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Kinder können die Natur auf Augenhöhe entdecken

Ökologie Landrat Eininger eröffnet das umgestaltete Albentdecker-Kinderzimmer im Naturschutzzentrum Schopflocher Alb. Es gibt das „Moor“-Bällebad und eine Kletterwand, mit der sich der Rotmilan aktivieren lässt. Von Iris Häfner

Der Renner ist das Bällebad. Kaum haben die Kinder ihre Schuhe ausgezogen, stürmen sie auch schon auf die Wanne mit den bunten Kugel zu und lassen sich fallen. Lachende Kinder bilden mit den Bällen eine wabernde Masse – einer taucht sogar ganz unter. Diese Szenerie kommt dem Original ziemlich nahe, denn das Bällebad soll das benachbarte Schopflocher Torfmoor imitieren. 

Es ist Premierenzeit im Naturschutzzentrum (Naz) Schopfloch. Die Buben und Mädchen vom Kindergarten Felsennest aus Hausen im „Goisadäle“ dürfen als erste das umgestaltete Albentdecker-Kinderzimmer einweihen – und gleich einem Härtetest unterziehen. Wer vor dem „Moor“ steht, kann vieles entdecken. Die Holzbalken sind passend zum Thema bemalt als eckige Birkenstämme oder mit fallenden Blättern, unten sind typische Moorpflanzen zu sehen, beispielweise das zauberhafte Wollgras. 

„Im Bällebad kann man in den Lebensraum Moor eintauchen. Zu finden sind dort auch 20 durchsichtige Kugeln. Darin kann man Tiere entdecken, die den Tümpel als Lebensraum haben – und wie verwandlungsfähig sie sind: Die Amphibien vom Laich über die Kaulquappe bis zu Frosch oder Kröte, aber auch die unterschiedlichen Phasen der Libellen“, erklärt Ulrike Walter, Biologin und Umweltpädagogin am Naz. Beide Arten brauchen das Wasser zu Beginn ihrer Entwicklungsphase, ehe sie an Land krabbeln oder sich in die Lüfte schwingen.  

 

Der Rotmilan ist unser Bundesadler.
Ulrike Walter über den großen Raubvogel, dessen Hauptbrutgebiet die Alb ist.

 

Magisch angezogen wird der Blick aber als erstes von der riesigen Kröte, die einen großen Teil der Wand gegenüber des „Moors“ ziert. Sie thront über dem Steinteppich aus Filzwolle, als Sitzmöglichkeiten dienen Riesenkiesel, ebenfalls gefilzt. „Das ist die Ruheecke mit Wiesenfeeling“, sagt Ulrike Walter. Die Kinder erleben dort die Froschperspektive, sehen Tautropfen und eine Libelle auf einem großen Grashalm auf Augenhöhe. 

Der Bänderschneckentisch überzeugt ebenfalls mit seiner Optik und ist dazu praktisch und vielseitig verwendbar. Der äußere Rand besteht aus mehreren Teilen, die sich aneinander reihen lassen, sodass eine lange Tafel entsteht. „Die Mitte des Tischs ist dann der Kopf einer Schlange. An den kleinen Tischen, die den Schlangenkörper bilden, können wir basteln, malen und essen. ,Die Schreiner’ in Kirchheim haben das System gemeinsam mit uns entwickelt, denn die kleinen Tische müssen stabil sein, die Kinder müssen sich dranlehnen können, ohne dass was passiert“, sagt Ulrike Walter.

Wer in den Raum tritt, dem steht die Kletterwand gegenüber. Unübersehbar ist der rote Knopf. Er ist das Ziel der kleinen Klettertour. Drückt man drauf, ertönt der typische Ruf des Rotmilans – und zwei Papp-Exemplare setzen sich an der Decke in Bewegung. „Das Ziel ist es, den Rotmilan aktiv werden zu lassen. Die Schwäbische Alb und Teile Bayerns sind Hauptbrutgebiet dieses Raubvogels. Man kann also sagen: Der Rotmilan ist unser Bundesadler“, sagt Ulrike Walter mit einem Augenzwinkern. 

Die Ruheecke mit Wiesenfeeling dominiert die große Kröte. Foto: Markus Brändli

Das große Zimmer teilt sich in aktive und ruhige Bereiche. „Wir haben die Schwerpunkte Randecker Maar, Kletterfelsen im Lenninger Tal und das Moor“, erläutert sie. Das Kinderzimmer ist ein niederschwelliges Angebot, das sich an Kinder richtet, die mit ihren Eltern ins Naz kommen, sonst aber wenig mit der Natur zu tun haben. „Es ist ein Angebot für Couch Potatoes. Wir wollen das Interesse an Draußen wecken“, sagt Ulrike Walter. 

