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Jedes Klötzchen ist freiwillig

Familie Elf Erziehungshilfestellen gibt es im Landkreis, sechs davon mit insgesamt zehn Standorten gehören zur Kirchheimer Stiftung Tragwerk. In Wernau bringt ein Umzug jetzt große Vorteile. Von Peter Dietrich

Die Sozialpädagoginnen und Helferinnen der Stiftung Tragwerk fühlen sich in den neuen Räumlichkeiten in Wernau wohl.Foto: Peter
Die Sozialpädagoginnen und Helferinnen der Stiftung Tragwerk fühlen sich in den neuen Räumlichkeiten in Wernau wohl.Foto: Peter Dietrich

Jahrelang gab es am Standort in der Nähe des Wernauer Bahnhofs nur einen einzigen Raum, zur Not wurde eben ins Freie ausgewichen. Lange hat die Stiftung Tragwerk für den Standort Wernau der Erziehungshilfestelle Unteres Neckartal - der andere Standort ist Plochingen - nach neuen, zentralen Räumen gesucht. Nun wurde sie in der Kirchheimer Straße 92 endlich fündig.

Dort gibt es zwei Gruppenräume, einen Gemeinschaftsraum und ein Büro, dazu noch eine kleine Küche. Die zentrale Lage direkt beim Stadtplatz ist ideal, mittendrin zwischen den Wernauer Schulen und von allen Seiten gut zu erreichen. Es gibt einen großen und sonnigen Balkon, eine gemütliche Sofaecke und einen Tischkicker - was will man mehr? Direkt unter den neuen Räumen ist eine Kampfsportschule untergebracht. Darüber geht es um ganz andere innere Kämpfe, die zunehmen und die hoffentlich nie in körperlicher Gewalt enden.

Die Erziehungshilfestellen setzen sehr früh an. „Wir müssen anpacken, bevor das Kind in den Brunnen gefallen ist“, sagt der Wernauer Bürgermeister Armin Elbl bei der Eröffnung der neuen Räume. „Vor Ort ist die Hilfe meist am wirkungsvollsten“, betonte Jürgen Knodel, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Tragwerk. Er schätzt die enge Abstimmung mit dem Sozialen Dienst des Landkreises. Daniel Gerlich, der neue Leiter dieses Amtes, lobt die sehr gute Zusammenarbeit zwischen den Schulen, dem Jugendhaus „Kiwi“, den Kirchen, der Polizei und weiteren Partnern. „Man kennt sich, es gibt kurze Informationswege“, schildert Wolfgang Buckenhofer vom Sozialen Dienst.

In Wernau werden zwölf Familien betreut, gemeinsam mit Plochingen sind es 30. Die Anzahl der Kinder und Jugendlichen mit gravierenden Schwierigkeiten nehme ständig zu, sagt Knodel. Nicht nur Kinder hätten zunehmend psychische Probleme, auch die Eltern: „Manchmal sind die Kinder ganz okay, aber die Eltern haben Probleme mit deren Versorgung.“ Weil die Hilfe nicht immer schrecklich ernst und schwerwiegend ist, sondern es auch um Spiel und Spaß geht, hatte Knodel einen Fußball und ein mobiles Tor mitgebracht.

Das Angebot ist ein Baukastensystem. Die Eltern entscheiden freiwillig, ihnen wird kein Klötzchen aufgedrängt. Zielgruppe sind Eltern mit Kindern von 6 bis 14 Jahren. Montags und mittwochs gibt es dreistündige Gruppen, in denen Hausaufgaben gemacht werden, dazu kommen Basteln und Spielen. Bei der Abschlussrunde reden die Kinder über die Regeln, die sie sich selbst gegeben haben, das ist ihnen wichtig. Wer sie eingehalten hat, sammelt Punkte und darf dann in die Schatzkiste greifen.

Bei der Einzelförderung nimmt sich eine Mitarbeiterin bis zu eineinhalb Stunden Zeit für ein Kind, macht mit ihm das, was es sich wünscht, und spricht mit ihm über die Gruppe. Diese Zeit ist bei den Kindern sehr beliebt. „Immer mehr Kinder brauchen diesen Baustein, um ihren Platz in den Gruppen zu finden“, sagen Ann-Kathrin Huber und Elfriede Müller, die beiden Hauptamtlichen in Wernau. Die Stiftung Tragwerk hat zudem ein Soziales Kompetenztraining (SKT) entwickelt, mit dem sie Schulen besucht und das eine gute Klassengemeinschaft fördern soll.

Das Ferienprogramm führte schon bis nach Tripsdrill und ins Legoland. Doch es muss nicht immer in die Ferne gehen: Mit der Erziehungshilfestelle lernen die Kinder ihren eigenen Ort kennen, vom Hallen- und Freibad bis zu Bücherei und Eisstadion. Bei einem Punkt hört die Freiwilligkeit auf: Für jedes Kind gibt es mindestens einmal im Monat ein Elterngespräch, ob in der Erziehungshilfestelle oder zu Hause. Die meisten Eltern seien dankbar für die Hilfe, berichtet das Wernauer Team. Desinteressierte Eltern seien die große Ausnahme.