Weilheim · Lenningen · Umland

Im Beet wächst mehr als Gemüse

„Inklusives Gardening“: Langzeitarbeitslose übernehmen als Hobby-Gärtner Verantwortung

Der Garten von Roswitha Alpers ist ein kleines Paradies mitten im „Paradiesle“. Doch anstatt ihren Garten allein zu genießen, teilt die alte Dame ihn mit langzeitarbeitslosen Männern, die darin Tomaten, Radieschen und Bohnen anbauen. „Inklusives Gardening“ heißt das Projekt des Kreisdiakonieverbands.

Gießen bei sengender Hitze: 25 bis 30 Kannen schleppt Michael von der Lauter heran.Fotos: Jean-Luc Jacques
Gießen bei sengender Hitze: 25 bis 30 Kannen schleppt Michael von der Lauter heran.Fotos: Jean-Luc Jacques

Kirchheim. Michael steht auf der kleinen Brücke, die Roswitha Alpers Garten mit dem Haus verbindet. Unter seinen Füßen rauscht die Lauter. Michael lässt den Eimer an einem langen Seil hinuntergleiten, wartet, bis er sich mit Wasser gefüllt hat, und zieht ihn wieder nach oben. Zwei bis drei Eimer braucht Michael, um eine große Gießkanne zu füllen. 25 Kannen wird er am Ende des Tages vergossen haben. Das Beet, in dem vier Sorten Tomaten, Melonen, Kohlrabi, Radieschen und vieles mehr wächst, ist groß. Michael beschwert sich nicht. „So brauche ich wenigstens kein Fitnessstudio“, sagt er. Er koche für sein Leben gern. „Wenn ich am Ende des Tages frische Sachen mit nach Hause nehmen kann, ist das toll“.

Michael, der in Wahrheit anders heißt, ist einer von fünf Männern, die am „Inklusiven Gardening“ teilnehmen. Der Kreisdiakonieverband hat es im Rahmen des Projekts „Quip“ ins Leben gerufen, um langzeitarbeitslose Menschen aus ihrer Isolation herauszuholen. Mit Erfolg: Von den fünf ist bereits einer in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden. Und einer nehme an einer Maßnahme teil, die er sich zuvor nicht zugetraut habe, sagt Beatrice Lackner, die das Projekt betreut.

Beim gemeinsamen Gärtnern wächst mehr als Gemüse, weiß Beatrice Lackner. Die Männer würden sehen, wie aus einem Samenkorn etwas entsteht. „Sie übernehmen Verantwortung, gießen, sehen etwas wachsen. Was geerntet wird, wird gemeinsam gegessen“. Es sei kein leichter Personenkreis, sagt Beatrice Lackner. „Aber sie sind bisher immer aufgetaucht“.

Dass eine alte Dame langzeitarbeitslose Männer in ihren Garten lässt, kommt nicht eben häufig vor. Roswitha Alpers hat sofort „Ja“ gesagt, als Renate Kath mit der Bitte des Kreisdiakonieverbands an sie herantrat. Die Dekanin hatte sonst nirgendwo einen Garten auftreiben können: „Die Pfarrgärten sind heute so geschnitten, dass die Männer den Pfarrern auf dem Schoß gesessen wären“, sagt sie. „Mir ist es sogar recht, dass dieses große Grundstück genutzt wird“, sagt Rowitha Alpers. Wichtig war ihr, dass von Anfang an Grenzen gezogen wurden. In der einen Hälfte des Gartens dürfen die Männer vor sich hin werkeln. Die andere gehört ihr. „Die Lauter führt Wasser, sodass die Männer nicht zu mir ans Haus müssen. Das wäre mir nicht so recht“, sagt Roswitha Alpers. Berührungsängste mit den Langzeitarbeitslosen, die, so Beatrice Lackner, „nicht den besten Ruf“ genössen, hat Alpers jedoch nicht. „Die sind so nett!“, schwärmt sie. Wenn sie dann auch noch anbieten, ihren Rasen zu mähen, sagt die alte Dame nicht Nein. Mit ihren Kindern und Enkeln seien schon Freundschaften entstanden.

Das Projekt wird aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und läuft zunächst für ein Jahr. Eberhard Haußmann, Chef des Kreisdiakonieverbands hofft, dass weiter gegärtnert werden darf. Er glaubt an die positive Wirkung des Projekts, vor allem auch für die Männer. „Männer kommen beim Schaffen am besten ins Gespräch. Viel besser als im Büro“, sagt er. Roswitha Alpers würde sich ebenfalls freuen, wenn in ihrem Garten weiterhin Leben wäre. Nicht zuletzt hat es viel Kraft gekostet, den Garten urbar zu machen und das Beet anzulegen. Michael lässt keinen Zweifel daran, wie sehr er vom Projekt profitiert. „Jedes Mal, wenn ich nach Hause gehe, habe ich wieder etwas gelernt“, sagt er.

¿Inklusives Gärtnern¿: Social Gardening,  Garten an der Lauter (Kanalstraße)
¿Inklusives Gärtnern¿: Social Gardening, Garten an der Lauter (Kanalstraße)