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Keltengold sorgt für Gänsehaut

Kirchheim spielt mit dem Frauengrab vom Hegelesberg in der oberen Liga der Archäologie

Der aufsehenerregende Goldfund von Anfang August im neuen Gewerbegebiet Hegelesberg macht Kirchheim zu einem der bedeutendsten Fundorte keltischer Frauengräber. Damit spiele Kirchheim bei solchen Gräbern „in der oberen Liga“, sagte Grabungsleiter Dr. Jörg Bofinger gestern bei einer Pressekonferenz in Esslingen.

Werkstattleiterin Nicole Ebinger-Rist hilft der Restauratorin Margarete Eska (liegend) beim Bergen zweiter weiterer Ringe aus de

Werkstattleiterin Nicole Ebinger-Rist hilft der Restauratorin Margarete Eska (liegend) beim Bergen zweiter weiterer Ringe aus dem Erdblock vom Kirchheimer Hegelesberg. Das kleine Bild oben rechts zeigt die beiden „frischen“ Schläfenringe mit Erdresten vor drei Goldringen, die schon länger zuvor geborgen und gesäubert worden waren.Fotos: Roberto Bulgrin

Esslingen/Kirchheim. Der Stuttgarter Regierungspräsident Johannes Schmalzl bezeichnete das frühkeltische Frauengrab aus Kirchheim gestern als einen „Höhepunkt der Landesarchäologie“. Eine Pressekonferenz wie die im alten Schelztorgymnasium in Esslingen, in dem heute das Landesamt für Denkmalpflege untergebracht ist, nannte er einen „Gänsehauttermin“. Helle Aufregung habe es schon während der „Rettungsgrabungen“ in Kirchheim gegeben: „Da wird nach einer jungsteinzeitlichen Siedlung gegraben, und dann kommen plötzlich auch ganz andere Funde zutage – ein keltisches Frauengrab.“

Die Faszination, die von den Funden ausgeht, hat mit der Faszination des Materials zu tun: „Gold zieht immer“, sagte Professor Dr. Claus Wolf, Präsident des Landesdenkmalamts in Esslingen. Einerseits gebe es „gezielte Forschungsgrabungen“ wie am Bettelbühl bei der Heuneburg, andererseits aber auch immer mehr „Rettungsgrabungen“ bei Baugebieten wie jetzt am Kirchheimer Hegelesberg. „Wir haben da eine mobile Eingreifgruppe geschaffen, die bei solchen Fällen im ganzen Land unterwegs ist.“ In kurzer Zeit lasse sich schon sagen, wie groß das Grabungsareal sein wird und wie lange die Grabungen dauern: „Am vereinbarten Tag X sind wir dann auch wieder weg.“

So war es nun auch beim Kirchheimer „Leuchtturmprojekt“, bei dem neben den erwarteten steinzeitlichen Funden aus dem 6. Jahrtausend vor Christus Keltenfunde aufgetaucht sind, die – wie im Fall des Fürstinnengrabs – aus der Zeit um 500 vor Christus stammen, also aus der frühen Eisenzeit. Das zieht sich aber wohl bis ins 2. und sogar 1. vorchristliche Jahrhundert hin. Somit gebe es bei den eisenzeitlichen Funden eine besondere „zeitliche Tiefe“, wie Grabungsleiter Jörg Bofinger gestern feststellte.

Wie mit der Stadt Kirchheim vereinbart, die sich an den Kosten der Grabungen mit rund 340 000 Euro beteiligt, sei am Hegelesberg auf einem 2,5 Hektar großen Areal von Juni 2014 bis Ende September 2015 gegraben worden, sagte Jörg Bofinger. Auf das Frauengrab sei sein Team anhand von zwei bronzenen Fußringen gestoßen. Das ließ darauf schließen, dass noch mehr Schmuck zu erwarten sei. So wurde der obere Teil des Grabs – von der vermuteten Hüfte aufwärts – in einem 500 Kilogramm schweren Block geborgen und nach Esslingen transportiert.

Um das Grab herum seien Spuren von der quadratischen Einfassung eines Grabhügels erhalten geblieben. Noch zwei weitere Einfassungen dieser Art ließen sich im Grabungsgebiet nachweisen, allerdings ohne Beigaben. Schwierig findet es Jörg Bofinger, „zu beurteilen, wo die dazugehörige Siedlung zu vermuten ist“. Die Limburg oder die Teck kämen dafür ebenso in Frage wie „eine bessere bäuerliche Ansiedlung vor Ort“.

Zur Einschätzung des Kirchheimer Fundes sagte Jörg Bofinger im Labor – während der Bergung zweier weiterer Goldringe aus dem Erdblock –, dass es einen vergleichbaren Fund aus Esslingen-Sirnau gebe. Dort sei sogar noch „reicher Korallenschmuck“ aufgetaucht, der sich auch für Kirchheim vermuten lasse. Allerdings sei der Boden im Hegelesberg extrem kalkarm. Deshalb fehlen nicht nur die Knochenreste der Kirchheimer Keltenfrau, sondern auch der vermutete Korallenschmuck. Beides könne sich in diesem Boden nicht erhalten. Weitere Funde, die mit dem Gold vom Hegelesberg mithalten können, habe es in Ditzingen gegeben sowie im Salzkammergut und in der Schweiz. Allenfalls in Ostfrankreich, im Burgund, sei mit ähnlichen Schätzen zu rechnen. Für Mitteleuropa bleibe es bislang aber bei den fünf genannten bedeutenden Fundorten – und Kirchheim ist einer davon.

Das hörte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker gestern natürlich gern. Die Stadt habe die Ausgrabungen selbstverständlich unterstützt und hoffe nun darauf, Wege zu finden, „wie sich die Funde auch in Kirchheim präsentieren lassen“. Letzteres sagte der Regierungspräsident zu. Über den endgültigen Ausstellungsort entscheide zwar irgendwann das baden-württembergische Wissenschaftsministerium. Die „Erstpräsentation“ allerdings erfolge heutzutage normalerweise am Fundort – und Kirchheim habe für diesen Fall ja ein geeignetes Museum.