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Im jüdisch-muslimischen Dialog

Gespräch Schüler der Max-Eyth-Schule diskutierten mit einem jüdischen Politikwissenschaftler und einem muslimischen Islamwissenschaftler über Themen wie den Nahost-Konflikt. Von Katja Eisenhardt

Tuncay Dinçkal (links) und Zachary Gallant im "jüdisch-muslimischen Gespräch". Foto: Markus Brändli

In der gegenwärtigen Situation ist es wichtig, Tacheles zu reden“, erklärte Tuncay Dinçkal, daher habe das Talk-Format mit seinem Freund Zachary Gallant den Titel „Tacheles“ bekommen. Es ist ein „jüdisch-muslimisches Gespräch“, das die beiden mit drei Klassen der Kirchheimer Max-Eyth-Schule führen. Zachary Gallant, der jüdische Politikwissenschaftler und Tuncay Dinçkal, Islamwissenschaftler, Theologe und Integrationsmanager der Stadt Reutlingen, der sich selbst als „Muslim mit deutsch-türkischer Prägung“ beschreibt. Beim Austausch mit den Schülern geht es um das Leben, um Freundschaft und den Umgang mit der Lage im Nahen Osten. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede, um Antisemitismus und weitere Formen der Diskriminierung wie der Islamfeindlichkeit. Und den so wichtigen Dialog miteinander. 

Rund 1650 Schülerinnen und Schüler aus verschiedenen Herkunftsländern und Glaubensgemeinschaften besuchen die gewerbliche Schule. „Die brutale Gewalt der Auseinandersetzungen in der Welt und insbesondere in der Ukraine, im Gazastreifen und in Israel erschüttert die gesamte Schulgemeinschaft, nicht zuletzt, weil viele Kinder und Jugendliche unter den Opfern beider Konfliktparteien sind“, erklärte Schulleiter Ralf Möhle. Als Schule sei man gefordert, darauf angemessen und sensibel zu reagieren. Die Gesprächsrunde bezeichnete Möhle dabei als einen wichtigen und authentischen Beitrag. 

 

Man sollte niemals ein Menschenleben mit einem anderen aufwiegen.
Ein Schüler zum Nahost-Konflikt

In der zweiten Schülergruppe des Vormittags, den Fachinformatikern für Systemintegration, wurde rege und reflektiert diskutiert. Ein Fokus lag auf dem Nahost-Konflikt, der mit dem Angriff der radikalislamischen Hamas am 7. Oktober 2023 auf Israel eskalierte und auf beiden Seiten – Palästina und Israel – viele Opfer kostet. Ein Punkt, der den Schülern wichtig war: „Man sollte niemals ein Menschenleben mit einem anderen aufwiegen. Auf beiden Seiten sterben zu viele“, betonte ein Schüler. „Ich klammere die Religion und Herkunft dabei aus, es geht in erster Linie um die Menschen.“ Beide Seiten hätten sich über zu lange Zeit gegenseitig Leid zugefügt, bestätigte Zachary Gallant, „und es geht immer weiter. Eine Versöhnung funktioniert hier nicht – ebenso wenig wie zwischen den Juden und Deutschland“. Aber man müsse einen Weg finden, um miteinander umzugehen und miteinander leben zu können: „Frieden und Vergebung sind möglich, ohne sich zu versöhnen.“ Direkt nach dem Anschlag durch die Hamas habe er sich mit vielen engen muslimischen Freunden unterhalten, erzählte der Politikwissenschaftler, „nur zwei hatten Mitleid mit den Opfern. Das war ganz schwierig. Nach dem 7. Oktober habe ich meine interreligiöse Arbeit beendet“. Er könne nachvollziehen, weshalb auch auf palästinensischer Seite demonstriert werde, sagte ein Schüler. „Man muss auch deren Frust verstehen. Grundsätzlich müsste mehr über das Thema gesprochen werden, um eine Lösung zu finden. Das ist keine religiöse Frage mehr, sondern eine politische.“ 

Eine Frage, die die Schüler ebenso beschäftigte, war die Bedeutung von Leuten wie dem deutschen islamistischen Prediger Pierre Vogel, einer der einflussreichsten Akteure der salafistischen Szene, die in den Sozialen Medien sehr präsent sind: „Was denkt ihr über so jemanden?“ Einerseits sei es bemerkenswert, dass diese Menschen es schaffen, so viele junge Leute über die Sozialen Medien zu mobilisieren und andererseits sei es traurig, dass die großen Verbände nicht dazu in der Lage seien, gegenzusteuern, so Tuncay Dinçkal. Es gebe gerade bei jungen Menschen viele offene Sinnesfragen, etwa zur Religion oder der eigenen Existenz. Einfache Antworten gebe es darauf nicht. Äußerst problematisch sei es, wenn Leute wie Pierre Vogel sich die Unwissenheit und Suche nach Antworten zunutze machen, um das eigene Gedankengut weiterzugeben. „Es ist wichtig, dass man nicht sofort alles glaubt, was man hört. Es gibt genug Optionen, sich an anderer Stelle zu informieren“, betonte Dinçkal. 

Bis Juli sind die beiden mit ihrer Gesprächsrunde, die vom Abrahamischen Forum gefördert wird, an Schulen in Baden-Württemberg unterwegs. Tuncay Dinçkal betont: „Es ist wichtig, die jungen Leute frühzeitig zu sensibilisieren.“