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Kein Weihnachten ohne Senf

Harmonie Das letzte Türchen des Adventskalenders am Rathaus birgt eine Weihnachtsgeschichte mit Senf. Reinhard Segatz zieht positive Bilanz. Von Thomas Krytzner

Reinhard Segatz, InitiatorFoto: Thomas Krytzner
Reinhard Segatz, InitiatorFoto: Thomas Krytzner

Für viele ist die Vorweihnachtszeit noch viel schöner, als die Festtage selbst. Die ganzen duftenden Märkte mit viel Glitzer und Lichtern sorgen für die ersehnte Besinnlichkeit. Seit diesem Jahr ist Kirchheim um eine weihnachtliche Attraktion reicher: Am Rathaus lockt ein überdimensionaler Adventskalender die Menschen in die Innenstadt. Initiator Reinhard Segatz erklärt den Sinn der Aktion: „Wir wollen Leben in die Gassen der Stadt bringen. “

Die Idee für die 24 Türchen hatte Segatz schon vor drei Jahren. „Ich habe in verschiedenen Städten die beleuchteten und weihnachtlich gestalteten Fenster gesehen und dachte mir, das wäre was für Kirchheim.“ In diesem Jahr setzte er seine Gedanken in die Tat um und fand bei der Stadtverwaltung offene Türen: „Die Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker war so begeistert, dass sie sich gleich selber als Frau Holle zur Verfügung gestellt hat und den Bürgern eine Geschichte vorlas.“

Die Bilder zum Adventskalender malten Schüler in Begleitung ihrer Lehrer und Betreuer. „Da das Rathaus die gewünschte Symmetrie aufweist, zweimal sechs Fenster untereinander, konnten wir mit gleich großen Platten arbeiten, und die Schulen waren mit Eifer dabei.“ Der Hirschgarten-Chef lobt die abgelieferten Bilder: „Jedes ist ein kleines Kunstwerk.“

An Heiligabend öffnete sich nun vor zahlreichem Publikum das 24. Fenster, und Frau Holle erzählte eine Geschichte von Erich Kästner: „Felix holt Senf.“ Kästner beschreibt darin eine Weihnachtsfeier. Das klassische Essen – Kartoffelsalat mit Würstchen und Senf – steht auf dem Menüplan, allerdings gibt es keinen Senf mehr. Sohn Felix wird mit einem leeren Glas zum Senfholen geschickt.

Als er in den Straßen die Händler beobachtet, fällt ihm das Glas runter und zerspringt in tausend Teile. Da beschließt Felix, nicht mehr nach Hause zurückzukehren. Als der Sohn nach fünf Jahren zurückkommt, sind alle glücklich, und Weihnachten kann wieder inklusive Senf stattfinden.

Carmen Fieberling las die letzte Geschichte des Adventskalenders als Frau Holle vor. Vor ihrem Auftritt zeigte sie sich aufgeregt. „Man weiß nie, was passiert, wenn man mit Lesen beginnt.“ Erleichtert schloss sie nach dem Kissen ausschütteln und Goldtalerregen das Fenster und lächelte: „Jetzt ist es vorbei, jetzt kann Weihnachten kommen.“ Sie genoss die Zeit als Frau Holle. „Nicht nur die Kinder waren von den Märchen angetan, auch viele Eltern und Erwachsene lauschten gespannt.“

„Die Geschichte haben wir nicht ohne Hintergedanken ausgewählt“, erklärt der Initiator Segatz. Sie soll zeigen, dass auch heute im Familiengeschehen nicht immer alles rund läuft. Mit den Worten soll niemand angeprangert werden, aber vielleicht macht sich der eine oder andere Gedanken, dass nach einer gewissen Zeit des Streits auch wieder die Hände gereicht werden können. „Wir wollen vor allem Eltern mit heranwachsenden Jugendlichen ansprechen, oder die, die schon seit Jahren zerstritten sind.“

Die Aktion mit dem Adventskalender war für Reinhard Segatz ein Erfolg. „Manchmal war um zehn vor fünf noch niemand da, und innerhalb von 15 Minuten standen plötzlich über 200 Menschen vor dem Rathaus.“ Das beflügelt zum Weitermachen. Apropos beflügeln, Segatz berichtet schmunzelnd: „Es gab wohl scherzhaft Reklamationen vonseiten der Oberbürgermeisterin, als ihr Büro von mit Federn geschmückt wurde.“

Er will den Adventskalender im kommenden Jahr auch wieder organisieren. „Ich habe bereits Bewerbungen für das Amt der Frau Holle bekommen.“ Eine Schrecksekunde gab es während der 24 Adventstage: „Da wartete ich auf die geplante Frau Holle. Durch ein Missverständnis in der Terminplanung kam die aber nicht, und ich musste eine Bekannte kurzfristig verpflichten. Dafür waren am nächsten Tag dann zwei Frau ‚Holles‘ da.“

Frau Holle und ihre Goldtaler zählten zum Highlight des Kirchheimer Adventskalenders.Fotos: Thomas Krytzner
Frau Holle und ihre Goldtaler zählten zum Highlight des Kirchheimer Adventskalenders.Fotos: Thomas Krytzner