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Im Lockdown kann man gut kreativ werden

Schreibwerkstatt Dieses Jahr verbringt man viel Zeit zu Hause. Im Gespräch gibt Buchautorin Tatjana Kruse Tipps, wie man das nutzen kann. Von Dorina Schreiber

Die Autorin begibt sich für Recherchearbeiten immer gerne auf Abenteuerreisen, wie hier auf dem Krimifestival „MordsHarz“.  Zude
Die Autorin begibt sich für Recherchearbeiten immer gerne auf Abenteuerreisen, wie hier auf dem Krimifestival „MordsHarz“. Zudem holt sie sich bei Treffen mit anderen Autoren neue Inspirationen und Ideen, die dann zu Hause am Schreibtisch in ihre Bücher einfließen. Foto: Tatjana Kruse

Wenn Nebel durch die Täler kriecht, der Wind an den Fensterläden zerrt und alles zur Ruhe kommt, ist das die Gelegenheit, die kreative Ader in sich zu entdecken. Die in Kirchheim geborene Schriftstellerin Tatjana Kruse mit Hang zum schwarzen Humor gibt Ratschläge für Hobby-Schreiberlinge und alle, die es werden möchten. Die Autorin der Krimödien - der Verschmelzung von Krimis und Komödien - weiß, wie wichtig es ist, der Realität zwischendurch entfliehen zu können.

Für Anfänger gilt, dass man Kreativität aus allem ziehen kann. Spannende Begegnungen können einen genauso inspirieren, wie bisher unbekannte Orte. „Die Idee für meinen ersten Krimi hatte ich in einem leeren Bürogebäude. Ich konnte mir auf einmal richtig vorstellen, wie eine Tür zufliegt und eine noch warme Leiche daliegt“, erzählt die Expertin schmunzelnd. „Wenn ich aber überhaupt nicht weiterkomme, besuche ich einen Schreibworkshop und suche den Kontakt zu Gleichgesinnten.“ Eine Plattform für den Austausch bieten zum Beispiel soziale Medien wie Instagram.

Mit einer konkreten Idee kann das eigentliche Schreiben dann fast schon losgehen. Wie viel Zeit man sich für die Vorbereitung und Recherche nimmt, hängt vom Autoren ab. „In den ganzen Jahren, die ich jetzt schreibe, habe ich Plots im Voraus ausgetüftelt. Dieses Jahr habe ich es ohne Pläne versucht. Gegen Schluss hatte ich zwar kurz Panik, als es um die Frage ging, wer der Täter ist, aber zu guter Letzt hat es total gepasst. Das Buch soll sogar spannender gewesen sein.“

Den Figuren Farbe und Leben einzuhauchen, sodass sich der Leser mit ihnen identifizieren kann, ist eine der wichtigsten Herausforderungen beim Schreiben. Um sie möglichst greifbar zu machen, kann man sich beim Schreiben an Hollywoodstars orientieren, um sie hinterher zu variieren, wie die Autorin weiß. „Um witzige Figuren und Situationen zu schreiben, muss man im Alltag nicht zwingend witzig sein“, nimmt Tatjana Kruse Einsteigern die Zweifel. Beim Schreiben kann man über sich hinauswachsen und Neues für sich entdecken und Hemmungen, die einen bei realen Begegnungen begleiten, ablegen.

Fürs Schreiben sollte man sich aber unbedingt eine Wohlfühlatmosphäre schaffen. Für die Autorin der Krimödien gehören hierzu Kaffee, Ordnung, noch mehr Kaffee, Kopfhörer und für zwischendurch: Kaffee. Gerne schreibt sie aber auch mal im Zug oder einem Hotelzimmer mit Ausblick, von wo aus sie ihre Figuren auf Abenteuerreise schickt.

Ist das Script einmal fertig, sollte der Text laut durchgelesen werden, um Wiederholungen oder Unstimmigkeiten zu bemerken. Dann geht es auf die Suche nach Agentur und Verlag. „Bei kleinen Verlagen hat man zum Beispiel eher die Möglichkeit, bei der Überschrift und dem Cover mitzuwirken, größere Verlage haben dafür eine größere Reichweite“, meint die Schriftstellerin abwägend. Sobald die Suche geglückt ist, überarbeitet das Lektorat die Fassung. Dieses überprüft, ob die Geschichte und alle Handlungsstränge schlüssig sind. Der Schreiberling bessert daraufhin noch einmal nach und schickt die Fassung zurück. Auf die Frage, ob der Verlag denn alle paar Wochen nachhake, wie es läuft, antwortet die Autorin mit einem Lachen. „Nein, so darf man sich das nicht vorstellen.“

Honorare sind überschaubar

Heute, mit zwanzig veröffentlichten Büchern, kann Tatjana Kruse von ihrer Leidenschaft leben - betont aber, dass der Beruf des Schriftstellers mit einem sparsamen Lebensstil verbunden sei. Neben der Unsicherheit, ob das Buch gut ankommen wird, ist auch der letztliche Ertrag überschaubar. Im Vorfeld bekommt der Autor zwar ein Garantiehonorar im mittleren vierstelligen Bereich und zudem eine Beteiligung an jedem verkauften Buch. Diese bewegt sich aber meist im Cent-Bereich. An Lesungen und Hörspielen wird der Autor auch beteiligt.

Trotz des überschaubaren Entgelts kann das Schreiben als Ursprung von Kreativität das Leben bereichern. Das Buch „Telling Lies for Fun and Profit“ von Lawrence Block hat die Autorin während des Studiums angespornt, das Schreiben zu versuchen. Vielleicht ist für den ein oder anderen eine Geschichte zu schreiben, gerade jetzt das Richtige, um auf heitere Gedanken zu kommen. Die Krimödien von Tatjana Kruse enden jedenfalls immer mit dem Gefühl: Alles wird gut.

Tannenduft

Lese-Tipps

Es gibt Bücher, die einen förmlich zum Strahlen bringen und einen ermutigen, über sich hinauszuwachsen. Gerade in Zeiten des Lockdowns sind diese Bücher ideal dazu geeignet, nicht trübsinning zu werden. Zudem bieten sie auch die ideale Grundlage, mit anderen Bücherwürmern in Kontakt zu kommen, indem man Buchempfehlungen austauscht und telefonisch miteinander darüber diskutiert.

Geschmäcker sind bekanntlich verschieden. Ein Buchtipp stellvertretend für Oma könnte die „Angélique-Reihe“ von Anne Golon sein, voll höfischer Intrigen, Machtkämpfen und jeder Menge Herzschmerz.

Passend zur Winterzeit könnte auch „So kalt wie Eis, so klar wie Glas“ von Oliver Schlick ans Herz gelegt werden. Neben der zauberhaften Herstellung von Schneekugeln wartet die Geschichte auch mit herrlichem Bezug zu Mythen auf.

Junge Fantasy-Herzen sind bei Julia Dippel und ihrer Reihe um „Izara“ bestens aufgehoben. Die vierbändige Reihe um die Hauptfigur Ari geht um ein vordergründig ganz normales Mädchen, dessen Leben aber völlig aus den Fugen gerät, als übernatürliche Wesen versuchen, sie zu töten - eine packende Romantasy vom Feinsten. ds