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„Ich verstehe die Betroffenen“

Interview Seit fünf Jahren gibt es die Gesellschaft DB-Projekt Stuttgart-Ulm, die Stuttgart 21 baut. Manfred Leger ist ihr Geschäftsführer. Im Gespräch blickt er auf Erfolge und Niederlagen zurück. Von Sylvia Gierlichs

S21-Chef Manfred Leger (Zweiter von links) bei der Baustellenbesichtigung, unter anderem mit Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut
S21-Chef Manfred Leger (Zweiter von links) bei der Baustellenbesichtigung, unter anderem mit Ministerin Nicole Hoffmeister-Kraut.Foto: Carsten Riedl

Herr Leger, vor fünf Jahren hat die Bahn eine neue Organisation für das Projekt Stuttgart 21 ins Leben gerufen: Die Projektgesellschaft wurde gegründet und Sie kamen als deren Geschäftsführer zum Projekt. Oder wäre es besser zu sagen: als Krisenmanager?

Manfred Leger: Die Bahn hat 2013 einen neuen Finanzierungsrahmen für das Projekt beschlossen, und im Rahmen dessen wurde vom Aufsichtsrat ein Paket geschnürt, das beinhaltete, dass das Projekt anders geführt werden sollte. Aus der Erfahrung, dass man für ein solches Großprojekt in einem Konzern Freiheitsgrade schaffen muss, hat man eine eigene Gesellschaft dafür gründet und diese direkt beim DB-Vorstand angegliedert. Ich würde nicht sagen, dass ich damals als Krisenmanager geholt wurde, aber es hat damals viele Dinge gegeben, die neu ausgerichtet werden mussten.

Wenn Sie auf die fünf Jahre zurückblicken: Was hat sich, abgesehen von der in manchen Teilen des Projekts zügig vorangehenden Bautätigkeit, mittlerweile geändert?

Leger: Die Zusammenarbeit mit den Projektpartnern, also vor allem dem Land Baden-Württemberg und der Landeshauptstadt Stuttgart, steht auf völlig anderen Beinen. Wir reden miteinander und verstehen uns. Auch meine Aussage von damals, dass uns die Projektpartner nicht unterstützen, gilt heute nicht mehr. Das Verhältnis hat sich völlig geändert. Wir verstehen uns und bekommen die Unterstützung, die wir brauchen. Als Projektgesellschaft haben wir ein absolut kompetentes Team aufgestellt und sind bereits dabei, die Phasen, die nach dem Rohbau kommen, strukturell aufzustellen. Auf der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm sind wir mit der ersten Hälfte der Rohbauarbeiten im Dezember fertig. Der Bau der Bahntechnik ist vergeben, das läuft in die richtige Richtung.

Blicken Sie auf die letzten fünf Jahre - woran denken Sie ganz besonders gerne zurück?

Ich denke besonders gerne an positive Momente zurück. Beispielsweise das Zusammenwachsen mit den Projektpartnern Land und Stadt. Ich denke auch gerne an die eine oder andere Tunnelfeier.

In der Bevölkerung ist die Stimmung gemischt. Die einen hassen das Projekt wie die Pest, die anderen verhalten sich eher pragmatisch oder freuen sich darauf.

Klar ist doch: Wenn auf dem Grundstück neben einem gebaut wird, ärgert einen das, denn möglicherweise hat man ein Jahr Staub und Dreck, und es stehen nicht mehr alle Parkplätze zur Verfügung. Man freut sich, wenn das bald wieder vorbei ist. Deswegen verstehe ich die direkt Betroffenen gut. Und ich habe immer gesagt, dass wir alles tun müssen, um so wenig Betroffenheiten wie möglich zu erzeugen. Da sage ich offen und ehrlich: Es gelingt uns meistens, aber nicht immer. Mit kontinuierlicher Information schaffen wir es aber, das Projekt transparent darzustellen. Es gibt wohl kein Projekt, das so transparent ist wie unseres. In den meisten Bereichen, je nachdem wo und wie wir gerade bauen, machen wir regelmäßig eine Bürgerinformation. Ich habe mir zur Aufgabe gemacht, bei diesen Veranstaltungen die Geschäftsführung der Projektgesellschaft zu vertreten. Damit, dass ich persönlich an diesen Veranstaltungen teilnehme, möchte ich auch signalisieren, dass uns die Information der Bürger wichtig ist. Manchmal übersehen wir aber auch eine wichtige Information für betroffene Bürger oder Gemeinden. Das tut mir ehrlich leid, und wir arbeiten daran, noch besser zu werden.

Lassen Sie uns auf die Wendlinger Baustelle schauen. Hier wird im Spätherbst aller Voraussicht nach der Bau der Güterzuganbindung beginnen. Werden Güterzüge auf der Neubaustrecke fahren?

Ob es später einmal Güterzüge auf der Strecke geben wird, kann ich nicht sagen - ich bin ja nur der, der die Strecke baut. Das wird die Entscheidung der Güterzuganbieter und deren Kunden sein, ob sich die leichten Güterzüge, die man über die Neubaustrecke schicken kann, für sie lohnen. Da gibt es ja neben der DB noch viele weitere Anbieter. Die Güterzuganbindung hat dafür jetzt für die Zeit zwischen der Inbetriebnahme von Stuttgart 21 und der Neubaustrecke eine ganz besondere Bedeutung gewonnen.

Aber das ist eine ein wenig teurere Bedeutung.

Dafür war sie ja auch nicht gedacht. Nun jedoch ist sie für uns das Vehikel, das uns hilft, die Neubaustrecke früher als den Knoten Stuttgart in Betrieb nehmen zu können. Denn über die Güterzuganbindung können wir die ICEs auf die Strecke Tübingen-Stuttgart lenken und so den Stuttgarter Hauptbahnhof erreichen. Hierfür laufen gerade die fahrplantechnischen Untersuchungen.

Manfred Leger

Geboren 1954, begann Manfred Leger seine berufliche Laufbahn 1979 bei Messerschmitt-Bölkow-Blohm. Ab 1990 waren die Deutschen Aerospace und ab 1994 die Firma AEG seine neuen Arbeitgeber. 1996 wechselte Leger zur Firma Adtranz, die im Jahr 2000 von der britischen Baufirma Balfour Beatty übernommen wurde. Leger arbeitete zunächst in München. Ab 2006 wechselte er als geschäftsführendes Vorstandsmitglied in die Muttergesellschaft nach London. 2013 kam Manfred Leger als Vorsitzender der Geschäftsführung in die neu gegründete Gesellschaft DB-Projekt Stuttgart-Ulm. Leger pflegt direkten Kontakt zum DB-Konzern, zu Politik, Öffentlichkeit und Medien. sg