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Im Schäferwagen geht‘s auf Achse

Auszeit Gerhard Seyfang ist Camper aus Leidenschaft. Nun hat sich der Naberner seinen eigenen Schäferwagen gebaut. Mit ihm geht er auf Reisen. Von Daniela Haußmann

Foto: Daniela Haußmann
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Gerhard Seyfang (mit Vollbart) und sein Sohn schätzen die Verbindung aus Komfort, Freiheit und Naturnähe. Foto: Daniela Haußmann

Hinter der Hecke rechts, den Feldweg entlang, links am Apfelbaum vorbei, ein paar Schritte durchs struppige Gras, dann steht Gerhard Seyfang auf der Lichtung, die seine Terrasse ist. Der Mann aus Nabern setzt sich auf die Türschwelle seines Schäferwagens und schaut den Schafen zu, die nur einen Steinwurf entfernt gemächlich umhertrotten. Umgeben von Feldern und Wiesen kommt der Handwerker zur Ruhe. Mobil sein, einen Hauch von Freiheit, Abenteuer und Natur atmen - für Gerhard Seyfang ist das Lebensqualität. Der Malermeister hat sich einen Traum erfüllt und sich einen Schäferwagen gebaut.

Noch im Juli dieses Jahres hat sich so mancher, der einen neugierigen Blick in die Arbeitshalle warf, gefragt, wie „um Himmels Willen dieser 400 Kilo schwere Stahlkasten, der mit 70 Quadratmetern Holz verkleidet ist, auf einen Anhänger mit 2,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht passen soll“. Mit jeder Menge Erfahrung und viel Liebe zum Detail hat sich Gerhard Seyfang ans Reißbrett gesetzt und um die 30 Entwürfe zu Papier gebracht, bis alles passte. Sämtliche Baustoffe für seinen Schäferwagen wählte er sorgfältig aus. Materialdichten, Wandstärken, Dämmstoffdicke, Bauteilgrößen, die Art von Dach- und Bodenkonstruktion - mit Bedacht und Geduld hat der findige Schwabe an seiner Vision vom maßgeschneiderten Hotelzimmer auf zwei Rädern gefeilt.

Am Anfang gab es Schlupfkarren

Das Bett ist so breit wie der rund fünf Quadratmeter große Raum. Mit seinen 1,84 Metern kann es sich Gerhard Seyfang ganz entspannt darauf bequem machen. Vorhänge, LEDs, die in verschiedenen Farben leuchten, zwei Sitzbänke und ein ausziehbarer Tisch sorgen für heimelige Gemütlichkeit. Ein Kühlschrank, der 80 Liter fasst, und ein Gasherd, auf dem leckeres Essen brutzelt - ums leibliche Wohl muss hier niemandem bange sein.

Ist der Schäferwagenbesitzer mal nicht da, können sich Besucher die Wartezeit mit einem Edelbrand aus dem Zwitscherkasten vertreiben. Foto: Daniela Haußmann

Gerhard Seyfangs rollendes Feriendomizil ist ein Hingucker. Nicht nur wegen dem Hirschgeweih am Heck oder dem Plastikfisch, der Bobby McFerrins „Don’t worry be happy“ anstimmt, wenn jemand die Klingel drückt. Schäferwagen sind einfach selten geworden.

Der mobile Wohn- und Schlafplatz eines Wanderschäfers zählt wohl zu den ältesten Fahrzeugen in der Menschheitsgeschichte. Meist wurden die Karren von Eseln oder einem Ochsen gezogen, weil Pferde schlichtweg zu teuer waren. Bevor sich im 19. Jahrhundert Schäferwagen durchsetzen konnten, die sich im Stehen nutzen ließen und zudem noch mit Tisch, Bank und Liege ausgestattet waren, dominierten lange Zeit sogenannte Schlupfkarren. Wollte sich der Schäfer nach getaner Arbeit neben seiner Herde zur Ruhe betten, musste er auf allen vieren in das klapprige Vehikel hineinkriechen. Originale Schäferkarren finden sich heutzutage nur noch im Museum. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb, weckt Gerhard Seyfangs Nachbau, der sich an historischen Vorbildern orientiert, reges Interesse.

"Heidenei. So en nobla Schäferkarra han i no nia gsäha"

„Heidenei. So en nobla Schäferkarra han i no nia gsäha. Hosch den selba baud?“, staunt der Schäfer, dessen Herde bei Schopfloch das selbst gezimmerte Gefährt umrundet. „364 Tage Arbeit stecken da drin“, erzählt Gerhard Seyfang lächelnd. Wichtig bei der ganzen Sache ist, dass der Aufbau mit dem Anhänger nicht verschraubt, sondern nur auf ihm befestigt wird. „So geht das circa 1 400 Kilo schwere Häuschen beim TÜV als Ladung durch, und es müssen keine teuren Gutachten erstellt werden“, verrät der Handwerker, dem eigentlich nur die Dachkonstruktion wirklich Kopfzerbrechen bereitet hat. „Denn die bringt pro Quadratmeter über 30 Kilo auf die Waage“, berichtet Seyfang. „Am Abend hatte ich das Dach fertiggestellt, und am nächsten Morgen hat es den Rahmen aufgrund des Gewichts um vier Zentimeter nach außen gedrückt.“ Mit Spanngurten brachte der Tüftler das Dach in seine Ausgangsposition zurück und fixierte es erfolgreich mit Gittertraversen.

Ist "Glampen" das neue Campen? Foto: Daniela Haußmann

Kaum war der Lack getrocknet, die letzte Schraube festgezogen und jeder noch so kleine Holzspan zur Tür hinausgefegt worden, rollte Gerhard Seyfang mit seinem Geländewagen und dem Hänger im Schlepptau vom Hof. Ohne Zeitdruck schlug er am Einheitswochenende sein Lager auf wo es ihm gefiel. „In der Nacht tobte ein Sturm“, erinnert er sich. „Am nächsten Morgen schaute ich zum Fenster raus und staunte nicht schlecht, als mein Schäferwagen auf einmal in einem Zelt stand.“ Das hatte der Wind über das 2,90 Meter hohe Gefährt geweht. Den Praxistest hat der Wagen damit bravourös bestanden. Gerhard Seyfang jedenfalls kann es kaum erwarten, bald wieder auf Achse zu gehen.

Campen war gestern

Ist "Glampen" das neue Campen? Foto: Daniela Haußmann

Glamping oder „glamouröses Campen“ liegt im Trend. Die Urlaubsart ist hierzulande noch relativ neu. In England und Südeuropa findet sie jedoch schon länger mehr und mehr Anhänger. Glamping kombiniert den Komfort eines Hotels mit der Freiheit, Ungezwungenheit und der Naturnähe eines Campingplatzes. Extravagante, vielleicht auch etwas abgefahrene Unterkünfte wie Safari-Zelte, Baumhäuser, Schäfer- oder Zirkuswagen gehören ebenfalls zu dieser Reiseform, die sich zunehmend wachsender Beliebtheit erfreut.dh