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Jäger wollen nicht zurück ins Mittelalter

Jagd Mit Lebendfallen will das Landwirtschaftsministerium die Schwarzwildbestände reduzieren und die Afrikanische Schweinepest eindämmen. Kirchheimer Jäger kritisieren die Pläne. Von Daniela Haußmann

Kirchheims Kreisjägermeister German Kälberer meint: Saufänge zu benutzen, ist „eine brutale Jagdmethode, die dem Tierschutz zuwi
Kirchheims Kreisjägermeister German Kälberer meint: Saufänge zu benutzen, ist „eine brutale Jagdmethode, die dem Tierschutz zuwiderläuft“. Die Landesregierung testet dies gerade.Foto: Daniela Haußmann

Wer einen historischen Ausflug in die Kirchheimer Jagdgeschichte macht, wird unweigerlich auf die Hofgärten stoßen. Einst wurde das Wild für die adeligen Jagdgesellschaften in den Anlagen zusammengetrieben. Hinter verschlossenen Toren wurde ein Tier nach dem anderen erlegt, während die noch Lebenden in panischer Angst sprichwörtlich die Wände hochgingen. „Das waren Zeiten, in denen es den Schusswaffen an Reichweite und den Projektilen an Durchschlagskraft fehlte“, erzählt German Kälberer. Sogenannte Saufänge, in die sich auch andere Tiere verirrten, schienen da ein probates Mittel zu sein, wie der Vertreter der Jägervereinigung Kirchheim erklärt.

Regierung will brutale Methode

Dass die Landesregierung angesichts wachsender Wildschweinbestände und der in Osteuropa um sich greifenden Afrikanischen Schweinepest (ASP) nun den Einsatz von Saufängen testet, kann German Kälberer nicht befürworten. „Das ist eine brutale Jagdmethode, die dem Tierschutz zuwiderläuft“, kritisiert der Kreisjägermeister. Nach dem in Baden-Württemberg geltenden Jagd- und Wildtiermanagementgesetz ist es verboten, solche Anlagen aufzustellen. Das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz (MLR) kann allerdings aus besonderen Gründen Ausnahmen zulassen.

ASP breitet sich derzeit vor allem in Osteuropa aus. „Bei uns ist die Virusinfektion zwar noch nicht angekommen, aber das Risiko, dass sie über infizierte Nahrungsmittel eingeschleppt wird, ist hoch“, räumt German Kälberer ein. Auf diesen Fall will man im MLR vorbereitet sein. Deshalb werden derzeit an verschiedenen Orten im Land Erfahrungen mit Saufängen gesammelt. Der Pilotbetrieb wird wissenschaftlich begleitet. So will das Ministerium „abgesicherte Informationen und Anwendungserfahrungen sammeln, um im Ernstfall Schwarzwildfänge so betreiben zu können, dass vermeidbare Schmerzen und Leiden für die Tiere verhindert werden“. Gleichzeitig sollen die Untersuchungen Erkenntnisse liefern, die einen optimalen und effizienten Fangbetrieb gewährleisten. Der Pilotbetrieb hat dem MLR zufolge gezeigt, dass eine Tötung der Tiere „durch einen gut angebrachten Schuss mit einer geeigneten Waffe rasch und tierschutzgerecht erfolgen kann“.

Tiere drehen in Saufängen durch

Das bezweifelt German Kälberer: „Der Landesjagdverband hat sich aus gutem Grund nicht an dem Projekt beteiligt.“ Laut MLR soll im Ernstfall nur ein geschulter Profi den Finger am Abzug haben. „Das ändert nichts an der Tatsache, dass die Tiere beim ersten Schuss durchdrehen“, kritisiert Kälberer. Der Experte kann verstehen, dass Landwirte, die Schweine halten, befürchten, dass das Virus auf die Ställe übergreift. Die wirtschaftlichen Auswirkungen können im schlimmsten Fall zu jahrelangen Exporteinschränkungen für Hausschweine führen - ganze Betriebe wären dann in Gefahr, überhaupt weiter bestehen zu können.

Trotzdem lehnt die Jägervereinigung Kirchheim Saufänge als Problemlösung ab. Erfahrungen aus anderen Bundesländern zeigen laut German Kälberer, dass sich die Schweine, bei einem guten Futterangebot in der Natur oder auf dem Maisfeld, kaum für das Lockmittel in der Falle interessieren. Ob Saufänge tatsächlich einen nachhaltigen Beitrag zur Bestandsdezimierung und ASP-Eindämmung leisten, ist für Kälberer fraglich: „In Rheinland-Pfalz waren 30 Anlagen im Einsatz. Zu der landesweiten Gesamtzahl an erlegten Sauen steuerten sie gerade einmal zwei Prozent bei.“ Hinzu kommt, dass ASP eine schwere Erkrankung ist, die nach einer Woche unweigerlich zum Tod führt. Die Aktivität der Tiere nimmt in diesem Zeitraum zwangsläufig ab und damit auch die Entfernungen, die sie zurücklegen. „Warum also ein Saufang, wenn man die toten Überreste einsammeln kann“, fragt German Kälberer. „In Tschechien werden betroffene Zonen großräumig eingezäunt und die Tiere dem Totalabschuss freigegeben.“ Er ist überzeugt, dass die mit Überpopulation und ASP einhergehenden Herausforderungen zu bewältigen sind, wenn Politik, Behörden, Landwirte und Jäger an einem Strang ziehen. Dazu zählt für ihn auch die unbürokratische Genehmigung von Straßensperren bei Drückjagden, die Zulassung von Nachtzielgeräten, oder dass Maisfelder nicht an Straßen angelegt werden, die aufgrund des Verkehrsaufkommens für die Jagd ungeeignet sind. „Das ist effizienter als mittelalterliche Methoden“, bilanziert German Kälberer.

Afrikanische Schweinepest

Aktuell wird ASP vorrangig von Kraftfahrern und Saisonarbeitern aus Osteuropa über rohe Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland verbreitet. Wer in Ländern wie zum Beispiel Polen, Tschechien oder Ungarn Urlaub macht oder dort Verwandte besucht, sollte von dort mitgebrachte rohe Schweinefleischprodukte keinesfalls auf den Komposthaufen im Garten werfen. Das ASP-Virus ist im Erdreich bis zu sechs Monate aktiv und kann Wildschweine, die den Kompost durchwühlen, infizieren. Produkte aus dem Kirchheimer Kompostwerk sind unbedenklich. Eine Studie des Friedrich-Löffler-Instituts hat gezeigt, dass das Virus bei 60 Grad nach 30 Minuten abstirbt. Bei der Kompostherstellung wird das Material aber drei Tage lang bei 70 Grad behandelt.dh