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Kein falsches Signal nach Stuttgart

Landkreis will Haushaltsrisiken durch Flüchtlingskosten mit der Kreisumlage auffangen

Die Flüchtlingslage im Land verschiebt auch die Prioritäten im Kreishaushalt. Kein weiterer Schuldenabbau trotz sprudelnder Steuerquellen, stattdessen eine Erhöhung der Kreisumlage, um die Kosten für die Unterbringung zu decken. Selten hatte ein einziges Thema mehr Gewicht bei der Etatvorstellung im Kreistag als gestern.

Esslingen. „Das ist ein guter Haushalt, für alle Bürger, für den Kreis und die Kommunen", mit diesen Worten hat der Esslinger Landrat Heinz Eininger die weitere Senkung der Kreisumlage um zwei Prozentpunkte verkündet. Das war fast auf den Tag genau vor einem Jahr. Von einem schlechten Haushalt kann auch in diesem Herbst nicht die Rede sein. Die Konjunktur brummt, die Steuern sprudeln, das Bild von der Kliniklandschaft strahlt Ruhe aus und die Müllgebühren sind so stabil wie das Fundament der Kreiszentrale am Neckarufer, und das seit 17 Jahren.

Und trotzdem musste Kreis-Schatzmeisterin Monika Dostal in den zurückliegenden Wochen einen Job erledigen, um den sie niemand beneidet hat. Unklare Rahmenbedingungen, täglich neue Zahlen. Das Gravierendste: Keiner weiß, wie es weitergeht. Weder was künftige Flüchtlingszahlen betrifft, noch die Konjunkturentwicklung im Land. VW lässt grüßen. Zumindest das Flüchtlingsthema ist im Haushalt angekommen, wie Landrat Heinz Eininger in seiner Haushaltsrede gestern betonte. Der Etatentwurf für 2016 macht deutlich: Der Landkreis muss seinen vor drei Jahren eingeschlagenen Konsolidierungskurs verlassen. Ein weiterer Abbau von Schulden ist derzeit nicht drin. Im Mai noch war man von einem Überschuss in Höhe von acht Millionen Euro ausgegangen. Ende Juli wurde die Zahl auf 2,9 Millionen korrigiert. Inzwischen steht die „schwarze Null“.

Wesentlicher Grund dafür sind die gestiegenen Sozialausgaben, die das deutliche Plus auf der Einnahmeseite fast völlig aufgefressen haben. Ein großer Teil davon fließt in die Betreuung und Unterbringung der zurzeit rund 2 200 Flüchtlinge im Kreis. Eine Zahl, die sich nach jüngsten Schätzungen im kommenden Jahr mehr als verdreifachen soll.

Als die Kreisverwaltung vergangene Woche diese Zahlen vorab veröffentlichte, war längst durchgesickert, wer bei der Finanzierung mit im Boot sitzen soll: Die geplante Erhöhung der Kreisumlage um 2,1 Prozentpunkte rückt Eininger ins Kreuzfeuer der Städte und Gemeinden, die ihrerseits um einen ausgeglichenen Etat kämpfen. Allein für die Stadt Kirchheim würde der Umlagesprung Mehrkosten in Höhe einer knappen Million Euro bedeuten. In seiner Haushaltsrede gestern machte Eininger klar, dass die veranschlagten Mehreinnahmen in Höhe von 21 Millionen Euro aus der Umlageerhöhung den Kosten entsprächen, die im kommenden Jahr für die Flüchtlingsunterbringung zu erwarten seien. Knapp 20 Millionen Euro stehen im Raum – sollte es bei den erwarteten 6 000 Plätzen bleiben.

Zwischen Realität und Erwartung liegen Gespräche mit dem Land, die noch im Herbst stattfinden und klären sollen, ob überhaupt und wenn ja, in welcher Höhe, Kosten an den Landkreisen werden hängen bleiben. In den Ergebnissen des Berliner Gipfels vor einer Woche sieht Eininger einen „ersten Schritt“. Die Kreise fordern aber weiter eine vollständige Kostenübernahme bei der Flüchtlingesunterbringung und eine Rückkehr zur direkten Abrechnung mit dem Land, so wie es bis 2004 praktiziert wurde. Anders ausgedrückt: Sie verlangen, was die Landesregierung noch im Mai zugesagt hatte.

