kirchheimer Musikschule hat Ella Flemmer die perfekte Mischung gefunden. „So habe ich immer Abwechslung“, erzählt die Pianistin. Mit fünf Jahren ist sie das erste Mal an einem Klavier gesessen. Irgendwann stand auch eins im Wohnzimmer der Familie. „Eine große Anschaffung in damaligen Zeiten“, erinnert sich Ella Flemmer. Nach Stopps in Frankfurt und Rottweil ist die Pianistin in Kirchheim gelandet. Seit 20 Jahren lebt sie in der Teckstadt, unterrichtet in der Musikschule und spielt immer wieder in Musicals mit.

Mehr als nur Klavier spielen

„Mittlerweile bin ich ein alter Hase“, sagt Ella Flemmer. Der Glöckner ist für sie nicht das erste Musical, aber dafür ein besonderes. „Das Stück ist voll von Orgel-Musik“, erzählt sie. Im Orchestergraben befindet sich aber keine riesige Orgel, sondern ein kleines unscheinbares E-Piano, das es in sich hat. Es ist programmiert. Das bedeutet, sie muss immer wieder in verschiedene Stimmen umschalten, um andere Klänge zu imitieren. „Ich setze mich nicht einfach hin und spiele“, sagt die Pianistin.

Was kann man vom neuen Musical in Stuttgart erwarten? „Dramatische Szenen und traurige Musik“, sagt Ella Flemmer, „ob ich meine Kinder mit in die Vorstellung nehmen will, das weiß ich noch nicht.“

Andreas Probst
Andreas Probst
Ella Flemmer
Ella Flemmer

So wird das Apollo-Theater zur Kathedrale

Das kleine Haus neben der Unterlenninger Grundschule könnte zur Krippe umgebaut werden. Die Verwaltung prüft außerdem, was ein N
Das kleine Haus neben der Unterlenninger Grundschule könnte zur Krippe umgebaut werden. Die Verwaltung prüft außerdem, was ein Neubau kosten würde.Foto: Jean-Luc Jacques

Sieben Glocken in drei verschiedenen Größen hängen auf der Bühne. Sie sind aber keineswegs Attrappen, denn sie läuten live bei jeder Vorstellung. An den Klöppeln sind Sensoren angebracht, die das Signal für den Ton auslösen. Damit die Glocken auch an den richtigen Stellen erklingen, gibt es extra Proben.

Von vier Türmen kann sich Quasimodo während der Vorstellung schwingen. Die hinteren Türme dienen dem Chor als eine Art Podest. Insgesamt 24 Sänger stehen auf der sieben Meter hohen Bühne.

Die Bühnenkonstruktion wiegt insgesamt rund 19 Tonnen.

Um denselben Effekt wie in einer großen Kirche zu erzeugen, werden die Geräusche im Saal aufgezeichnet und leise mit einem Hall wiedergegeben.

Das Bühnenbild ist bei Einlass des Publikums vollständig sichtbar - wie eben in einer richtigen Kathedrale.

Auf dem Boden der Bühne befindet sich ein schwarz-weißes Schachbrettmuster - so ähnlich wie in der Kathedrale Notre-Dame in Paris. Das typisch gotische Muster besteht aus insgesamt mehr als 120 Einzelplatten und bedeckt circa 252 Quadratmeter der ganzen Bühne im Apollo-Theater.sei