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Keltengold kommt „en bloc“ ins Labor

Archäologen stoßen bei Ausgrabungen am Hegelesberg auf ein Frauengrab mit wertvollen Beigaben

Das Kirchheimer Gewerbegebiet Hegelesberg erweist sich immer mehr als Glücksfall, und das nicht nur für die künftige Ansiedlung von Unternehmen. Ein ganz großer Glücksfall sind die Arbeiten auf dem Areal in unmittelbarer Autobahnnähe bislang nämlich für Archäologen und Denkmalpfleger – also für die Spezialisten in Sachen früher und frühester Besiedlung.

Noch dauern die Ausgrabungen am Kirchheimer Hegelesberg an, aber bereits im September sollen sie abgeschlossen sein. Das Grab ei
Noch dauern die Ausgrabungen am Kirchheimer Hegelesberg an, aber bereits im September sollen sie abgeschlossen sein. Das Grab einer hochrangigen keltischen Frau, das Anfang August als kompletter Erdblock geborgen worden war, befindet sich samt wertvoller Schmuckbeigaben (Bild unten) aber längst beim Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen.Fotos: Jean-Luc Jacques¿/¿LAD (Felix Pilz)

Kirchheim. Der neueste Fund am Hegelesberg ist „das Grab einer keltischen Frau aus der Zeit um 500 vor Christus“, wie das Regierungspräsidium Stuttgart in einer Pressemitteilung schreibt. Zu diesem Grab vom Ende der frühen Eisenzeit gehöre „fein gearbeiteter Goldschmuck“, der darauf schließen lässt, „dass die hier bestattete Frau der keltischen Oberschicht angehört haben muss“.

Die Funde scheinen in der Tat sehr reichhaltig zu sein. Zum einen bestehen sie aus drei Goldringen, die laut Pressemitteilung „als Ohrringe oder ins Haar eingeflochten getragen wurden“. Zum anderen gibt es „zwei kugelförmige Objekte aus flächig verziertem Goldblech“, die Grabungsleiter Dr. Jörg Bofinger derzeit als „Nadelköpfe der Haar- oder Haubentracht“ einschätzt. Hinzu kommen „je ein Paar Arm- und Fußringe aus Bronze“ sowie „Ketten aus kleinen schwarzen Perlen“, die aus fossilem Holz bestanden. Diese Ketten müsse die Tote am Handgelenk getragen haben.

Die Lage des bestatteten Körpers lässt sich aber nur aus der Lage der Fundstücke erschließen, denn in dem kalkarmen Boden habe sich das Skelett der Frau nicht erhalten. Auf Nachfrage nannte Pressereferentin Nadine Hilber vom Regierungspräsident gestern noch sonstige Bedingungen wie Erdschichten, Luftzufuhr oder auch die Tiefe des Grabs, die für den Erhalt oder den völligen Zerfall von Knochen sorgen.

Das Grab war Anfang August gefunden und komplett geborgen worden. Ein gut 500 Kilogramm schwerer Erdblock wurde dabei gesichert und anschließend am Stück herausgehoben – unter anderem mit technischer Unterstützung der örtlichen Feuerwehr. An diesem Erdblock sind die wissenschaftlichen Untersuchungen „unter Laborbedingungen“ fortgesetzt worden, und zwar in den Werkstätten der archäologischen Restaurierung am Landesamt für Denkmalpflege in Esslingen.

Grabungsleiter Bofinger schätzt das Alter der Funde auf rund 2500 Jahre. „Damit ist das Grab rund 50 Jahre älter als der berühmte Keltenfürst von Hochdorf“, heißt es in der Pressemitteilung weiter. Sensationeller noch als die zeitliche Einschätzung ist eine Aussage Jörg Bofingers zur Häufigkeit solcher Funde und zum Erhaltungszustand der keltischen Schmuckstücke aus Kirchheim: „Frauengräber mit Grabbeigaben dieser Qualität kennen wir aus der frühen Keltenzeit nur sehr wenige.“

Allerdings sind die jüngsten eisenzeitlichen Funde am Hegelesberg nicht die einzigen aufsehenerregenden Ergebnisse der „Rettungsgrabungen“ in Kirchheim: Bereits im vergangenen November hatte das Landesamt für Denkmalpflege zu einer Pressekonferenz vor Ort eingeladen, um Objekte aus der mittleren Jungsteinzeit zu präsentieren. Dabei hatte es sich um die ältesten Siedlungsreste gehandelt, die jemals in der Teckstadt nachgewiesen wurden. Jörg Bofinger hatte die neolithischen Funde im November auf die Zeit um 5300 vor Christus datiert.

Nun also fanden sich auf demselben Areal Grabfunde, die fast 5000 Jahre jünger sind. Das sind gewaltige Dimensionen – vor allem angesichts der Tatsache, dass zwischen der Bestattung der Keltenfürstin in Kirchheim und dem jetzigen Fund nur die Hälfte dieser Zeitspanne liegt.

Insofern lässt sich allein aus dem aktuellen Keltenfund am Hegelesberg auch nicht sofort auf eine kontinuierliche Kirchheimer Siedlungsgeschichte seit der Jungsteinzeit schließen. Rainer Laskowski, langjähriger Museumschef in Kirchheim, sagt aber dennoch – gestützt auf drei Jahrzehnte Erfahrung als Leiter der Archäologie-AG: „Es gibt in Kirchheim nachweislich keine Siedlungslücke seit der Steinzeit. Es scheint sich sogar anzudeuten, dass Kirchheim seit dem Neolithikum ein bedeutender Siedlungsplatz war. Das ergibt sich aus der Stadtarchäologie der letzten 30 Jahre.“

In den nächsten Jahren allerdings werden am Hegelesberg ganz neue Zeugnisse der Besiedlung entstehen. Im Schreiben des Regierungspräsidiums heißt es nämlich zum Fortschritt der Arbeiten am neuen Kirchheimer Gewerbegebiet: „Im September werden die Ausgrabungen fristgerecht abgeschlossen sein, und die bereits begonnenen Erschließungsmaßnahmen können ohne Verzögerung fortgesetzt werden.“

Frühkeltisches Frauengrab mit Goldschmuck geborgen
Frühkeltisches Frauengrab mit Goldschmuck geborgen