Einingers Sorge, dass es anders kommt, steht in großen Lettern über dem Haushaltsplan. „Der seit August vorliegende Verordnungsentwurf“, sagt er, „entspricht nicht dieser Zusage.“ Für den Fall, dass er sich irren sollte, lässt Eininger immerhin die Tür offen: Sollte das Land zu seinem Versprechen stehen, könne man über die Höhe der Kreisumlage erneut reden, betont er. Bestenfalls sogar über eine erneute Senkung.

Der Landkreis Esslingen, der von allen Kreisen im Regierungsbezirk per Quote die Hauptlast bei der Aufnahme Asylsuchender trägt, ist mit freiwilligen Beiträgen zur schnelleren Integration in Vorleistung gegangen. 740 000 Euro wurden für zusätzliches Betreuungspersonal in den Gemeinschaftsunterkünften und für die Einrichtung von Koordinierungsstellen in den Städten ausgegeben.

Das Flüchtlingsthema drängt. Verdrängen lassen sich andere Aufgaben deshalb nicht. 5,5 Millionen Euro wird der Landkreis Esslingen im neuen Jahr in Modernisierung und Ausbau seiner Schulen stecken. In die weitere Sanierung der Esslinger Rohräckerschule, den Bau einer Schule für Kranke am Kreisklinikum Esslingen und in eine erste Planungsrate beim Neubau der Nürtinger Albert-Schäffle-Schule. Für den Erhalt seiner Straßen macht der Kreis im kommenden Jahr 3,5 Millionen Euro locker. Auch die Verlängerung der Stadtbahn zum Flughafen und der Ausbau der S-Bahn-Linie 2 nach Neuhausen sind dank weiter fließender Regionalisierungsmittel nicht in Gefahr. Immerhin beim Thema ÖPNV scheint die Fließrichtung zu stimmen.

Schuldenberg bleibt 2016 unangetastet

Keine Neuverschuldung Mit dem gestern vorgelegten Haushaltsplanentwurf für 2016 überschreitet der Landkreis Esslingen zum ersten Mal die 500-Millionen-Euro-Marke, was das Gesamtvolumen betrifft. Eine Neuverschuldung ist im kommenden Jahr nicht vorgesehen. Allerdings auch kein weiterer Abbau. Der Schuldenberg soll mit 189 Millionen Euro unverändert bleiben und erst ab 2017 weiter abgetragen werden. 25 Millionen für Investitionen Dadurch bleibt Geld für die Sanierung und Modernisierung von Schulen und Verwaltungsgebäuden, für Baumaßnahmen an Kreisstraßen oder auch die Erweiterung des Angebots im öffentlichen Nahverkehr. Die Generalsanierung der Schulsporthallen wird vorerst verschoben.Für Investitionen sind im Jahr 2016 insgesamt rund 25 Millionen Euro veranschlagt. Sozialausgaben steigen Mit einem Anstieg von 13,4 Prozent machen die Ausgaben für die soziale Sicherung die größte Kostensteigerung aus. 231 Millionen Euro gibt der Kreis dafür aus. 98 Prozent der von den Kommunen finanzierten Kreisumlage fließen in diesen Bereich. So viel wie zuletzt 2011. Nach einer Senkung um zwei Prozentpunkte im Vorjahr, soll die Kreisumlage wieder um 2,1 auf 35,6 Punkte steigen. Die Mehreinnahmen in Höhe von 21 Millionen Euro will der Kreis zur Deckung eines erwarteten Defizits bei den Kosten für die Flüchtlingsunterbringung verwenden. Mehr Steuereinnahmen Dank der anhaltend guten Konjunktur steigt das Aufkommen bei der Grunderwerbssteuer um vier Millionen auf insgesamt 33 Millionen Euro. Ein Plus von 18,4 Millionen Euro sind im Haushalt durch höhere Ausgleichszahlungen des Landes verzeichnet.bk