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Kirchheim war nicht zu retten

Eine Ausstellung zur Kulturgeschichte des Löschwesens erinnert an den Stadtbrand von 1690

Eimer waren einst das wichtigste Utensil, um Brände zu löschen. Vergleicht man eine Eimerkette mit heutigen Tanklöschfahrzeugen oder Tragkraftspritzen, dann ist es nicht weiter erstaunlich, dass Kirchheim Anfang August 1690 abgebrannt ist. Das Feuer war mit damaligen Mitteln nicht in den Griff zu kriegen. Deutlich wird das durch eine Ausstellung, die im Kornhaus zu sehen ist.

Heute gibt es Schläuche statt Eimern, die einst in einer Löschkette von Hand zu Hand liefen. Die Ausstellung im Kornhaus zeigt a
Heute gibt es Schläuche statt Eimern, die einst in einer Löschkette von Hand zu Hand liefen. Die Ausstellung im Kornhaus zeigt aber auch auf, wie lange und schwierig der Weg zu genormten Kupplungen war. Dadurch verbesserte sich die Zusammenarbeit bei Großeinsätzen.Foto: Deniz Calagan

Kirchheim. Die Wanderausstellung „Brandgeschichte(n)“ macht derzeit im Kirchheimer Kornhaus Station. Anlass dafür ist das traurige „Jubiläum“ 325 Jahre Stadtbrand. Die Ausstellung zeigt aber weit mehr als nur die Erinnerung an die große Kirchheimer Katastrophe vom Sommer 1690: Es geht um eine enzyklopädische Kulturgeschichte des Umgangs mit Feuern und Bränden im heutigen Baden-Württemberg. Denn was sich vor 325 in Kirchheim ereignet hat, war kein Einzelfall,

Von A bis Z listet die Aufstellung nicht nur verschiedenste Gegenstände und Themen auf, die mit Feuer, Bränden und dem Löschwesen zu tun haben, sondern unter dem Stichwort „Chronologie“ auch baden-württembergische Städte, die einst von Stadtbränden heimgesucht wurden. Die Liste reicht von A wie Aalen (1634, 1664 und 1865) bis Z wie Zell im Wiesental (1818). Chronologisch wiederum beginnt es 1134 in Ulm und endet mit Verheerungen durch Feuersbrünste am Ende des Zweiten Weltkriegs im Frühjahr 1945, etwa in Crailsheim.

Wie das in Kirchheim 1690 abgelaufen sein mag, schilderte Kulturamtsleiterin Almut Cobet gestern zur Ausstellungseröffnung: Eimer habe es in ausreichender Menge gegeben. Schließlich war jeder Bürger verpflichtet, einen solchen für den Brandfall vorzuhalten. Auch eine Feuerspritze habe es in Kirchheim gegeben. Aber eine Reihe unglücklicher Umstände sorgte dafür, dass das Feuer, das am 3. August gegen halb sechs am Nachmittag ausgebrochen war, fast die gesamte Stadt zerstörte: Der Alarm sei erst recht spät ausgerufen worden, der Stadtbach war gerade ausgetrocknet und die Feuerspritze verstopft. Außerdem waren fast alle Bürger an jenem Sonntagnachmittag außerhalb der Stadtmauern unterwegs. So kam es, dass innerhalb der Mauern 257 Häuser und 114 Scheuern abbrannten.

Kirchheim war 1690 also in jeder Hinsicht „abgebrannt“. Auch über dieses Stichwort klärt die Ausstellung auf: Wer das Unglück hatte, Hab und Gut durch einen Brand verloren zu haben, bekam die offizielle Erlaubnis, um Unterstützung zu bitten. Er war eben kein gewöhnlicher Bettler, sondern schlicht und einfach „abgebrannt“. Im Fall Kirchheims gab es im gesamten Herzogtum Württemberg eine Brandsteuer, um den Bewohnern der Stadt beim Wiederaufbau finanziell unter die Arme zu greifen.

Aber auch an eine andere Form der Abgabe, die noch bis vor wenigen Jahren existierte, erinnert die Ausstellung im Kornhaus: an die Feuerwehrabgabe, die jeder männliche Baden-Württemberger im dienstfähigen Alter zu entrichten hatte – sofern er sich nicht persönlich bei der Feuerwehr oder einer vergleichbaren Organisation engagierte. Erst 1995 wurde diese Abgabe abgeschafft.

Frank Lang, der die Ausstellung vor einigen Jahren gemeinsam mit Dieter Peters entworfen hat, sprach zur Eröffnung noch einige weitere Kuriositäten an. So dichtete kein geringerer als Joachim Ringelnatz folgenden Werbespruch für eine bekannte Handfeuerlöscher-Marke: „Feuer breitet sich nicht aus, hast du Minimax im Haus.“ Es habe aber auch schon frühzeitig Parodien gegeben, etwa: „Minimax ist großer Mist, wenn du nicht zu Hause bist.“ Ein solcher Feuerlöscher hätte also am 3. August 1690 nicht viel helfen können, wenn es ihn denn schon gegeben hätte. Die Kirchheimer waren ja überwiegend nicht zu Hause.

Stadtbrände waren aber nicht nur regelrechte Katastrophen für die Betroffenen, sondern auch ein Grund für frühen Katastrophentourismus. So berichtete Frank Lang vom Leonberger Stadtbrand im Jahr 1895, als die Eisenbahn Sonderzüge einsetzte, um alle Schaulustigen bequem zum Ort der Katastrophe zu führen.

Immerhin gab es 1895 bereits ein beachtliches und technisch hochwertiges Feuerlöschwesen. Landauf, landab waren Mitte des 19. Jahrhunderts Feuerwehren gegründet worden. So auch in Kirchheim. Inzwischen gibt es sogar ein eigenes Museum in der Henriettenstraße, um historische Feuerwehrtechnik präsentieren zu können. Aber im Kornhaus geht es am Ende der Ausstellung nicht nur um Museales: Auf einem Bildschirm werden Fotos gezeigt von Einsätzen der Kirchheimer Feuerwehr im 21. Jahrhundert. Allein 2014 waren es über 240 Einsätze. Darauf machte Museumsleiterin Stefanie Schwarzenbek aufmerksam, als sie auf die verschiedensten Begleittermine zur Ausstellung verwies.

Info

Die Ausstellung im Kornhaus ist bis 15. November zu sehen. Das Museum bietet unterschiedliche Führungen an, bis hin zur Führung in der Mittagspause und zu Abendführungen mit Sekt oder „Gebranntem“. Außerdem gibt es Besichtigungen der Feuerwache und des Feuerwehrmuseums. Auch Stadtführungen zum Stadtbrand sind im Angebot. Wichtige Termine sind das Museumsfest am 3. Oktober, ein Brandschutzlehrgang am 24. Oktober sowie ein Auftritt des Spielmannszugs der Freiwilligen Feuerwehr Kirchheim am 8. November. Details sind im Museum im Kornhaus erhältlich, Telefon 0 70 21/5 02-3 77, E-Mail: museum@kirchheim-teck.de.