Als absoluten Glücksfall bezeichnet sie Tamara Seidl. Die junge Frau absolvierte vor rund sieben Jahren ihr Freiwilliges Ökologisches Jahr am Naz. Schon damals wurde ihr künstlerisches Talent geschätzt, jetzt hat sie maßgeblich ihre Akzente gesetzt und mitten in ihrer Masterarbeit zwischen den Jahren gearbeitet. Erst vor wenigen Tagen setzte sie den letzten Pinselstrich.

Über die Attraktion freut sich auch Landrat Heinz Eininger. „Vor 27 Jahren hat der Kreis Esslingen das Naturschutzzentrum gegründet. Das neue Albentdecker-Kinderzimmer ist der grundlegendste Umbau seit der Einweihung. Wir wollen damit Kinder und Familien ansprechen. Das Zimmer soll das spielerische Lernen fördern, sodass die Kinder die Natur als etwas Spannendes erfahren können“, so der Landrat.

Ach ja: „Mobbel“, das große Holz-Schaf und die einstige Attraktion der „Kinderabteilung“ im Naz lebt weiterhin glücklich und froh. Sein neuer Stall ist die Digelfeldschule im Biosphärenort Hayingen.

 

Jahresprogramm Naturschutzzentrum Schopflocher Alb

„Unser Grundkonzept in Naturschutzzentrum ist die Umweltbildung, das spiegelt das Jahresprogramm wider – und es steht im Zeichen des Kreisjubiläums. Es stärkt die Kooperation, denn am Programm sind viele beteiligt, unter anderem der Forst, die Kliniken und auch der Abfallwirtschaftsbetrieb“, erklärte Landrat Heinz Eininger bei der Vorstellung in der warmen Stube – und leichtem Schneetreiben auf der Alb. „Den Landkreis Esslingen gibt es seit 50 Jahren – ein Klacks gegenüben den Jahrmillionen, die die Alb besteht“, gab es sich bescheiden.

Die Teck steht gleich mehrfach im Programm. „Sie ist ein markanter Berg mit langer (Kultur-)Geschichte. Es gibt die Sibyllenspur, einst den Teckabfahrtslauf und den Aufzug für Segelflugzeuge, den Albverein als Hausherr auf der Burg – und eine Grasski-WM, die drei Tage vor der Eröffnung fast abgesagt wurde“, zählte der Landrat auf. Der Outdoor-Hype der vergangenen Jahre birgt auch Konflikte mit dem Naturschutz. „Wir müssen permanent Kompromisse aushandeln, auch mit der Landwirtschaft“, erklärte Heinz Eininger und sprach die Zusammenarbeit mit den Kommunen an, wenn es um die Besucherlenkung auf den Wegen geht. Zudem hob er das Bürgerfest im Freilichtmuseum hervor, an dem sich das Naz beteiligt.

„Der Schwerpunkt des Jahresprogramms liegt bei den Insekten. Das zeigt auch das Titelbild mit Hummeln“, sagte Dr. Marco Drehmann, Geschäftsführer des Naz. Der Rückgang dieser Spezies habe dramatische Formen angenommen. Der Auftakt ist mit der Ausstellung „Von Heupferden und Bienenwölfen“ ist gemacht. Sie wurde im Januar mit Werken von Jutta Sailer-Paysan eröffnet. Im Mai geht es mit Hummeln weiter. „Dass sie fliegen, ist ein physikalisches Wunder“, erklärte er. Dann kommt er richtig ins Schwärmen: „Das Randecker Maar ist eine Schatzgrube für versteinerte Insekten. Dort wurde ein zehn Millionen Jahre altes Widderchen gefunden, man erkennt sogar noch das Flügelmuster. Den Schmetterling gibt es heute noch auf der Alb.“ Ab September sind die Fundstücke zu sehen.

Viele Führungen und Veranstaltungen finden zum ersten Mal statt. So etwa der Poetry-Slam, der bei gutem Wetter draußen stattfinden soll. Neu sind auch Gutenbergs Geopoints, die landeskundliche Wanderung ums Randecker Maar und eine Genusswanderung. Gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen gibt es eine Führung im Lehr- und Versuchsgarten in Tachenhausen. „Für jeden gibt es ein Angebot“, ist Marco Drehmann überzeugt. ih