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Kirche hilft dem Kreis in der Not

Freizeitheim in Erkenbrechtsweiler wird zur Unterkunft für 53 Flüchtlinge – bis Januar 2018

In der Not stehen die beiden evangelischen Kirchenbezirke Kirchheim und Nürtingen eng zusammen und helfen gemeinsam dem Landkreis Esslingen: Sie überlassen dem Kreis ihr Freizeitheim in Erkenbrechts­weiler, um dort insgesamt 53 Flüchtlingen ein Dach über dem Kopf bieten zu können.

Das Freizeitheim der evangelischen Kirchenbezirke Kirchheim und Nürtingen in Erkenbrechtsweiler steht zwei Jahre lang nicht mehr
Das Freizeitheim der evangelischen Kirchenbezirke Kirchheim und Nürtingen in Erkenbrechtsweiler steht zwei Jahre lang nicht mehr für Freizeiten oder Schulungen zur Verfügung: Der Landkreis mietet es bis Januar 2018 für die Erstunterbringung von Flüchtlingen.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim / Nürtingen. Es ging alles ganz schnell, wie Kirchheims Dekanin Renate Kath gestern bei einem Pressegespräch erzählte: „Anfang Dezember rief der Landrat bei uns an und sagte, dass er bis Mitte / Ende Januar 1 500 neue Erstaufnahmeplätze für Flüchtlinge braucht, aber erst 750 Plätze hat.“ Weder Küchen- noch Sanitärcontainer seien auf dem Markt derzeit zu erhalten. Ob nicht die Kirche Plätze zur Verfügung stellen könne? Gemeindehäuser seien allerdings von vornherein ausgeschlossen, sagt Renate Kath, und zwar aus einem ganz einfachen und praktischen Grund: Es gibt dort keine Duschen.

„Die Not ist aber einfach so groß, dass wir ernsthaft über unser Freizeitheim in Erkenbrechtsweiler nach­denken mussten“, berichtet Kirchheims Dekanin weiter. Inzwischen ist man über das reine Nachdenken bereits hinaus: Von Mitte Januar an vermieten die Kirchenbezirke Kirchheim und Nürtingen ihr gemeinsam genutztes Freizeitheim – samt Paul-Blessing-Hütte in direkter Nachbarschaft – für einen Zeitraum von zwei Jahren an den Landkreis.

Werner Klein, der Vorsitzende der Kirchheimer Bezirkssynode, sieht die große Not in Sachen Flüchtlingsunterbringung. Er betont aber auch das Opfer, das die beiden Kirchenbezirke bringen, um Hilfe zu leisten: „Es ist bestimmt nicht so, dass wir froh wären, hier etwas günstig vermieten zu können. Uns tut es durchaus weh, das Haus herzugeben.“

Eigentümer und Träger des Freizeitheims und der Paul-Blessing-Hütte sind die beiden Kirchenbezirke. Die Belegung erfolgt über das Evangelische Jugendwerk in Kirchheim, und auch die Geschäftsführung liegt in Kirchheim. Der Kirchheimer Kirchenpfleger Bernd Kemmner gibt Auskunft: „Das Haus ist jedes Wochenende belegt, und in den Ferien auch unter der Woche. Dazu kommen während der Schulzeit Projekttage von Schulen oder auch Firmenschulungen, speziell für Lehrlinge.“ Dekanin Kath ergänzt: „Wir brauchen das Haus für unsere eigene Jugendarbeit, aber auch für Senioren – für den ,Urlaub ohne Koffer‘.“

Ihr Nürtinger Kollege, Dekan Michael Waldmann, pflichtet bei: „Das ist keine Bude, die man einfach so hergibt.“ Im Gegenteil: „Das Haus ist gut in Schuss und steht sehr gut da.“ Es stehe schnell zur Verfügung, weil auch keine Duschcontainer nötig sind. Lediglich kleinere Umbauten seien nötig, um es als Flüchtlingsunterkunft nutzen zu können. So braucht es beispielsweise Waschmaschinenanschlüsse, über die ein Freizeitheim natürlich nicht verfügt.

Ein größeres Problem ist das Ausweichen für die angestammten Gruppen, die das Haus normalerweise belegen. 70 Reservierungen müssen jetzt abgesagt werden. In der zweiten Januarhälfte sollen die Flüchtlinge bereits einziehen. Michael Waldmann sagt dazu: „Das ist sicher nicht leicht. Aber in dem Fall sind für uns die humanitären Gründe gewichtiger.“ Gegebenenfalls müsse man eben einmal eine Jungschar- oder eine Konfirmandenfreizeit anders gestalten oder auch ausfallen lassen.

53 Plätze stehen im Freizeitheim in Erkenbrechtsweiler insgesamt zur Verfügung. Das ist zwar nur ein geringer Teil der 750 Plätze, die im Landkreis für Januar noch fehlen. Aber Dekan Waldmann weiß auch das richtig einzuschätzen: „Die schlechte Nachricht ist, dass noch 697 Plätze fehlen. Aber die gute Nachricht ist, dass wir immerhin 53 Plätze bereitstellen können.“

Nach Ablauf der zwei Jahre, in denen der Mietvertrag gelten soll – also im Januar 2018 –, rechnet Kirchenpfleger Kemmner noch mit einem weiteren halben Jahr für Sanierungsarbeiten, bevor wieder kirchliche und sonstige Gruppen das Heim wie gewohnt in Beschlag nehmen können. Diese Zeit werde dann aber auch gebraucht, um das Haus bei den üblichen Gruppen „wieder zu bewerben“, stellt Dekanin Kath fest.

Werner Klein legt Wert darauf, dass die Kirchenbezirke hier zwar gerne, aber eben nur befristet helfen können, und Michael Waldmann denkt sogar in größeren Kategorien: „Dieses Beispiel zeigt, wie groß die Aufgabe ist, eine Million Menschen in unserem Land unterzubringen.“